Rockerbande in GladbachAls die Bandidos vertrieben wurden

Im April 2005 stürmte die Polizei das Haus an der Hauptstraße. Inzwischen wurde das Gebäude abgebrochen.
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Bergisch Gladbach – Eine Abbruchfirma hat das Haus an der Hauptstraße 304 dem Erdboden gleich gemacht. Mit dem leerstehenden und abbruchreifen Gebäude ist ein Schandfleck aus dem Stadtbild Bergisch Gladbachs verschwunden. Die Stadt hat gehandelt und der Firma Behnke, Müller und Grede GbR eine Baugenehmigung für ein modernes Mehrfamilienhaus erteilt. Jetzt entsteht in absehbarer Zeit ein Wohnhaus für 17 Mietparteien.
So ruhig, wie es in Zukunft wohl sein wird, war es nicht immer an der Hauptstraße 304. Rund zwei Jahre hatte das Chapter, also die lokale Gruppe, der Rocker der Bandidos MC Cologne ihr Clubhaus in dem Gebäude. Aufgrund von Ermittlungsergebnissen der Kreispolizei hoben die Ordnungshüter das Rockernest im April 2005 aus und schlossen das Clubhaus. Im Jahr 2008 schloss die Kölner Staatsanwaltschaft die letzte Akte. Der Besitz von Waffen und Betäubungsmitteln sowie Körperverletzung warfen die Ermittler einigen Bandidos vor. Die Beschuldigten kamen mit Geldstrafen davon.
Werner Bauschert, Ermittler bei der Kriminalpolizei des Kreises und seit 1994 Verbindungsbeamter in die Rockerszene, kann sich noch genau an die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung erinnern: „Im Oktober 2004 meldeten sich die ersten Anwohner bei uns. In die Hausnummer 304 würden immer Motorradrocker in Kutten (Vereinsweste, d. Red.) reingehen und feiern.“
Bauschert befragte den Hausbesitzer, was es mit seinen Mietern auf sich habe. Ein Yamaha-Motorradclub nutze die Räume jetzt, bekam er zur Antwort. Doch die Ermittler waren skeptisch und begannen zu recherchieren. „Die Motorradfahrer, die sich in dem ehemaligen Bierlager trafen, waren keine Yamaha-Fahrer, sondern Mitglieder der Companeros MC, einer Unterstützertruppe der Bandidos MC“, sagt Bauschert. „Dazu muss man wissen, dass viele dieser Gruppen, die einen spanisch klingenden Namen tragen, kriminelle Tendenzen zeigen.“
Dass sich die Bandidos Bergisch Gladbach als Ziel ihrer Clubaktivitäten wählten, obwohl das Chapter Bandidos Cologne hieß, war eher zufällig. Der Fahnder erklärt es so: „Köln wurde zu dieser Zeit von den Hells Angels kontrolliert. Hätten sich die Bandidos dort mit ihren Kutten gezeigt oder sogar ein Clubhaus gebaut, hätten sie massive Probleme bekommen. Also suchten sie im Umland.“
Kurze Zeit, nachdem die Ermittler die Spur aufgenommen hatten, schützten sich die Kuttenträger mit einem Holzzaun vor neugierigen Blicken und installierten Videokameras, mit denen sie das gesamte Gelände überwachten. Ein großes Bandidos-Schild in Rot und Gelb prangte über dem Gebäudekomplex am Ferrenberg. Videoüberwachung beherrschte die Polizei allerdings auch. Die Ermittler legten sich auf einem gegenüberliegenden Gebäude mit Kameras auf das Dach. Sie hatten von dort einen ungehinderten Blick in den Innenhof der Rockerbleibe. Bauschert: „Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es war empfindlich kalt auf dem Dach, und wir wechselten uns rund um die Uhr bei der Überwachung ab.“ Zeitgleich wurde ein Motorradfahrer der Rockergruppe Outlaws, der mit seiner Kutte vor dem Kauflandgebäude unterwegs war, von einem Mercedes angefahren und verletzt. Der Fahrer beging Fahrerflucht. Die Polizei sichtete das Auto anschließend auf dem Gelände der Bandidos. Der Halter des Fahrzeugs war deren Waffenmeister. Gleichzeitig wurde in Leverkusen ein Anschlag auf den Präsidenten der Outlaws verübt. Ein Rockerkrieg lag in der Luft.
Die Entscheidung reifte bei der Polizei, dem Treiben nicht weiter tatenlos zu zusehen und diese aus Bergisch Gladbach zu vertreiben. „Wir fuhren mit einem Lastwagen vor. Eine technischen Einsatzhundertschaft stürmte das Gebäude an der Hauptstraße. Innerhalb weniger Minuten schweißten die Techniker der Polizei alle Ausgänge der Halle zu“, erinnert sich Bauschert. Die Bandidos saßen fest.
„Die Jungs waren völlig unvorbereitet. Sie hatten nicht mitbekommen, dass wir sie vom Hausdach observiert hatten“, berichtet Werner Bauschert schmunzelnd. Den Rockern sei zwar bewusst gewesen, dass sie überwacht wurden, sie hätten aber fälschlicherweise den Lampensensor einer Straßenlaterne für eine Videokamera gehalten.
Bis zum Einsatztag stand den Polizisten von der Immobilie nur eine Bauzeichnung der Stadt zur Verfügung. Die Realität sah allerdings ganz anders aus. Das Gebäude war von den Rockern im Inneren komplett umgebaut worden. Neben der Gastronomiezone gab es noch eine Wohnung für Gäste und einen Tagungsraum für den Präsidenten. Dieser Raum war halbhoch mit Holz verkleidet. Hinter der Holzvertäfelung fand die Polizei Mitgliederlisten und Korrespondenz. „Das hat uns bei den Ermittlungen sehr geholfen“, erläutert der Kriminalhauptkommissar.
Neben mehreren Gasflaschen, die ungesichert auf den Gängen des Hauses lagen, fanden die Polizisten Munition, Baseballschläger, Stichwaffen und Betäubungsmittel – und einen runden Topf an einem Stiel, aus dem ein Knallfrosch ragte. Bauschert: „Einige meiner Kollegen haben sich noch über diese Waffe lustig gemacht. Ich habe sie dann zu den Sprengstoffexperten im Landeskriminalamt geschickt, weil wir so etwas noch nie gesehen hatten.“
Bei der Antwort der Experten aus Düsseldorf blieb manchem Ermittler das Lachen im Hals stecken. Solche Sprengkörper werden von kriminellen Vereinigungen im Süden Italiens bevorzugt zur Ermordung von Menschen eingesetzt. Kommissar Bauschert: „Das Opfer wird auf einen Stuhl gesetzt und gefesselt. Dann schnallt man ihm diese Waffe auf die Brust und entzündet den Knallfrosch. Die Wirkung ist verheerend und führt sofort zum Tod.“
Das Gebäude wurde im Anschluss an die Razzia sofort geschlossen. Die Rocker zogen nach Euskirchen um.