AboAbonnieren

NeubautenAnwohner streiten für den Charakter der Blauen Siedlung in Bergisch Gladbach

Lesezeit 5 Minuten
Eine schöne Einfamilienhaussiedlung ist die „Blaue Siedlungen“.

Eine schöne Einfamilienhaussiedlung ist die „Blaue Siedlung“ – Bewohner fürchten um den Charakter durch Neubauten.

Wenn nach Paragraf 34 gebaut wird, dann gibt es fast immer Ärger – jetzt wieder in der Blauen Siedlung.

In den Wohnvierteln im Stadtgebiet werden immer mehr Einfamilienhäuser abgerissen und durch große Mehrfamilienblocks ersetzt. Ein solches Bauprojekt mitten in der Blauen Siedlung zwischen Waldstraße und Voiswinkler Straße in Schildgen sorgt jetzt auch für Protest bei den Anwohnern.

Konträre Interessen stoßen aufeinander. Ein Nachbar klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln. Pikant: Trotz der gegenteiligen Beurteilung seiner Fachleute hat Dezernent Ragnar Migenda persönlich entschieden, dass die Bauvoranfrage der neuen Eigentümer positiv beschieden worden ist.

Die Siedlung als kleines Idyll am Ortsausgang in Bergisch Gladbach

Die kleine Siedlung am Ortsausgang von Schildgen ist noch ein richtiges Idyll: vor allem in der Waldstraße, im Erlen-, Eichen-, Eschen-, Akazien- und Platanenweg stehen überwiegend Einfamilienhäuser, darunter viele Bungalows, einige Doppelhäuser, keins höher als zwei Etagen, eingebettet in große Gärten mit altem Baumbestand. Innerhalb von nur zwei Tagen sind 111 Unterschriften auf der Protestliste zusammengekommen.

„Hätte ich an weiteren Türen geklingelt, wären es über 200 geworden“, berichtet Wolfgang Kiggen. Die Anwohner fordern die Stadt auf, die Baugenehmigung zurückzunehmen. Zu massiv, zu groß sei der Neubau. Die geplanten Gebäude würden ein massives Vorbild abgeben für die nächsten Bauanträge. In der Sitzung des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden am 27. November haben die Anlieger die Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen.

Bergisch Gladbach: Anlieger fürchten um die Siedlungsstruktur

An der Waldstraße 14 soll das alte eingeschossige Einfamilienhaus abgerissen werden und durch einen mehr als doppelt so großen Baukomplex bestehend aus zwei Gebäuden mit sechs Wohneinheiten ersetzt werden. Die Anlieger befürchten, dass die Siedlungsstruktur ihres Wohnviertels zerstört wird. Und dass dafür zwei alte Bäume gefällt werden sollen, ist ein weiterer Kritikpunkt der Ortsansässigen.

„Das widerspricht den Klimazielen der Stadt“, stellt Klaus Sümmermann fest. Als direkte Nachbarn klagen er und seine Frau gegen den positiven Baubescheid. „Von unserer Privatsphäre bliebe nichts mehr übrig“, sagt Barbara Schäfer-Sümmermann. „Und wohin bitte soll der zunehmende Verkehr, wenn künftig an einer Adresse statt einer Familie plötzlich ein Dutzend Parteien leben?“, fragt André Dohrmann. Er versteht nicht, dass bei der Entscheidung zu solchen Bauvorhaben, nicht Verkehrsexperten hinzugezogen würden.

Angeblich hat es einen Bebauungsplan gegeben

Bis in die 70er Jahre hinein, existierte für das Gebiet ein Bebauungsplan, berichtet die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme. Damals gehörte der Ortsteil Schildgen noch zur Gemeinde Odenthal. Mit der kommunalen Neugliederung 1975 ging Schildgen an Bergisch Gladbach. Über die Inhalte des Bebauungsplans oder ob er aufgehoben wurde, dies „kann von hier aus nicht mehr nachvollzogen werden“, teilt die Verwaltung mit. Deshalb ist für Neubauten in dieser Siedlung Paragraf 34 des Baugesetzbuches entscheidend. Der besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass alles genehmigt werden muss, was sich von Größe und Lage her in die Bebauung der Umgebung einfügt.

Als Kläger durfte Klaus Sümmermann in Begleitung seines Anwalts Einsicht in die Akten nehmen: „Aus dem aktenkundigen Schriftverkehr geht hervor, dass die für die Baugenehmigung zuständige Fachabteilung das Bauvorhaben abgelehnt hat.“ Der geplante Baukörper sei von seiner Grundstücksfläche her zu groß für das Grundstück, laute die Begründung. Wie Sümmermann sagt, warnen die Bearbeiter aus der Fachabteilung explizit davor, dass in Zukunft umliegende Grundstücke ebenfalls erheblich verdichtet bebaut würden.

Dezernent akzeptiert die Entscheidung der Mitarbeiterin nicht

Als Bezugsgröße für den geplanten Neubau seien mehrere Nachbargrundstücke an der Waldstraße herangezogen worden, dazu hätten auch einige Mehrfamilienhäuser mit zwei Etagen und ausgebautem Dachgeschoss auf der gegenüberliegenden Straßenseite von Hausnummer 14 gehört. Die Entscheidung seiner Mitarbeiter, die Baugenehmigung abzulehnen, habe Dezernent Ragnar Migenda aber nicht akzeptiert, sondern stattdessen selbst entschieden, dass ein positiver Vorbescheid zu erteilen sei. „Wir können das nicht verstehen. Damit ist der Regellosigkeit Tür und Tor geöffnet“, sagt Sümmermann.

Dabei geht es den Anwohnern nicht nur um die Dimensionen des Gebäudes, sondern vor allem darum, dass das bereits jetzt Viertel ein Grundwasser- und Überflutungsproblem hat. „Die Situation ist der Stadt bekannt. Die Böden sind aufgrund des hohen Grundwasserstands feucht und deshalb nur schlecht versickerungsfähig. Dies berge für die Siedlung als Quellgebiet in Hanglage besondere Risiken.

Käufer des Grundstücks erklärt seine Absichten

„Wir haben hier fast alle Wasser im Keller, vor allem bei starkem Regen. Und die Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen nimmt ja bekanntlich zu“, sagt Kiggen. Bei einer zunehmenden Bodenverdichtung befürchten die Anlieger, dass sich die Situation noch verschlimmert. Sie kritisieren, dass dieses Thema bei Bauvoranfragen nicht zum Prüfungsumfang gehört.

Den Unterlagen zum Beschwerdeausschuss ist ein Schreiben der Käufer des Grundstücks beigefügt: Aufgrund der hohen Immobilien- und Grundstückspreise sei es den Eheleuten – trotz Vollzeitjobs und gutem Gehalt – nicht möglich, ein freistehendes Einfamilienhaus auf dem 1018 Quadratmeter großen Grundstück zu errichten: Deshalb planten sie ein Doppelhaus, das auf einer Seite von ihnen bewohnt werden solle. Auf der anderen Seite seien vier zwischen 50 und 60 Quadratmeter große Wohneinheiten eingerichtet werden. „Leider werden uns in dieser Zeit, welche ohne nachbarschaftliche Konflikt schon herausfordernd genug ist, möglichst viele Steine in den Weg gelegt“, kritisieren die neuen Eigentümer.

„Wir haben nichts dagegen, dass hier neu gebaut wird und junge familien hierhin ziehen“, betonen Dohrmann und seine Mitstreiter ausdrücklich. Aber die Umwandlung des Viertels müsse behutsam stattfinden. Sie wünschen sich, dass Politik und Bürger in diesen Prozess einbezogen werden: „Es muss Schluss sein damit, dass die Verwaltung durch ihr Handeln Fakten schafft, denen man hilflos ausgeliefert ist.“