Gnadenkirche Bergisch GladbachGottesdienste im Freien aus Solidarität mit Ungeimpften
Bergisch Gladbach – Als einer der letzten Pfarrbezirke kehrt die Evangelische Gnadenkirche in der Bergisch Gladbacher Stadtmitte am Sonntag, 6. Juni, um 11 Uhr in ihrem Kirchgarten zu Präsenzgottesdiensten zurück. Über die Hintergründe, Rücksicht und die Solidarität mit Ungeimpften hat Guido Wagner mit Pfarrer Thomas Werner (63) gesprochen.
Sie feiern die Gottesdienste mit Ihrer Gemeinde unter freiem Himmel. Warum haben Sie mit der Rückkehr zu Präsenzgottesdiensten trotzdem so lange gewartet?
Zum einen ging es uns an der Gnadenkirche von Beginn an sehr um den Schutz der Gesundheit unserer Gemeindemitglieder. Jetzt aber geht es auch darum, ein Zeichen zu setzen.
Ein Zeichen wofür?
Ein Zeichen der Solidarität der Geimpften mit den noch nicht Geimpften. In der Pandemie sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene oft die Benachteiligten gewesen. Sie haben auf so vieles verzichtet – am Anfang aus Solidarität mit den durch das Virus besonders gefährdeten älteren Menschen und jetzt, weil sie voraussichtlich die letzten sein werden, die zur Normalität zurückkehren werden.
Weil sie in der Impfreihenfolge weit hinten stehen?
Genau. Auch jetzt, wo viele Geimpfte schon lautstark fordern, wieder dies oder das machen zu dürfen, in Urlaub zu fahren oder feiern zu gehen, wird viel zu wenig an die gedacht, die auch jetzt wieder das Nachsehen haben. Und noch eine andere Solidarität spielt eine Rolle.
Welche meinen Sie?
Es geht auch um eine Solidarität mit der Kultur. Gottesdienste sind Veranstaltungen unserer christlichen abendländischen Kultur. Meines Erachtens kann es nicht sein, dass Theater, Musikbühnen und andere Kultureinrichtungen geschlossen sein müssen und wir uns da auf unsere Privilegien zurückziehen.
Nein, es geht für mich auch um eine Gleichbehandlung von Kulturveranstaltungen und um Solidarität mit denen, die bis heute noch nicht wieder richtig öffnen dürfen.
Also eine bewusste Entscheidung dafür, dass weniger mehr sein kann?
Richtig, manchmal hat man den Eindruck, es geht beim Ausreizen dessen, was erlaubt ist, mehr um den Erhalt des eigenen Systems, als um eine verantwortbare Entscheidung.
Schon bei Paulus ist im 1. Korintherbrief zu lesen „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.“ Manchmal gehört viel mehr Mut dazu, Dinge zu lassen – in Verantwortung gegenüber den Mitmenschen.
Wie hat Ihre Gemeinde auf diese Haltung reagiert?
Die Entscheidungen sind ja immer in einem großen Schulterschluss im Bezirksausschuss gefasst worden. In vielen Dingen ist der Bezirk der Gnadenkirche ja sehr vorne weg, aber hier haben wir uns gemeinsam bewusst gegen schnelle Öffnungen entschieden.
Und die Gemeindemitglieder haben ganz überwiegend sehr verständnisvoll darauf reagiert. Gleichwohl freuen sich natürlich alle auf den Gottesdienst am Sonntag. Corona hat uns den Kirchgarten nach Jahrzehnten als zauberhaften Ort für Gottesdienste und Veranstaltungen entdecken lassen – und die Gospel- und Soul-Musik von Martina Gassmann und Frank Wingold, die unsere Gottesdienste – ganz ohne Orgel – seit über einem Jahr begleiten.
Hat das Wiedersehen nach so einer langen Zeit eine besondere Bedeutung?
Wir haben über 50 Hörpredigten aufgenommen und verschickt, das war ein echter Gewinn, um den Kontakt zu den Gemeindemitgliedern zu halten, aber der Mensch braucht persönliche Begegnungen. Das hat Corona auch gezeigt: Das Zusammenkommen von Gemeinde ist nicht ersetzbar. Der Mensch braucht Resonanz.
Gerade deshalb ist es in der aktuellen Situation, in der beispielsweise Geimpfte alles rauszuholen versuchen, was für sie wieder möglich ist, wichtig, an die zu denken und mit denen solidarisch zu sein, die noch nicht die Möglichkeit haben.