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Managerin mit GefühlDie unbekannte Seite der Bergisch Gladbacher Fabrikantin Maria Zanders

Lesezeit 3 Minuten
Maria Zanders um 1855, 1859 und 1888.

Maria Zanders als junge Mutter (um 1859), als gestandene Unternehmerin (1888) und als noch unverheiratete Frau (um 1855). (Collage mowaii Design/David Grasekamp).

„Faß ich die Muse heut' beim Zipfel“ heißt der Band mit Gedichten von Maria Zanders, veröffentlicht von Magdalene Christ und Petra Bohlig.

Sie stand ihren Mann in einer Zeit, als Frauen des Bürgertums fast immer nur auf Küche, Kinder und Kirche reduziert wurden. Sie war Unternehmerin, managte ein expandierendes Papierunternehmen in Bergisch Gladbach, war Familienvorstand.

Maria Zanders, heute vor 185 Jahren in Hückeswagen geboren, war eine Ausnahmegestalt im 19. Jahrhundert, was ihr den inoffiziellen Titel „Königin von Gladbach“ einbrachte. Die Rolle hatte sie allerdings eher unfreiwillig einnehmen müssen. Früh zur Witwe geworden, wollte sie das Familienunternehmen Zanders erhalten und allen Widrigkeiten zum Trotz an ihre Söhne weitergeben.

Maria Zanders: Unternehmerin mit künstlerischer Seite

Neben ihren Management-Qualitäten hatte Maria Zanders aber noch eine zweite Seite: vielseitig künstlerisch interessiert, liebte sie Malerei, Musik und Dichtkunst, unterstützte als Gründerin des Altenberger Dom-Vereins den Wiederaufbau der ehemaligen Klosterkirche an der Dhünn und betätigte sich als Mäzenin.

Ihre zarte, poetische Ader zeigt die neue Publikation von Petra Bohlig und Magdalene Christ, die sich beide schon lange mit dem Leben von Maria Zanders beschäftigen. „Faß ich die Muse heut' beim Zipfel“ heißt die aufwendige und limitiere Sonderedition, in der - pünktlich zum 185. Geburtstag - Gedichte aus der Feder Maria Zanders vorgestellt und in ihren historischen Kontext eingeordnet werden.

Die Gedichte waren ein Ventil, um ihre Gefühle auszudrücken

Im Sternzeichen des Fisches geboren, „war Maria Zanders sehr emotional“, erklärt Archivarin Magdalene Christ, die langjährige Geschäftsführerin der Stiftung Zanders – Papiergeschichtliche Sammlung. „Die Gedichte waren ein Ventil, ihre Gefühle auszudrücken“, meint Petra Bohlig über Maria Zanders, die viele Dramen in ihrem Leben erlebt habe. Eine Art Eigentherapie in Vor-Freud'schen-Zeiten.

Eine Familie um das Jahr 1900 im Sonntagsstaat.

Papierfabrikantin Maria Zanders (vordere Reihe Mitte, in dunkler Witwenkleidung) um 1900 im Kreis ihrer Familie.

Das gesellschaftliche Geschehen in Bergisch Gladbach, Freunde und Familie, bedeutsame Ereignisse, Trauer und Freude – alles fand Maria Zanders geeignet, um es in Versmaß auszudrücken. Gelegenheitsgedichte, die sich oft gut datieren ließen: „Passierte etwas im Lebenslauf, schon gab es am nächsten Tag ein Gedicht dazu“, sagt Christ.

Petra Bohlig und Magdalene Christ transkribierten die Gedichte

Gemeinsam mit Bohlig transkribierte sie jahrelang die Fülle der in gestochener Handschrift geschriebenen Gedichte. Sie übersetzten im heutigen Sprachgebrauch unbekannte Worte und erläuterten nach Möglichkeit die Entstehungsgeschichte des Inhalts. Rund 40 Seiten umfasst daher der Anmerkungsapparat.

Jürgen Drissler, Magdalene Christ, Petra Bohlig und Catrin Riquier mit dem neuen Buch über Maria Zanders.

Zum 185. Geburtstag von Maria Zanders legen Magdalene Christ und Petra Bohlig (2. und 3. v.l.) die Gedichte der Papierunternehmerin vor. Die Stiftung Zanders, vertreten durch Jürgen Drissler und Catrin Riquier (rechts), machte es möglich.

Bohlig und Christ begegnete bei dieser Arbeit eine weitgehend unbekannte Maria Zanders, eine mal melancholische, dann wieder witzig-ironische Frau, die auch sich selbst nicht vom Spott ausnahm. Eben diese Ironie habe ihr auch in düsteren Stunden immer wieder aus dem Tief geholfen, so die beiden Verfasserinnen des Buches, das etliche bisher unveröffentlichte Fotografien erhält und mit Unterstützung der Stiftung Zanders herausgegeben werden konnte.

Verse - mal melancholisch, mal spitzbübisch-frech

„Es ist für uns eine ganz besondere Freude, diese außerordentliche Persönlichkeit der Zanders-Dynastie auf eine ganz neue Weise in Erinnerung zu bringen“, sagt dann auch Jürgen Drissler, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zanders.

Spitzbübisch-keck bis ironisch-frech nennt Magdalene Christ das, was Maria Zanders hier aufblitzen lässt und im Alltagsgeschäft vermutlich nicht ausleben konnte. Etwa als der Arzt sie bei der Operation in ihrer Villa offenbar vor einer Betäubung bittet, „von Hundert nun abwärts zu zählen“, dichtet Maria selbstironisch: „Nur von Millionen kann sich das Zählen bei Frau Zanders lohnen“.

Oder wenn sie, mit zunehmendem Alter mit überflüssigen Pfunden kämpfend, in der Kur nur mit mäßigem Erfolg auf Diät gesetzt wird und sie sich sorgt, ob sie dereinst noch durch die Himmelspforte passen werde. Wann diese vielbeschäftigte Frau zwischen Fabrik, Kontor und Salon noch die Muße gehabt hat, im stillen Kämmerlein Gedichte zu verfassen, das bleibt der bisherigen Forschung allerdings ein Rätsel. „Ich vermute“, so Magdalene Christ lächelnd, „sie hat Schlafstörungen gehabt.“


Das Buch

Petra Bohlig, Magdalene Christ: „Faß ich die Muse heut' beim Zipfel“. Gedichte von Maria Zanders, herausgegeben von der Stiftung Zanders – Papiergeschichtliche Sammlung, Heider Verlag Bergisch Gladbach 2024, ISBN: 978-3-947779-50-5 255. Limitierte Sonderedition von 300 Exemplaren, 255 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Erhältlich im Kulturhaus Zanders, beim Heider-Verlag und im Buchhandel für 59 Euro.