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Dem Hirsch droht das „Ghetto“Jäger warnen vor Gewerbegebiet an der Sülz

Lesezeit 3 Minuten

Die Jäger sehen den Lebensraum der Hirsche bedroht

Overath – Der Rothirsch hat es schwer hierzulande, denn er steht, so die Deutsche Wildtier-Stiftung, „seit Jahrhunderten zwischen den Fronten von Jägern, Landwirten und Förstern“. Sowie kommunalen Gewerbegebietsplanern, denn die Stadt Overath verfolgt nach wie vor ihre Pläne für ein Gewerbegebiet am Sülzufer bei Unterauel.

Ein solches Gebiet, mahnen Kritiker immer eindringlicher, würde dem Rotwild aus Wahner Heide und Königsforst den einzigen Ausweg aus seinem durch Autobahnen und Siedlungen begrenzten „Ghetto“ nehmen. Die Wanderung der Hirsche zu weit entfernten Brunftplätzen und damit der genetische Austausch würde unmöglich, Inzest und seine Folgen zunehmen – und der teure Naturschutz in Gestalt der beiden Wildbrücken über die A 3 und die L 284, die die Wahner Heide und den Königsforst verbinden, wäre zumindest teilweise für die Katz.

Jäger setzen sich für Wild ein

Beim „3. Overather Jagdforum“ am Montagabend in Eulenthal zeigten sich die rund hundert Besucher einig. Die Pläne der Stadt seien kurzsichtig, widersinnig und für den Naturschutz gefährlich. Dass sich ausgerechnet die Overather Jäger an die Spitze eines Protestes setzen, der in der Stadt ansonsten vergleichsweise verhalten daherkommt, mag überraschen.

Hegering-Vorsitzender Andreas Heider, Amtsvorgänger des heutigen Bürgermeisters Jörg Weigt, begründete das Engagement der Waidmänner: Der Hirsch habe ein „schlechtes Image“, das er aber nicht verdiene. Heider: „Wer soll für ihn Partei ergreifen, wenn nicht wir Jäger?“ Mit dem Jagdrecht sei schließlich auch die Pflicht zur Hege verbunden.

Der PR-Obmann der Jäger, Ralf Huckriede, interviewte in der zweistündigen Veranstaltung vier Fachleute, und die verrieten eine Fülle von Fakten. Insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg werden Rothirsche rigide bejagt, weil sie eben nicht nur Gras fressen.

Wildbrücken in Rösrath konnten sich bereits bewähren

Andererseits hat das aber auch eine positive Funktion: „Indem Rotwild die Triebe junger Bäume immer wieder verbeißt, entstehen mitunter kleine Biotope, die die Artenvielfalt im Wald erhöhen können“, so die Hamburger Wildtier-Stiftung.

Über die Bedeutung der beiden Grünbrücken über die Autobahn 3 und die Landstraße 284 sprach am Montagabend vor hundert Zuhörern der Biologe Dr. Michael Petrak (stehend).

In Eulenthal brachte Dr. Michael Petrak, der Leiter der Forschungsstelle für Wildtierkunde und Wildschadensverhütung in Bonn, Zahlen zu den Rösrather Wildbrücken ins Spiel: Die 80 Meter breiten und acht Millionen Euro teuren Bauwerke hätten sich seit ihrer Fertigstellung im Herbst 2013 bestens bewährt. Der erste männliche Hirsch habe sich am 3. Januar 2014 auf den Weg gemacht, ihm folgten Tausende Wildtiere sowie einige Katzen, Hunde und Menschen – alles dokumentiert auf 46.000 Fotos und 23.000 Videos allein zwischen 2014 und 2016 .

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Jörg Pape, früher Leiter des Bundesforstamtes Wahner Heide, nannte ebenfalls aktuelle Zahlen. Während im Königsforst nur 60 bis 65 Stück Rotwild lebten, gebe es in der Heide einen Bestand von 250 bis 300 Tieren. Entsprechend hoch ist dort auch die Abschussquote: Rund 120 Stück pro Jahr. Die Verhältnisse in den beiden Gebieten seien insoweit völlig unterschiedlich, erfreulich sei aber, dass der Austausch funktioniere, und zwar meist in Richtung Königsforst.

Gewerbegebiet auch bedenklich für Hochwasserschutz

Förster Jürgen Greißner, der sich schon bei der Verhinderung der Mountainbikerpark-Pläne der Stadt Overath vor einem Jahr stark engagiert hatte, wies im Zusammenhang mit dem Gewerbegebiet nicht nur auf die Auswirkungen auf das Wild hin, sondern auch auf den Hochwasserschutz. In den 17 Jahren, in denen er im Königsforst tätig sei, habe das Wasser der Sülz schon dreimal bis zur Landstraße gestanden.

„Es kann doch nicht sein, dass da jetzt ein Damm gebaut wird und in der Folge die Hoffnungsthaler absaufen.“ Frühere Baupläne der Stadt Rösrath hätten verhindert werden können. Der Stadt Overath fehle jetzt nur noch ein Grundstück. Das Gewerbegebiet zu verhindern werde nicht einfach sein.