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Besucher-AnsturmOverather Weihnachtsmarkt nach Facebook-Werbung völlig überlaufen

Lesezeit 4 Minuten

Alle Zufahrtsstraßen waren zeitweise von den anreisenden Gästen blockiert.

Overath – Kein Laden, keine Kirche, kein Theater – normalerweise hat der 75-Seelen-Ort Kreutzhäuschen nicht allzu viele Anziehungspunkte für Auswärtige. Doch am ersten Adventswochenende strömen Tausende Besucher aus dem ganzen Land in den Overather Höhenort – und nehmen teils eine Stunde Wartezeit auf den Einfallstraßen in Kauf.

Marlies Mager ist mit ihrer Familie aus Essen gekommen, hat übers Internet von dem „Bergischen Weihnachtsmarkt im Wald“ erfahren. „Das sieht auf den Bildern so idyllisch aus“, sagt sie. Eine gute Stunde ist sie dafür angereist. Jetzt ist die Vorfreude groß. Der Andrang auch. Schon mehr als einen Kilometer vor Kreutzhäuschen geht nichts mehr. Stoßstange an Stoßstange stehen Autos aus Unna, Mönchengladbach, Aachen, Paderborn, Münster und natürlich Köln. Über soziale Netzwerke hat der Veranstalter Werbung gemacht, allein bei Facebook mehr als 10.000 Teilnahme- und 140.000 „Interessiert“-Meldungen bekommen. Familie Mager nimmt’s entspannt. Die Kinder auf der Rückbank sind in Malbücher vertieft. So lässt es sich aushalten.

Aus ein paar Buden ist eine Großveranstaltung geworden. Betreiber, Stadt und Polizei wollen die Situation an den kommenden Wochenenden entspannen.

Die Autoschlange auf der schmalen Straße Richtung Heiligenhaus ist nicht die einzige – auf allen vier Zufahrtsstraßen nach Kreutzhäuschen stauen sich Autos über Kilometer. Meinolf Mütherich ist mit mehr als zwei Dutzend Mitarbeitern im Einsatz, um die Besucherströme zu lenken, Autos auf Parkplätze einzuweisen, Fragen zu beantworten und den Weg in den Weihnachtswald zu weisen.

Wald-Konzept mit ungeahnter Anziehungskraft

„Das Bergische wird bekannt“, sagt der Sauerländer trocken. Sein Konzept mit dem Weihnachtsmarkt im Wald, der einst aus ein paar Buden für die Weihnachtsbaumeinkäufer entstand, hat ungeahnte Anziehungskraft entwickelt. Während ein Paar aus Krefeld noch überlegt, ob die Lackschuhe die passende Fußbekleidungswahl für einen Markt im Wald waren, haben Julia, Melanie und Nina aus Köln bereits ihre drei selbst gefällten Weihnachtsbäume geschultert. Es sei „etwas ganz Anderes“, seinen Baum in der Schonung selbst auszusuchen und abzusägen, als ihn irgendwo in Köln am Straßenrand zu kaufen, sind sich die drei einig. Die Naturromantik lockt, dem Matsch auf durchweichten Parkplatzwiesen zum Trotz.

„Wir haben sechs Wochen Regen gehabt“, sagt Meinolf Mütherich. Sein Team hat starke Maschinen, um festgefahrene Autos aus den Wiesen zu ziehen. Ungeduldige Zeitgenossen machen ihrem Unmut im Internet Luft, beschweren sich über die Organisation. Achim Geißler staunt. Er ist Anwohner in Kreutzhäuschen, hat selbst gerade mit dem Auto eine Viertelstunde für 100 Meter bis zu seinem Haus gebraucht. So einen Andrang hat der Mann, den manche nur den „Bürgermeister von Kreutzhäuschen“ nennen, noch nicht erlebt. Aber auf Mütherich und sein Team lässt er nichts kommen: „Der hat alles getan, was er machen konnte“, sagt Geißler. „Aber wenn dann Autofahrer an der Einfahrt zum Parkplatz über zwei Euro, die sie zahlen sollen, das Verhandeln anfangen, dann staut sich das halt.“ Die Organisatoren reagieren, beschleunigen die Zufahrt, indem sie auf Weihnachtsmarkteintritt umstellen. Der wird erst am Eingang zum Markt erhoben und beim Kauf eines Christbaums zurückerstattet.

Ein komplettes Weihnachtshüttendorf mit Streichelgehege und Strohballen-Zelt zum Toben für die Kinder haben Mütherich und sein Team diesmal zusätzlich zu dem seit 15 Jahren bestehenden, mit Hütten gesäumten Waldweg errichtet. Desirée Schauerte ist mit ihrer Familie aus Odenthal gekommen. Schon zum zweiten Mal. Vergangenes Jahr habe sie davon aus der Zeitung erfahren, sagt sie, während ihre Kinder Luna und Dion mit einigem Respekt den Nikolaus begrüßen, der über den Platz des Weihnachtsmarktdorfes schreitet.

Verkehrs-Chaos

Ein Einschreiten hätte sich Anwohner Geißler am Ende des ersten Wochenendes allein von offiziellen Ordnungshütern gewünscht. „Wenn Leute direkt vor einem der extra aufgestellten Parkverbotsschilder parken und einem dann auch noch drohen, wenn man sie darauf anspricht, dann kann man einfach nichts mehr machen.“

Polizeisprecher Richard Barz bestätigt auf Anfrage erhebliche Behinderungen am Wochenende in Kreutzhäuschen. Zusammen mit dem Overather Ordnungsamt, das für den ruhenden Verkehr zuständig sei, werde man sich bis zum nächsten Wochenende um eine Lösung bemühen.

Facebook-Werbung war das Problem

„Das Problem war wohl wirklich die Werbung über Facebook“, sagt Ordnungsamtsleiter Hans Herbert Müller. „In der Vergangenheit hatten wir da ja nie Probleme.“ In einem gemeinsamen Gespräch mit Veranstalter, Straßenverkehrsamt und Polizei sei am Montag überlegt worden, wie man das Problem an den kommenden Wochenenden in den Griff bekommen könne. Der Einsatz eines professionellen Verkehrssicherungsdienstes, Hinweise über die sozialen Netzwerke, Umleitungshinweise bereits in Overath, Heiligenhaus und Steinenbrück sowie gegebenenfalls auch die zeitweise Sperrung von Zufahrtsstraßen seien Maßnahmen, die bis Mittwoch auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden sollten. Schließlich öffnet der Markt auch am zweiten und dritten Advent.

Auch Meinolf Mütherich möchte die Situation verbessern. „Wir denken über einen Shuttle-Bus zu den Parkplätzen am Schulzentrum Cyriax in Overath nach“, sagt er am Montag. „Eigentlich ist es doch schön, dass die Menschen so naturverbunden sind.“ Nur die Folgen sind auch für Ordnungsamtsleiter Müller neu: „Es ist ein Novum, dass Werbung für eine Veranstaltung so erfolgreich war, dass man zurückrudern muss.“