Robert Lennerts, Bürgermeister von Odenthal, hat keine Angst vor Tabus. Wir haben ihn zum großen Interview getroffen.
Interview mit dem Bürgermeister„Vielleicht sind wir als Odenthal zu klein“
Bürgermeister in Odenthal zu sein, das ist ….?
...nach wie vor ein Traumjob, der einen aber auch mitunter schlecht schlafen lässt.
Was ist derzeit das größte Problem für Odenthal?
Es ist die Ungewissheit, nicht zu wissen, was auf die Gemeinde 2023 nach mehreren Jahren im Krisenmodus zukommt. Haben wir die richtigen Weichen gestellt? Gerade auch in humanitärer Sicht, etwa bei der Aufnahme geflüchteter Menschen. Oder müssen wir am Ende vielleicht doch wieder Turnhallen belegen? Kommen wir finanziell aus?
Was hat Sie 2022 als Bürgermeister am stärksten berührt?
Was wir hier in Odenthal alles gemeinsam mit der Bürgerschaft auf die Beine gestellt haben, um Hilfe für die Ukraine zu organisieren. Auch die beeindruckende Friedenskundgebung im März.
Was war für Sie das größte Ärgernis?
Dass ich von keinem einzigen Kommunalpolitiker auf das Ergebnis des Gutachtens zur Dhünner Wiese eine Reaktion erhalten habe. (Mit dem Gutachten hatten die Gegner der Bebauung der Ponywiese prüfen lassen, ob der Grundstücksverkauf von der Verwaltung vorschriftsmäßig abgewickelt worden war. Die Gutachter hatten nichts zu beanstanden, d. Red.).
Odenthal: Toilettenanlage an den Lapidarien kommt
Das Geld ist knapp. Stagniert die Entwicklung in Odenthal?
Wenn wir die vergangenen Jahre betrachten, dann haben wir viel nach vorne gebracht. Es war eine enorme Leistung, den aktuellen Haushalt zu verabschieden, ohne Steuererhöhung und ohne Haushaltssicherungskonzept. Und wir investieren ja weiter: Die Sanierung von Dhünntalstadion mit Jugendzentrum steht an, der soziale Wohnungsbau scheint wieder möglich. Und ich bin froh, dass eine Lösung für einen Treffpunkt in Voiswinkel gefunden wurde, wenn auch abgeändert. Auch beim Thema Bildung können wir uns sehen lassen. Viele Flutschäden mussten beseitigt werden. In kürzester Zeit ist es gelungen, zwei Millionen für Flüchtlingsunterkünfte aufzubringen. Auch in Altenberg bewegt sich etwas: Der Prinzenblick ist eingeweiht, wir kommen mit den Lapidarien weiter .... wir sind dabei, endlich dort eine Toilettenanlage zu errichten.
Kommt die wirklich?
Ja, dieses Jahr noch.
Die Politik wollte keine nennenswerten Ausweisungen von Gewerbeflächen. Wie schädlich ist das?
Uns zeichnet aus, dass Menschen hier gerne wohnen. Dennoch dürfen wir nicht vernachlässigen, dass wir ansässige Gewerbetreibende haben, die händeringend Flächen suchen. Denen können wir nichts anbieten. Einige sind schon abgewandert. Damit schlagen wir eine Tür zu.
Mit welchen Folgen?
Wir vergeben Chancen, auch für die Zukunft. Wir wehren uns gegen Einnahmen, indem wir so restriktiv vorgehen. Wir haben einen enormen Investitionsstau, etwa bei den Straßen. Wenn wir keinen moderaten Zuzug wollen, werden wir perspektivisch einen Rückgang der Einkommenssteuer haben. Wenn wir die Bürger und Bürgerinnen steuerlich nicht stärker belasten wollen, gleichzeitig aber auch kein Gewerbe haben, wo soll dann das Geld herkommen? Das kann nicht funktionieren.
Gemeinde Odenthal und Bürger sollen sich an Windkraft beteiligen
Erneuerbare Energien sind auch hier ein Thema. Steht in zehn Jahren auf dem Klauberg ein Windrad?
Ich glaube, die Chancen stehen 80 zu 20, weil es eine politische Mehrheit dafür gibt. Ich möchte erreichen, dass Gemeinde und Bürgerschaft auch finanziell an dem Projekt partizipieren.
Das Verhältnis von Kreis und Kommunen scheint gestört.
Es war schon sehr enttäuschend, wie der Rheinisch-Bergische Kreis mit uns, den Kommunen, umgegangen ist. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden. Wir ringen hier um jede einzelne Personalstelle, sparen auch durch die geplante Umstrukturierung unserer Verwaltung und dann kommen beim Kreis mal eben 80 zusätzliche Stellen durch die Hintertür. Da stehen große Beträge im Raum und über die Kreisumlage sind wir an den Kosten immer mit rund fünf Prozent beteiligt.
Stehen kleine Kommunen mit dem Rücken zur Wand?
Wir haben ein strukturelles Defizit, wir spüren den Fachkräftemangel und haben Probleme, mit großen Verwaltungen zu konkurrieren. Wir sollten ohne Tabus darüber nachdenken, ob die Struktur hier im Kreis mit acht eigenständigen Kommunen so bleiben kann, angesichts der finanziellen Lage.
Was wäre die Alternative?
Wir müssen überlegen, ob wir Dinge stärker zusammenführen können. Denkbar ist vieles. Von kommunalen Kooperationen bis zur Frage, ob es langfristig Sinn machen könnte, eine Gebietsreform anzustoßen.
Werden Sie dann nicht zum Totengräber eines eigenständigen Odenthals?
Das würde es vielleicht bedeuten, aber es geht darum, zu überlegen, was das Beste für Odenthal ist. Bei dem strukturellen Defizit, das wir haben, weiß ich nicht, ob alles in Zukunft noch eigenständig zu finanzieren ist. Der Bürgermeister hat die Aufgabe, perspektivisch zu denken. Vielleicht sind wir zu klein. Ob deswegen gleich eine Zusammenlegung von beispielsweise Burscheid, Odenthal und Kürten zu einer Stadt kommen muss, soweit will ich gar nicht gehen. Aber alle klagen. Und da fühle ich mich schon in der Pflicht, darüber nachzudenken, welche Wege aus dem Dilemma führen und Lösungswege sein könnten.