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Stadtteil MoitzfeldTeures Pflaster, aber kein Nobel-Viertel

Lesezeit 4 Minuten
  1. Der Bergisch Gladbacher Ortsteil Moitzfeld überzeugt mit einer lebendigen Dorfgemeinschaft – nur eine Kneipe fehlt.
  2. Auf der Hauptstraße trifft Nostalgie auf Moderne.

Bergisch GladbachDie Hauptstraße ist die Lebensader jedes Ortsteils. So war es früher. Doch wie sieht die Wirklichkeit heute aus? Die Redaktion ist unterwegs, um genau das herauszufinden. Heute führt uns der Weg auf die Hauptstraße nach Bergisch Gladbach-Moitzfeld.

Wir treffen Peter Freyaldenhoven an der katholischen Kirche St. Joseph. „Ich bin zwar evangelisch“, sagt der Vorsitzende der Dorfgemeinschaft Moitzfeld lachend. „Aber das hier ist schon so etwas wie das kleine Herz des Ortes.“ Gegenüber liegt das Mini-Einkaufszentrum mit dem nostalgischen Nahversorger Hetzenegger, der Apotheke, Bäcker, Blumenladen und dem Pizza-Imbiss von „Memo“, wie der kurdische Besitzer mit Spitznamen heißt. Mittendrin: die quirligen Kinder der nahe gelegenen Förderschule Friedrich Fröbel, die die Anwohner und Geschäftsleute längst „adoptiert“ haben.

Peter Freyaldenhoven, Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Moitzfeld, mit der historischen Seilscheibe am Ortseingang.

Seit 1998 lebt der gebürtige Kölner in dem Bensberger – pardon: Bergisch Gladbacher – Stadtteil. „Da haben wir der Oma ihr klein Häuschen übernommen.“ Längst ist Freyaldenhoven mit Leib und Seele Moitzfelder und kennt jeden und jede Ecke. „Wir sind gut angebunden“, sagt er, als wir die Bushaltestelle passieren. Sieben Minuten bis Bensberg, Endhaltestelle der Linie 1. „Aber das ist nicht das Wesentliche. Wesentlich ist die lebendige Dorfgemeinschaft.“ Schade sei, dass die einzige Kneipe auf der Hauptstraße, der Lindenhof, gerade wieder dicht gemacht habe. Ein Anschlag an der Tür verspricht einen neuen Pächter in nächster Zeit. Freyaldenhoven bedauert: „Früher hatten wir vier Kneipen, erzählt mein Schwiegervater.“

17 neue Eigentumswohnungen

Nicht weniger gemeinschaftsstiftend und sehr belebt ist gegenüber das markante hellblaue Gebäude. Seit Jahrzehnten ist das Haus für die Jugend eine feste Adresse in Moitzfeld. Es beherbergt die Offene Ganztagsschule (OGS) für bis zu 120 Kinder. Markus Kneider ist schon seit 1998 pädagogischer Leiter der OGS und hat die Geschichte des ehemaligen Hortes mit geprägt. „Wir haben ein offenes Freizeitangebot für Jugendliche, Kurse für Erwachsene, Flüchtlingsbetreuung“, zählt Kneider auf. Über der Theke im Erdgeschoss hängt das Schild „Blue Cake“. So heißt der Treff bei den jüngeren Leuten, „weil die Architektur von oben wie ein Tortenstück aussieht“, erklärt Kneider. „Die Moitzfelder Kinder haben einen guten Draht zu uns.“

Etwas weiter unten, auf dem Gelände der ehemaligen Tankstelle, entstehen 17 luxuriöse Eigentumswohnungen; im ehemaligen Fahrradgeschäft („das rechnete sich nicht mehr“, sagt Freyaldenhoven) hat sich die Bauleitung einquartiert. Moitzfeld gilt im Baugrund-Spiegel als eines der teuersten Pflaster von Bergisch Gladbach. „Das ist kein Nobelviertel“, kontert Freyaldenhoven fast beleidigt. Dennoch ist die Dichte schicker Einfamilienhäuser unverkennbar, selbst im alten Kern beim Steiger Hof Richtung Grube Weiß, wo früher die Arbeiter wohnten. Ärzte vom nahe gelegenen Vinzenz-Pallotti-Hospital, Juristen vom Gericht leben hier traditionell.

Nostalgisches Flair neben trendigem Burgerladen

Jenseits des Platzer Höhenwegs wird eine weitere Neubausiedlung entstehen. Etwa 4000 Einwohner hat Moitzfeld; Freyaldenhoven spricht von einem „gesunden Mix“. Junge Familien streben in die gediegene Gegend und treffen auf die „alten“ Einwohner, nicht nur bei der jährlich stattfinden mehrtägigen Dorfkirmes. Nostalgisches Flair verströmt der Zigaretten- und Schreibwarenladen, wo Karin Bruns seit Jahrzehnten auch die Poststation betreut. Beim Friseur Baumgarten nebenan scheint ebenfalls die Zeit stillzustehen – zumindest optisch. Dass Haus Erdenburg einst eine Konditorei beherbergte, wissen die Neubürger sicher nicht, doch Bäcker Sascha Kohlhagen kann davon erzählen.

Bäckermeister Sascha Kohlhagen steht jeden Morgen ab 4 Uhr mit dem Vater in seiner Backstube.

Seit Ende der 70er-Jahre hält seine Familie die Tradition des Backhandwerks aufrecht. Jeden Morgen ab vier Uhr stehen Junior und Senior am Ofen. Keine Frage, Brot kauft der Moitzfelder bei Kohlhagen. Und frisches Obst und Gemüse am Stand von Jörg und Ingrid Burgwinkel, die dreimal die Woche an der Bushaltestelle stehen – seit fast 30 Jahren.

Hochwertiges Fleisch im Burger-Laden

Die neue Zeit repräsentiert Alexander Kredelbach. „Burgerfreunde“ heißt der trendige Laden, in dem der junge Moitzfelder die angesagte Klops-Kultur pflegt. Hochwertiges Fleisch kommt aus der Eifel, auch für Schnitzel, Currywurst und Steak. „Alle Soßen sind selbst gemacht“, versichert Kredelbach. Bei getoasteten Brötchen kann man zwischen Broiche, Mehrkorn und Chili wählen. „Kommt sehr gut an“, freut sich der Burger-Bräter. Auch Peter Freyaldenhoven („bin eigentlich nicht so ein Fan“) ist angetan von der Kostprobe.

Alexander Kredelbach hat voriges Jahr das Trendlokal „Burgerfreunde“ eröffnet. Er ist in Moitzfeld geboren und zurückgekommen.

Die Sonne geht langsam unter, als wir zurück zum „Tor“ des Stadtteils gehen, eine historische Seilscheibe der alten Grube Weiß, wo bis 1978 Bergbau betrieben wurde. Optisch endet Moitzfeld an der Friedrich-Ebert-Straße, obwohl auf der anderen Seite noch die Terrassenstadt ist und Ehrenfeld. „Ich glaube, das gehört auch zu Moitzfeld“, mutmaßt Freyaldenhoven vorsichtig. Jedenfalls befindet sich hier die einzige derzeit geöffnete Kneipe, der Schützenhof. Ein Manko hat der allerdings, sagt Freyaldenhoven: „Man muss mit dem Auto hinfahren.“