Weniger Steuern, mehr GewerbeflächenInterview mit Overaths Bürgermeister Jörg Weigt
- 2019 lief nicht immer alles rund in der Overather Politik.
- Verfallene Schulgebäude, teure Investitionen und undurchsichtige Personalentscheidungen.
- Wir sprachen mit Bürgermeister Jörg Weigt über die Probleme des vergangenen Jahres und seine Pläne für 2020.
Overath – Jörg Weigt (SPD) ist Bürgermeister von Overath. Mit ihm sprachen Stephan Brockmeier und Thomas Rausch.
Die Stadt Overath steht bei den Schulen im Wort: Schadstoffe müssen beseitigt, Heizungen und Fassaden erneuert, Fenster gängig gemacht, digitale Bildungsinfrastruktur geschaffen werden. Wer soll das bezahlen?
Wir müssen das nacheinander im Rahmen unserer Möglichkeiten abarbeiten, und das wird mehrere Jahre dauern. Im Moment ist der entsprechende Prozess finanziert, aber sollten Probleme auftauchen, müssen wir einen Nachtragshaushalt beschließen. Wir haben unsere Nachhaltigkeitssatzung dahingehend geändert, dass wir wieder Kredite im Rahmen der Tilgung aufnehmen können. Ich will keine Steuererhöhung, und es bleibt mein Ziel, die 850 Punkte bei der Grundsteuer B wieder zu senken. Ich muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Steuersätze im Umland auch steigen. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass sich die Förderpolitik des Landes ändern wird. Die Schulen sind überall in einem desolaten, sanierungsbedürftigem Zustand.
Waren die großen Investitionen unter Ihrer Ägide – zwei Feuerwehrbauten, drei Kitas, ein Multifunktionsgebäude – ein Fehler? Hätte die Stadt besser in die Substanzerhaltung investiert?
Nein. In keinem Gesetz steht, dass Schulgebäude nicht Mängel haben dürfen, aber es steht im Gesetz, dass ich einen Kindergartenplatz zur Verfügung stellen muss. Und auch die offenen Ganztagsschulen platzen aus allen Nähten. Der Druck ist sehr hoch. Wenn Eltern arbeiten müssen, dann müssen sie sich darauf verlassen können, dass die Kinder adäquat betreut werden.
Bei der Stadtentwicklungsgesellschaft läuft nicht alles rund. Jetzt ist bekannt geworden, dass ein CDU Ratsherr und Aufsichtsratsmitglied Einblick in das Bewerber-und Bieterverfahren hatte, indem die eigene Firma selbst als Bieter vertreten war. Ist der Fall mit der Erklärung von Rainer Habers, sich mit seiner Firma idh nicht mehr an städtischen Ausschreibungen zu beteiligen, erledigt?
Ich warte das Protokoll der Aufsichtsratssitzung ab. Wir haben dort sehr intensiv diskutiert. Ich habe bereits das Mandat, rechtliche Schritte zu prüfen.
Die Kommunalaufsicht oder die Staatsanwaltschaft haben sich noch nicht bei Ihnen gemeldet?
Ich habe die Kommunalaufsicht noch nicht angeschrieben, weil ich das Protokoll noch abwarte. Das möchte ich als Bestandteil in meine Anfrage einbinden. Der Sachverhalt ist sehr ärgerlich, aber ich sehe keine Gefahr im Verzug und keine Eilbedürftigkeit.
Ein privater Investor hat der Sego das Scharrenbroich-Grundstück hinter dem Bahnhof weggeschnappt. Hätte die Stadt mehr bieten müssen?
Wir hätten das Grundstück gerne gehabt und haben innerhalb des Stadtrates und erst recht innerhalb der Sego darüber gesprochen. Wir waren uns parteiübergreifend einig, dass es ein wichtiges Grundstück in Overath ist, das für die Städteplanung von großem Wert wäre. Wir haben uns innerhalb des Aufsichtsrates auf einen Höchstbetrag verständigt. Leider wurde dieser Betrag überboten! Im Insolvenzverfahren bekommt derjenige den Zuschlag, der mehr bietet.
Entsteht der Stadt überhaupt ein Schaden? Investor Wolfgang Michels will nach eigenen Worten ökologisch und sozial bauen.
Ja, er will höherpreisigen und preiswerten Wohnraum mischen. Grundsätzlich finde ich diese Idee gut, aber das Planungsrecht hat die Stadt und wir haben eine klare Vorstellung. Eine mögliche Kooperation wird die Interessen der Stadt widerspiegeln.
Im Sülztal hat die Stadt erst ganz leise ein Gewerbegebiet bei Unterauel projektiert und ist dann heftig unter Beschuss geraten, unter anderem von Seiten der Jäger, die um die Wanderwege der Hirsche fürchten. Wie geht es weiter?
Wir wollten im Bereich der Landstraße das Gewerbegebiet ausweiten. Weiteren Grundstückskauf gab es im Bereich der Sülz, weil wir den Fluss in Zusammenarbeit mit dem Aggerverband renaturieren wollen. Industrie wollen wir dort nicht ansiedeln. Das Rotwild-Gutachten wird im Februar im Umweltausschuss vorgestellt. Ich weiß noch nicht, wohin die Reise geht, aber in jedem Fall müssen wir örtlichen Gewerbetreibenden die Möglichkeit bieten, sich auszudehnen. Aufschüttungen sind an der Sülz aber nicht geplant.
Eine Frage noch: Was haben Sie sich für die kommenden zwölf Monate vorgenommen?
Wieso zwölf? Es sind doch nur noch neun bis zur Wahl.
Ja, eben…
Wieso sollte ich mich jetzt äußern? Ich bin schmerzfrei. Ich bin aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen, doch es gibt zahllose Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, unspektakulär mithelfen. Andererseits haben wir in der Politik viele Aufgaben. Den Haushalt für 2020 haben wir einstimmig verabschiedet und die Zusammenarbeit mit den politischen Parteien funktioniert. Das freut mich und macht mir Spaß. Wir haben gemeinsame Ziele formuliert. Von daher schaue ich entspannt ins neue Jahr und auf die Gemeinsamkeiten, die sich entwickeln. Zudem ist Politik auch nur die eine Frage. Die andere ist doch: Wie gestalte ich mein Leben?