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Krise im KreishausCorona-Sondersitzung des Kreisausschusses

Lesezeit 5 Minuten

Die Sondersitzung des Kreisausschusses zum Thema Krise im Kreishaus.

Rhein-Berg – Fehlende Handlungsfähigkeit der Leitung des Kreises, Chaos in der Chefetage, Entmachtung des Krisenstabs durch Landrat Stephan Santelmann (CDU), keine in sich schlüssige Strategie zum Ersatz des Krisenstabs und ein Zahlenchaos bei den Inzidenzzahlen, die „meilenweit von der Realität“ entfernt waren – zu Beginn der Sondersitzung des Kreisausschusses, rief SPD-Fraktionschef Gerhard Zorn am Dienstagabend in einer größtenteils via Internet anberaumten Sondersitzung des Kreisausschusses jene Situation nur 18 Tage zuvor in Erinnerung, die die SPD nach eigenen Angaben dazu bewogen hatte, die „politische Notbremse“ zu ziehen – ein bislang einmaliger Vorgang die Sondersitzung zu beantragen, um das Problem politisch anzugehen.

„Politik muss handeln, wenn Verwaltung gelähmt ist.“ Zumal, so Zorn, der Kreis mitten in der Krise nicht glaubwürdig gewesen sei, da Fragen sowohl von der Politik als auch von den Medien und Bürgern nicht beantwortet wurden.

Landrat bis auf weiteres krankgeschrieben

Wann Landrat Stephan Santelmann (CDU) nach seiner Corona-Erkrankung zurückkehren wird, ist derzeit offen. In der Sondersitzung des Kreisausschusses wurde diese Frage nicht gestellt. Er sei weiterhin „krank(geschrieben)“ antwortete Santelmann auf Anfrage der Redaktion. Wie lange, ist offenbar noch nicht absehbar.

Am 26. April hatte Santelmann seine Corona-Erkrankung öffentlich gemacht, am 12. Mai teilte der Kreis mit er sei länger erkrankt. Seinem Allgemeinen Vertreter, Kreisdirektor Dr. Erik Werdel, gestand Santelmann zu diesem Zeitpunkt zu, ihn auch im Krisenmanagement vertreten zu dürfen und dazu den Krisenstab wieder hochzufahren. (wg)

Das Krisenmanagement hat die Kreisverwaltung zwar innerhalb einer guten Woche wieder in den Griff bekommen, nachdem der Landrat aus seiner Corona-Erkrankung heraus den Widerstand gegen ein Wiederhochfahren des Krisenstabs aufgegeben hatte. Und die vom Kreis gemeldeten Zahlen spiegeln nun wieder die tatsächliche Infektionslage in Rhein-Berg wieder, wie sämtliche Fraktionen in Unterstützungsadressen an Krisenstabsleiter Dr. Erik Werdel und seinen Krisenstab betonten.

Das „strukturelle Problem“, wie es Peter Tschorny (Die Linke) nannte, aber ist auch laut FDP-Fraktionschef Dr. Alexander Engel „offenbar nicht erst in den letzten Monaten entstanden“. Auch das Schreiben des Personalrats, über das auch diese Zeitung berichtet hatte, zeuge – so SPD-Fraktionschef Zorn– von einer „tiefersitzende Verwerfung“, die zu einem späteren Zeitpunkt in jedem Fall „noch einmal aufgegriffen und ausführlich diskutiert werden müsse“, so Zorn mit Blick auf den immer noch erkrankten Landrat, dem er eine gute Genesung wünschte. „Insgesamt ist der Kreis mit seinem Landrat in einer tiefen Vertrauenskrise.“

Stellungnahme zum Zahlenchaos

Für das schwarz-grüne Mehrheitsbündnis im Kreistag sprach zunächst kein Vertreter der CDU, sondern Ursula Ehren vom Koalitionspartner der Grünen. Im Hinblick auf das Zahlenchaos bei den Inzidenz-Werten seien „sicher Fehler gemacht worden“, es scheine aber, dass dies nun „im Griff und behoben sei“. Fehler könnten passieren, wichtig sei nur dass man sie lückenlos aufarbeite und die „gleichen Fehler in einer nächsten Welle bei der nächsten Pandemie nicht noch einmal“ mache.

Zu den offenkundig seit längerem bestehenden Verwerfungen zwischen Landrat und Kreisverwaltung, äußerte sich Ehren nicht, CDU-Fraktionschef Johannes Dünner bezog während der gesamten Sitzung zum Thema keine Stellung. CDU-Fraktionsvize Uwe Pakendorf dankte unterdessen den Mitarbeitenden im Krisenstab, die nach dessen Wiederhochfahren das Krisenmanagement rasch wieder im Griff gehabt hätten, und Krisenstabsleiter Dr. Erik Werdel für die Aufklärung. Indes folgerte auch er: „Wo Verwaltung gut läuft, braucht sich Politik nicht kümmern.“

Tiefe Risse in der Kreisverwaltung

Die Oppositionsparteien ließen unterdessen keinen Zweifel daran, dass sie es mit den offenbar seit längerem bestehenden Verwerfungen im Kreishaus nicht auf sich bewenden lassen wollten – nur nicht in Abwesenheit des Landrats darüber diskutieren wollten.

Nach Informationen dieser Zeitung haben sich zwischenzeitlich auch leitende Mitarbeiter des Kreishauses in einem Schreiben zur Arbeitsweise von Stephan Santelmann geäußert und sich hinter die Stellungnahme des Personalrats gestellt, der Santelmanns Arbeitsweise wie berichtet maßgeblich für die tiefen Risse innerhalb der Kreisverwaltung verantwortlich gemacht hatte.

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Der von der SPD im Antrag der Sondersitzung geäußerte Verdacht, Landrat Santelmann habe sich rechtswidrig verhalten, indem er seinem Allgemeinen Vertreter, Kreisdirektor Werdel, das Mandat für das Krisenmanagement zunächst explizit verweigert hatte, ließ sich nicht erhärten. Wie Kreisdirektor Werdel anhand einer juristischen Kommentierung zur Kreisordnung erläuterte, sei es durchaus möglich, dass der Landrat die Vertretungsmacht einschränke und einzelne Bereiche wie in diesem Fall das Krisenmanagement ausklammere. Zugleich machte Werdel anhand der einschlägigen Rechtsvorschriften auch deutlich, dass er – wenn er gegen derartige Einschränkungen des Landrats verstoßen hätte – intern sowohl disziplinarische als auch strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten gehabt hätte.

Einmütig stellten sich die Fraktionen schließlich hinter den wiederhochgefahrenen Krisenstab und versicherten, dass dieser zur Pandemiebekämpfung nun auch weiterhin vollumfängliche Handlungsfreiheit haben solle. Erleichtert zeigten sich die Politiker auch über die transparenten Erläuterungen von Dezernent Markus Fischer, welche Probleme es bei der Bekämpfung der Pandemie in der Phase der Entmachtung des Krisenstabs gegeben und wie man diese schließlich wieder in den Griff bekommen habe. Wie bereits nach der Pressekonferenz des wiederhochgefahrenen Krisenstabs sowie aus dem Kreis-Gesundheitsausschuss berichtet, hatten neben technischen auch personelle Probleme eine Rolle gespielt.

Am Ende blieb unterdessen eine Frage offen, oder besser: Sie wurde von keinem der Politikerinnen und Politiker gestellt: Was passiert, wenn Landrat Stephan Santelmann ins Kreishaus zurückkehrt?