Nationalsozialismus in OverathBilder aus einer Zeit des Grauens

Lesezeit 3 Minuten

Alljährlich im Mai wurde die Bevölkerung von Overath zu Aufmarsch und Kundgebung gerufen. Die örtliche Kreisleitung schwang ihre Reden unter dem Hakenkreuz.

Overath – Ausstellungen gibt es viele. In ihnen steckt eine Menge Arbeit, viel Herzblut und meist auch eine Aussage. Aber was am Montag in Overath eröffnet wird, ist mehr als eine Ausstellung. Es ist eine rückhaltlose und – im positiven Sinne – auch rücksichtslose Aufarbeitung der schlimmsten Jahre, die die Stadt an der Agger je erlebt hat. Der Untereschbacher Heimatforscher und Buchautor Willi Fritzen präsentiert seine Exponate zum Thema „Overath unterm Hakenkreuz“. Fast 70 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft werden Bilder, Dokumente und Gegenstände zu sehen sein, die über die private Sammlung eines Archivars weit hinausgehen. Denn Fritzen erzählt auch die Geschichte zum Bild – so traurig und bewegend sie auch ist.

„Um die historische Aufarbeitung der Nazi-Zeit in Overath hat sich bisher keiner so richtig gekümmert“, sagt der pensionierte Bäckermeister. Als die Idee in ihm reifte, stieß Fritzen (78) nicht nur auf Zustimmung. Während die Stadtväter und viele noch lebende Zeitzeugen ihn vorbehaltlos unterstützten, handelte er sich auch ein Schreiben eines örtlichen Unternehmers ein, der ihn recht deutlich dazu aufforderte, nur ja keine geschäftsschädigenden Äußerungen über die betreffende Firma zu machen. Weil sie nämlich seinerzeit Zwangsarbeiter beschäftigt hat.

Fritzen hat dies nicht weiter beeindruckt. Er fragte beim Staatsschutz an und ließ sich grünes Licht für seine Ausstellung geben. Die Präsentation der Bilder ist erlaubt, weil es sich um einen historischen Vorgang handelt. So hat Fritzen aus seinem Fundus, der insgesamt 190000 Fotos umfasst, 15 nach Themen geordnete Stellwände zusammengefügt. Er schildert darauf sehr anschaulich, wie sich Hitlers Schergen in Overath aus kleinsten Anfängen heraus organisierten und im Laufe dieser unseligen Jahre zur alles bestimmenden Macht im Ort wurden – auch wenn Overath nicht unbedingt eine Hochburg der Nazis war. Da war zum Beispiel der erste NSDAP-Kreisleiter Walter Aldinger. Eigentlich arbeitete er als Motorenschmierer bei Zanders in Bergisch Gladbach. Aber er verfügte auch über die nötige Rücksichtslosigkeit, die damals im Umgang mit Menschen gefragt war. Das befähigte ihn zu einer erstaunlichen Karriere. Oder der erste Nazi-Bürgermeister von Overath, Hermann Hover. Zu dessen behördlicher Grundausstattung gehörte ein Hartgummiknüppel, den er ausgesprochen gern einsetzte.

Aber es gab auch Menschen wie den Jugendleiter der katholischen Kirche, der Heranwachsende davor bewahren wollte, von den Jugendorganisationen der Nationalsozialisten vereinnahmt zu werden. Als es den Nazis zu bunt wurden, fuhren sie ihn bei einem fingierten Autounfall zu Tode. Belang wurden sie nie.

Fritzen verfolgt das Schicksal von vier jüdischen Familien, die über Monate hinweg von Overather Privatleuten versteckt wurden, so dass sie die Verfolgung und den Holocaust überleben konnten. „Meine Motivation für die Ausstellung war: Der gequälte Mensch“, erzählt Fritzen. Sagt’s und zeigt das Bild eines 15-jährigen Flakhelfers, dem die Schrecken des Krieges ins Gesicht geschrieben stehen.

Bilder der jährliche Mai-Aufmärsche in Overath, Schnappschüsse von Schulentlassfeiern mit uniformierten Lehrern, karge Lebensmittelkarten „nur für Juden“: Die Exponate zeigen, wie zynisch, aber auch wie selbstverständlich für die damalige Zeit die menschenverachtende Ideologie der Nazis war.

In den Rechenbüchern der Schulkinder wurden keine Äpfel und Bälle addiert und substrahiert, sondern Kanonen und Kriegsschiffe. Und genau diese kleinen Kinder waren von den Anhängern des „Führers“ auch gern gesehene Schaulustige, als in Rott oberhalb von Vilkerath an einem Tag mehrere Menschen wegen angeblich subversiver Tätigkeit öffentlich gehängt wurden.

Zur Ausstellungseröffnung am Montag, 24. März, werden einige Zeitzeugen erwartet. Einer von ihnen wird einen Brief an seine Mutter wiedersehen, den er damals in den letzten Tagen des Krieges geschrieben hat. Darin beklagt er in bewegenden Worten, wie ihm von Hitler und seinem Gefolge die gesamte Jugend geraubt wurde. Die Ausstellung ist bis zum 6. April im Kulturbahnhof zu sehen.

Nachtmodus
KStA abonnieren