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ProzessVideobeweis gegen Ladendieb in Overath lässt sich vor Gericht nicht abspielen

Lesezeit 3 Minuten
Ein Polizeibeamter sitzt vor Monitoren mit dem Livebild mehrerer Überwachungskameras.

Video-Überwachung: Ein Polizeibeamter sitzt vor Monitoren mit dem Livebild mehrerer Überwachungskameras. (Symbolfoto)

Es ging um Süßes für 20 Euro, doch das Video eines Overather Discounters ließ sich im Gericht nicht abspielen. Der Prozess platzte.

Süßigkeiten im Wert von immerhin 20 Euro beschäftigen derzeit die Bensberger Strafjustiz — und sie dokumentieren dabei zugleich den eher mäßigen Stand des technischen Fortschrittes in öffentlicher Verwaltung und Justiz. Denn ein Überwachungsvideo, das angeblich den Diebstahl in einem Overather Discounter dokumentiert, ließ sich weder auf dem Dienstrechner der Richterin noch im Gerichtssaal abspielen. Stattdessen legte das wichtige Beweisstück erst einmal vorübergehend die beiden amtlichen Computer lahm. Der Prozess muss jetzt wiederholt werden.

Die Verhandlung gegen den 48-jährigen Mikael G. (Name geändert) stand unter keinem guten Stern. Er soll am 28. Februar 2023 um 15.56 Uhr in dem Geschäft Süßes unter die Jacke gepackt und damit die Kasse passiert haben, ohne zu bezahlen. Jetzt sollte er sich wegen Diebstahls geringwertiger Sachen vor Gericht verantworten, aber das scheiterte erst einmal an der Beweislage.

Justiz-PC leistet passiven Widerstand

Dabei steht das Bensberger Amtsgericht in Sachen Digitalisierung eigentlich gar nicht so schlecht da, ist in Sachen elektronischer Aktenführung beispielsweise der Kölner Staatsanwaltschaft deutlich überlegen und hat überdies in verschiedenen Sälen große Monitore an der Wand hängen. Auf denen könnten Beweisvideos abgespielt werden – wenn sie denn auf den Justiz-PCs liefen.

Das Video, das angeblich Mikael G. beim Klauen zeigt, lief aber nicht, sondern es versetzte den PC des Protokollführers in eine Art passiven Widerstand oder vielleicht auch Dämmerschlaf. Die erfahrene Bergisch Gladbacher Zivil- und neue Strafrichterin Simona Sünnemann versuchte sich telefonisch Rat zu holen, was aber nicht gelang, und auch der Protokollführer wusste ausnahmsweise nicht weiter. Am Video selbst lag es wohl nicht, denn bei der Polizei habe abgespielt werden können, hieß es im Gericht.

Zeuge aus Fleisch und Blut fehlt wegen Fußverletzung

Noch problematischer wurde der Fall Mikael G. dadurch, dass der Oberberger nicht eben kooperativ war, sondern, was sein natürlich gutes Recht war, über seine Armenisch-Dolmetscherin den Diebstahl bestritt. „Ich habe keine Waren aus dem Geschäft genommen!“, sagte der unter Vormundschaft stehende Angeklagte klar und deutlich.

Noch einmal erhöht wurden die Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung dadurch, dass sich der einzige Zeuge aus Fleisch und Blut kurzfristig abgemeldet hatte: Er habe sich am Fuß verletzt und könne darum an dem Tag nicht zu dem Prozess kommen.

Am Ende blieb es dabei: Der Prozess war erst einmal geplatzt. Nun soll es einen neuen Termin geben, zu dem der Zeuge erneut geladen wird und in dem sich das Video hoffentlich wird abspielen lassen. Und sofern bis dahin auch der Gerichtssaal mit der Nummer 106, der größte im Hause, einen großen Videomonitor hat, wird sich der Videobeweis dann sogar für das Publikum komfortabel verfolgen lassen.