Erfahrungen von Bonn bis AfrikaSie ist die neue Leiterin des Kreisgesundheitsamts
- Seit gestern leitet Dr. Sabine Kieth das Gesundheitsamt, dessen Lagezentrum die medizinische Erfassung und Bekämpfung der Pandemie im Kreisgebiet managt.
- Bei ihrem Vorstellungsgespräch im Dezember, war die Corona-Pandemie noch kein Thema.
- Mit Guido Wagner spircht die Medizinerin über ihren Start und den zu erwartenden Herausforderungen.
Rhein-Berg – Kurzfristig kam sie mitten in der turbulenten Anfangsphase der Corona-Bekämpfung vorzeitig ins Kreisgesundheitsamt, um dessen Team zu unterstützen. Seit gestern leitet Dr. Sabine Kieth das Gesundheitsamt, dessen Lagezentrum die medizinische Erfassung und Bekämpfung der Pandemie im Kreisgebiet managt. Über ihren Start, Herausforderungen der nächsten Wochen und die Frage nach flächendeckenden Tests hat Guido Wagner mit der 53-jährigen Medizinerin gesprochen.
Seit dem 18. März arbeiten Sie im Kreisgesundheitsamt. Aufregender kann man sich den Einstieg in einen neuen Job wahrscheinlich nicht vorstellen, oder?
Klar, bei meinem Vorstellungsgespräch im Dezember war Corona noch ganz weit weg in China, drei Monate später war dann auch hier an einen „ganz sortierten“ Einstieg nicht mehr zu denken: Seit dem 18. März gab’s bei mir kein freies Wochenende, keine Feiertage mehr. Aber so etwas bietet auch Chancen.
Inwiefern?
Man lernt sehr viele Menschen in unterschiedlichsten Situationen in sehr kurzer Zeit kennen – auch wenn man kaum Zeit zum Luftholen hat.
Sie haben Ihre Doktorarbeit über das Ausbruchsmanagement einer Krankheit in Bonn geschrieben. Waren die Erfahrungen jetzt hilfreich?
Ja, das Thema war mir damals bei meiner Arbeit im Gesundheitsamt Bonn quasi vor die Füße gefallen. Ausbruchsmanagement war bis dahin als Thema in der Medizin eher stiefmütterlich behandelt worden. Und auch wenn der Ausbruch in Bonn eine ganz andere Dimension hatte, war auch damals die Verunsicherung in der Bevölkerung groß.
Was haben Sie daraus als Erfahrung mitgenommen?
Zum Beispiel die Kommunikation mit der Presse. Bei reißerischer Berichterstattung wird es sehr schwer, Hysterie in der Bevölkerung zu vermeiden. Hier ist es immens wichtig, an einem Strang zu ziehen.
Da haben wir aber ja schon teilweise unterschiedliche Aufgaben . . . Aber zurück zu Ihnen: Was hat Sie gereizt, von einer Krankenhausgesellschaft, wo sie zwischenzeitlich tätig waren, ins Kreisgesundheitsamt für Rhein-Berg zu wechseln?
Für mich ist das ein Zurückkommen in die Bevölkerungsmedizin, die ich erstmals bei einem mehrjährigen Aufenthalt in Burkina Faso kennengelernt habe und die unter Medizinern meist nicht so hoch im Kurs steht, weil man nicht immer den Kontakt zum Einzelpatienten hat.
Warum reizt es Sie trotzdem?
Das öffentliche Gesundheitswesen ist – wie man aktuell sieht – eine wichtige Aufgabe und sehr abwechslungsreich. Man hat mit sehr vielen Menschen unterschiedlichster Professionen zu tun.
Was war Ihr erster Eindruck im Kreisgesundheitsamt?
Aufbruchstimmung – das war mein erster Eindruck. Dabei bin ich ja quasi in ein Amt im Ausnahmezustand gekommen. Und ich war beeindruckt, was hier an neuen Strukturen geschaffen worden ist: das Lagezentrum, das mit großem Aufwand und Engagement mit vielen Kollegen auch aus anderen Abteilungen eingerichtet worden ist – da hat sich der Kreis auch im Vergleich mit anderen einige Lorbeeren verdient.
Wie funktioniert in so einer Ausnahmesituation die Übergabe einer Leitungsfunktion? War das ein Sprung ins kalte Wasser?
Das war ein Sprung ins Wasser, aber das Wasser war angenehm warm. Meine Vorgängerin Cornelia Scherzberg und ich haben gleich gemerkt: Wir ticken gleich und ergänzen uns gut. Wir sind dann anderthalb Wochen wie auf einem Tandem gefahren, haben alles gemeinsam gemacht und sie war am Lenker, danach haben wir gewechselt und ich habe Stück für Stück übernommen.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung der kommenden Wochen?
Dass wir bei der Entwicklung der Pandemie immer noch in eine Glaskugel gucken, zumal es durch die Lockerungen jetzt nochmal schwieriger wird, weil sich zwar viele Menschen an die Abstandsgebote und ähnliches halten, aber nicht alle. Das bereitet mir immer wieder Bauchschmerzen.
Würden denn dann nicht flächendeckende Tests weiterhelfen, um die Lage besser einschätzen zu können?
Tatsächlich liegen mittlerweile genügend Testkapazitäten vor, um mehr zu testen, und ich empfehle auch allen niedergelassenen Kollegen, bei Atemwegserkrankungen von Patienten immer großzügig zu testen.
Wie sieht es mit regelmäßigen Tests bei medizinischem und Pflegepersonal aus? Gerade dieses hat ja regelmäßig mit Risikogruppen zu tun.
Wir arbeiten derzeit an einer Strategie, Seniorenheime unterschiedlicher Struktur seriell, also mehrfach mit zeitlichem Abstand zu testen, um einen Eindruck von der Entwicklung der Infektionsrate zu erhalten.
Das heißt, regelmäßig alle Mitarbeiter und Bewohner zu testen, weil jemand, der heute einen negativen Testbefund hat, morgen schon positiv auf Corona getestet werden könnte?
Ja, jeder Test ist nur eine Momentaufnahme. Und die Tests, die wir in Wohnbereichen von Senioreneinrichtungen durchgeführt haben, in denen es keine Personen mit Symptomen gab, sind auch bislang alle negativ ausgefallen.
Zur Person
In Bonn geboren und in Bad Honnef aufgewachsen, hat Sabine Kieth in Bonn Medizin studiert. Ihre erste Stelle hatte sie in der Chirurgie des Krankenhauses im oberbergischen Waldbröl, bevor sie 1996 als Medizinerin ins afrikanische Burkina Faso ging, wo sie in einem Projekt zur Stärkung gesundheitlicher Versorgungsstrukturen arbeitete.
Zurück in Deutschland widmete sich Sabine Kieth zunächst der Erziehung ihrer beiden Kinder, stieg dann in der Inneren Medizin eines Krankenhauses in Königswinter wieder in den Beruf ein, war in einer allgemeinmedizinischen Praxis tätig, bevor sie 2011 in den Amtsärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes Köln wechselte. Ab 2012 war sie im Gesundheitsamt Bonn für Infektionsschutz und Krankenhaushygiene zuständig und schrieb eine Doktorarbeit über Ausbruchsmanagement im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu einer Pilzinfektion in Gemeinschaftseinrichtungen bei Professor Martin Exner vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uni Bonn.
Ab 2019 war Dr. Sabine Kieth in der Krankenhaushygiene der Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe tätig, die auch Träger des Bensberger
Vinzenz-Pallotti-Hospitals und des Marien-Krankenhauses ist, bevor sie nun ins rheinisch-bergische Kreisgesundheitsamt wechselte. (wg)
Ein Ergebnis übrigens, das auch in anderen Landkreisen zu sehen ist. Da sind die Ergebnisse auch ganz überwiegend negativ. Daher bin ich skeptisch, inwieweit uns flächendeckende Tests ohne Strategie wirklich weiterhelfen.
Wann hoffen Sie, wenigstens mal einen freien Tag an einem Wochenende zu haben?
Mal sehen, wenn es so weitergeht wie jetzt, vielleicht nächstes Wochenende. Aber das kann sich immer noch von Tag zu Tag ändern.