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Steinmetze in Bergisch GladbachDas Grab als Spiegel des Lebens

Lesezeit 4 Minuten

Bergisch Gladbach – Es gab eine Zeit, in der Steinmetze dem Tod noch viel näher waren als heute – dem eigenen. Ohrenbetäubendes Getöse setzt ein in der Werkstatt in der Bernard-Eyberg-Straße 2 in Refrath, als Steinmetz Thomas Richerzhagen den „großen Staubsauger“ anstellt. So nennt er die Absaugrohre, die links und rechts die Wände emporkriechen. Diese Röhre und die Mundschutzpflicht bewahren den Steinmetz davor, dass sich die Lunge mit Staub füllt und er krank wird.

Es war 1934, fünf Jahre bevor der Zweite Weltkrieg Millionen Tote forderte, als Richerzhagens Opa das Unternehmen „Grabmale Richerzhagen“ gründete. Der 52-Jährige ist Steinmetz und Firmenchef in dritter Generation. Mehr als 100 Grabsteine in allen Größen und Farben sind im Garten zu sehen. Auswahl ist wichtig, das Gedenken an die Toten ist auch Geschmackssache. Dass der Trend zum Foto auf dem Grabstein geht, findet Richerzhagen selbst nicht schön. „Aber wenn der Kunde das will, wird es gemacht.“

Nur wenige verbringen vermutlich mehr Zeit auf Friedhöfen als er. Auch wenn das kurz vor Allerheiligen anders wirkt: Auf dem Friedhof in Heidkamp herrscht Hochbetrieb. Rote Kerzen flackern, Seniorinnen harken Erde. Unter den Besuchern: drei Steinmetze der Firma Richerzhagen. Sie wuchten Steine und arrangieren diese rund um ein Grab, das bis vor kurzem offen lag. In der Zeit vor dem 1. November gibt es viel zu tun. Dann gilt es, Gräber schick zu machen – und Grabsteine.Steinmetz Gerrit Brausem meißelt seit gut 20 Jahren in der Refrather Werkstatt Inschriften in die Grabsteine. Es kommt vor, dass der 39-Jährige einen winzigen Fußabdruck in einen Grabstein meißeln muss. Oder den Satz, den die Eltern eines totgeborenen Kindes sich gewünscht haben: „Es wäre schön, wenn wir dich kennengelernt hätten.“ „Das sind Sachen, die einen berühren, wo auch ich mal weinen muss“, sagt Brausem, der selbst vier Kinder hat. Traurig findet er seinen Beruf ansonsten überhaupt nicht. „Ich helfe ja auch mit bei der Trauerarbeit. Das ist ein schönes Gefühl.“

Zu Steinen hat Brausem naturgemäß ein besonderes Verhältnis. „Steine sind nicht tot“, sagt er. Wobei die deutschen Steine für Brausem und Richerzhagen absolute Langweiler sind. „Wir haben keine interessanten Farben in Deutschland“, sagt Richerzhagen. Jedes Jahr reist er darum nach Österreich, Italien und Schweden. Wenn er Steinbrüche besucht, nimmt er die Bruchstücke mit, die sonst weggeworfen werden – Gneise, Granite, Serpentinen und Basalte, in Grün, Grau, Braun, Rot und Schwarz.

Längst arbeiten Steinmetze nicht mehr mit Knüpfel und Holzhammer. Der moderne Schrifthammer funktioniert ähnlich wie ein Presslufthammer mit vielen kleinen Stößen pro Sekunde. Dass er einen Fehler macht, ist Brausem seit der Lehrlingszeit nicht mehr passiert. Aber verschreiben, das kommt vor. „Wofgang“ stand monatelang auf einem Stein, bis die Tochter kam und sagte: „Mein Vater hieß doch Wolfgang.“ Nicht einmal dem Vater war das aufgefallen, der den Stein zu Lebzeiten selbst begutachtet hatte.

Spitznamen graviert Brausem öfter ein, Kosenamen weniger. „Dafür ist der Friedhof doch zu starr.“ Andere Länder, andere Sitten: In Italien regiere oft der Kitsch, in Österreich seien Sprüche auf Grabsteinen üblich. An einen Grabstein, den er auf seinen Reisen gesehen hat, kann Richerzhagen sich gut erinnern: „Da hat die Frau ihrem verstorbenen Mann noch richtig einen mitgegeben.“ Auf dem Grabstein stand sinngemäß: Er hätte noch einige Jahre mehr gelebt, wenn er nicht so oft im Gasthaus gewesen wäre.

Als Brausem gefragt wird, was sich in seinem Beruf neben der Technik noch verändert hat, muss er nicht lange überlegen: „Ich habe immer mehr mit türkischen Kunden zu tun“, sagt er. Früher seien die Toten in der Türkei beigesetzt worden. „Viele Türken wollen das heute nicht mehr. Für die ist Deutschland Heimat.“ Leider sei es ein „bisschen verschlafen worden“, schöne Orte für die Gräber zu finden, die in Richtung Mekka liegen. Auf den Friedhöfen in Gronau oder Moitzfeld lägen diese Gräber sehr am Rand. „Dabei sollte Integration doch über den Tod hinausgehen“, kritisiert Brausem die Stadt. Manchmal muss er fremde Schriftzeichen auf Grabsteine hauen. Damit diese auf einem deutschen Friedhof stehen dürfen, müssen die Kunden eine beglaubigte Übersetzung beilegen.

Ganz ungefährlich ist der Steinmetz-Beruf auch heute nicht: Gequetschte Finger oder Brüche gehören fast dazu. Die Schuhe sind mit Stahlkappen versehen, die die Zehen im Notfall sogar sauber abtrennen, wenn ein schwerer Stein auf den Fuß fällt. Dann kann der Arzt sie gut wieder annähen. Und alle zwei Jahre geht es zur Lungenkontrolle. Sicher ist sicher.