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Prozess nach Gewalt gegen PolizistWüterich zu acht Monaten Haft verurteilt

Lesezeit 3 Minuten
DPA_gewalt an frauen

Häusliche Gewalt. Symbolbild.

Bergisch Gladbach – Rentnerin Hildegard B. (67) ist der Schrecken auch zehn Monate nach der Tat noch deutlich anzumerken. Als sie an einem Samstagmittag im Februar nach Hause kommt, fragt ihr Mann sie, ob sie gesehen habe, dass die Polizei bei den Nachbarn sei. Sie geht ans Fenster und sieht, wie ein Mann aus 1,80 Meter Höhe einen Polizisten die Treppe runterwirft und dann auf die Kollegin des Beamten zugeht.

B. wählt den Notruf: „Sie müssen Ihren Kollegen helfen!“ Die Polizeizentrale weiß aber schon Bescheid, denn die beiden Polizisten in Not hatten schon zwei Mal Verstärkung angefordert.

Hildegard B. (Namen geändert) sagt an diesem Tag als Zeugin im Prozess gegen Samir G. aus. Ihr Nachbar, den sie nur vom Sehen kennt, muss sich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verantworten.

Begonnen hat der Vorfall vom 2. Februar als Einsatz wegen mutmaßlicher häuslicher Gewalt in Bergisch Gladbach. Die Mutter von Samirs Ehefrau hat den Anruf einer anderen Nachbarin bekommen, die Schreie aus der Wohnung gehört habe, und die Polizei alarmiert.

Eine Streifenwagenbesatzung fährt mit Blaulicht und Martinshorn zum Tatort und klingelt. Samir G., nicht sonderlich groß, aber breit und stämmig, öffnet. Was dann passiert, ist strittig.

Der Angeklagte schweigt

Oder auch nicht strittig. Samir G., in Deutschland geboren und aufgewachsen, sagt, es tue ihm leid, schweigt aber ansonsten, seine Ehefrau auch. Dagegen redet der Verteidiger umso mehr.

Der Kölner Jurist versucht die Aussagen der Polizisten und der Nachbarin zu erschüttern. Wie denn dies und das funktioniert haben solle, fragt er. Unterm Strich wirkt er auf den Prozessbeobachter so, als lege er es darauf an, die Polizisten zu provozieren, sie als unerfahren, unfähig, überfordert darzustellen, frisch von der Polizeischule und unverhältnismäßig. Er stellt die höhnisch wirkende Frage, ob die Polizisten gefürchtet hätten, eine „Leiche würde verwesen“, wenn sie nicht unmittelbar in der Wohnung gingen.

Polizisten schildern die Situation

Jedoch bleiben der 24-jährige Kommissar und seine 28-jährige Kollegin ruhig und schildern, wie sich die Lage für sie dargestellt habe. Samir G. habe die Tür zwar geöffnet, sie aber aggressiv angebrüllt, was sie wollten. Im Hintergrund habe die Ehefrau gestanden, verweinte Augen, gerötetes Gesicht, das Kind auf dem Arm.

G. habe versucht, die Tür wieder zu schließen, die Polizistin stellte den Fuß dazwischen. Warum, fragt der Advokat. „Wir wussten nicht, was mit der Frau ist. Da geht bei mir die Tür nicht zu“, antwortet die Beamtin.

Samir stößt sie zur Seite. Der Kollege greift ein, es kommt zum Gerangel, der Beamte stürzt in die Tiefe, berappelt sich wieder und überwältigt durch den Einsatz von Pfefferspray Samir G., bevor dann endlich die Verstärkung kommt.

Am Ende verhängt Richterin Birgit Brandes acht Monate auf Bewährung gegen G. und übertrifft damit die Forderung der Staatsanwältin um zwei Monate. Sie habe nicht den geringsten Grund, an der Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes zu zweifeln.

Die vom Verteidiger nahegelegte Alternative, G. die Tür schließen zu lassen, Verstärkung abzuwarten und dann mit einem Rammbock die Türe aufzubrechen, wäre falsch gewesen. Brandes: „Die Beamten hatten den Auftrag, in der Wohnung nachzusehen. Das erwartet der Gesetzgeber so von ihnen und die Bevölkerung ebenfalls.“