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Entsetzen, Jubel, ErklärungsversucheWie Rhein-Bergs Abgeordnete am Mittwoch im Bundestag abgestimmt haben

Lesezeit 4 Minuten
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gibt im Plenum des Bundestags im Reichstagsgebäude eine Regierungserklärung ab.

Die Abstimmung am Mittwoch im Bundestag wurde viel diskutiert und kritisiert.

Die Reaktionen auf das Abstimmungsergebnis am Mittwoch im Bundestag sind unter Rhein-Bergs Abgeordneten durchwachsen.

Mittwochabend in einer Bergisch Gladbacher Freizeiteinrichtung: Bei denen, die sich hier regelmäßig treffen, steht ein Thema ganz oben: die Abstimmung im Bundestag wenige Stunden zuvor. Nach den tödlichen Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg hat die CDU einen Entschließungsantrag zur massiven Verschärfung der deutschen Migrationspolitik durchgebracht – mit den Stimmen der AfD und gegen die von Grünen und SPD.

Das Abstimmungsergebnis spaltet die Diskutierenden in Bergisch Gladbach, auch wenn sich niemand dazu öffentlich äußern möchte. Während die einen entsetzt sind über den Jubel der AfD sich vor „Weimarer Verhältnissen“ fürchten, feiern andere den „Durchbruch in der Sache“ zu einer „echten Wende in der Migrationspolitik“. Einige der CDU nahestehende Wählerinnen und Wähler zeigen sich zudem darüber erleichtert, dass man nun „endlich das verkrampfte Theater mit der AfD überwunden“ habe.

Rhein-Bergs CDU-Abgeordneter zeigt sich enttäuscht

Dr. Hermann-Josef Tebroke, der zugleich CDU-Kreisvorsitzender ist als auch als CDU-Abgeordneter in für die CDU-Anträge gestimmt hat, zeigt sich auf Anfrage der Redaktion am Mittwoch „enttäuscht über den Verlauf der Debatte und das Ergebnis“. Allerdings anders, als mancher vielleicht glauben mochte: „Ich bin enttäuscht, dass es für den Fünf-Punkte-Plan keine Zustimmung von SPD und Grünen gab“, sagt der Bundestagsabgeordnete, der bereits voriges Jahr angekündigt hat, bei der kommenden Wahl nicht erneut kandidieren zu wollen.

Dass das Abstimmungsergebnis von Mittwoch offenbar bei einigen Wählern den Eindruck schüre, dass die CDU eine vormalige „verkrampfte Haltung“ gegen über der AfD aufgebe, beunruhigt Tebroke, wie er sagt. Eigentlich habe die Union das Thema Migration ja auch aus dem Wahlkampf heraushalten wollen, aber dann sei der Wahltermin ja wegen des Bruchs der Ampel vorgezogen worden.

Grünen Abgeordneter hat kein Verständnis für Merz

Es gehe darum zu zeigen, dass die CDU das Thema Migration auch wirklich anpacken wolle. Ob Friedrichs Merz' Aussagen über die Taten von Magdeburg und Aschaffenburg in der Zuspitzung auf Migration nicht Populismus gewesen seien? „Möglicherweise wäre eine andere Wortwahl zielführender gewesen“, sagt Tebroke. Auch in dem „Brandbrief“ der Kirchen zum Zustrombegrenzungsgesetz sei es ja vor allem darum gegangen, dass Sprache missverständlich gewesen sei. „Wir wollten das Thema nicht im Wahlkampf haben – jetzt haben wir eine aufgeladene Debatte“, so Tebroke.

Kein Verständnis insbesondere für CDU-Parteichef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat Grünen-Bundestagsabgeordneter Maik Außendorf aus Bergisch Gladbach: „Er hat als Kanzlerkandidat ganz klar sein Wort gebrochen“, so Außendorf, der zum CDU-Antrag am Mittwoch auch im Bundestag gesprochen hat. „Ich habe Friedrich Merz damals applaudiert, als er nach dem Bruch der Ampel selbst vorgeschlagen hat, auch weiterhin nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten“, erinnert sich Außendorf. „Üblicherweise spricht und verhandelt man dann vor einem Antrag mit den anderen demokratischen Parteien“, bedauert der Grünen-Politiker, dass dies nun nicht erfolgt sei.

Grüner aus Rhein-Berg fordert eine stabile CDU

„Man könnte es auch als Erpressung bezeichnen.“ Dabei, so Außendorf, sei es ihm gar nicht daran gelegen, dass bisherige CDU-Wähler nun teils zu AfD, teils zu den anderen demokratischen Parteien abwanderten. „Wir brauchen eine stabile Christlich-Demokratische Union für die Demokratie in Deutschland“, so der Grünen-Politiker. „Überall, wo die Konservativen in Europa versucht haben, die Rechte zu imitieren, haben sie sich selbst abgeschafft.“

Nicht nur dass die Zurückweisung Geflüchteter an den deutschen Grenzen „eindeutig mit europäischem Recht breche“, so Außendorf, auch wirtschaftlich seien die Abschottungs-Pläne der CDU schädlich: Schon die zeitweisen Kontrollen in der Vergangenheit hätten in der Folge das Bruttoinlandsprodukt um bis zu elf Milliarden Euro reduziert. Außendorf: „Mein Eindruck ist, dass die CDU die Tragweite ihrer Anträge von Mittwoch noch gar nicht erkennt und nicht merkt, dass sie zum Getriebenen der AfD wird.“

Christian Lindner stimmte CDU-Antrag zu

Unter dem Slogan "Für Demokratie und Vielfalt" ruft unterdessen für Samstag, 1. Februar, 11.55 Uhr der Linken-Politiker Tomás M. Santillán zu einer Mahnwache „Wir sind die Brandmauer“ in der Bergisch Gladbacher Fußgängerzone (Trotzenburgplatz) gegen die neue Politik der CDU auf.

Der FDP-Bundesvorsitzende und rheinisch-bergische Direktkandidat der Liberalen Christian Lindner hatte dem Antrag der CDU zugestimmt, weil er „in die richtige Richtung“ ziele. „Das ist mir sogar egal, ob die AfD dort mitstimmt“, hatte er bereits im Vorfeld angekündigt, schließlich gehe es um ein „politisches Signal des Deutschen Bundestags“. Und ein „Umdenken in der Migrationspolitik“ sei schließlich in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen nicht möglich gewesen, so Lindner pragmatisch.

Richtig zufrieden zeigt sich am Tag nach der Abstimmung vor allem ein rheinisch-bergischer Abgeordneter: Dr. Harald Weyel von der AfD. „Das ist eine Sternstunde der Demokratie, die inhaltlich schon viel früher nötig gewesen wäre“, so der Bensberger.