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Singen, bis die Eier kommen15 Sänger fahren mit dem Planwagen durch Heiligenhaus zum Pingseiersingen

Lesezeit 4 Minuten
Pingseiersingen macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

Pingseiersingen in Heiligenhausen hat Tradition – und macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

Der Eiersong hat einen besonderen Bezug zum „Heischebrauch“ im Bergischen Land: Zum Pfingstgruß gehören jede Menge Eier für die Bewohner.

Was ist eigentlich los in der Straße Buchenhain in Overath-Heiligenhaus am Samstagnachmittag? Bei Hemkers werden Stühle rausgestellt, auch Bier, Wasser und Knabberzeug. Langsam trudeln nicht nur die Nachbarn ein, sondern auch der Planwagen mit den „Pingsjonge“.

Tatsächlich: „et kumme de Pingsjonge vom Männergesangverein zum Pingseiersingen mit Frohsinn, Kutsch un Gesang“ raunt es nicht nur durch die Nachbarschaft – das steht auch genauso auf der Einladung zum traditionellen Pfingstbrauch. 15 Sänger vom MGV Heiligenhaus krabbeln runter vom Planwagen, der von den beiden westfälischen Kaltblütern Nico und Max durch Heiligenhaus und Umgebung gezogen wird. Auf dem Kutschbock sitzt geduldig Günter Löffelsender vom Pferdehof in Marialinden.

Bevor es losgeht mit dem ersten Lied, bekommen die Sänger noch ein Fläschchen Bier in die Hand gedrückt. Schnaps ist tabu. „Die trinken erfahrungsgemäß eher Bier“, weiß Gastgeber Josef Hemker und hat seine Familie auf die entsprechende Verköstigung eingestellt.

Heiser vom Pfingstsingen

„Seit 30 Jahren veranstalten unsere Sänger das Pingssingen, seit 15 Jahren sind wir mit der Kutsche unterwegs“, berichtet MGV-Vorstandsmitglied Erich Perder und feixt: „Und alle passen drauf auf den Planwagen – wir sind alle ganz schmal.“ Und nur ganz wenige seien nach der Tour mit den Haltepunkten in Großschwamborn vor Haus Perder, in Linde gegenüber Haus Baumann und am Dorfbrunnen/Kapelle Heiligenhaus ein wenig „angetüddert“, aber eventuell doch ein wenig heiser vom vielen Singen.

Pingseiersingen in Heiligenhausen macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

Pingseiersingen in Heiligenhausen hat Tradition – und macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

„Dat schwatze Hohn hät jor jelaat“ singen die Sängerbarden auf der Straße, Chorleiter Jürgen Wunderlich hat die Männer gut eingestimmt, sie singen sogar mehrstimmig, schließlich war der MGV schon zwölf Mal Meisterchor im Chorverband NRW.

Overather bekommen jede Menge Eier

Der Eiersong hat indes einen ganz besonderen Bezug zum „Heischebrauch“ im Bergischen Land: Am Pfingstsamstag ziehen da die jungen Männer von Haus zu Haus, um den Bewohnern mit einem „Heischelied“ den Pfingstgruß zu entbieten – dafür werden sie nicht nur mit Speis und Trank belohnt, sondern bekommen auch noch jede Menge Eier mit: Vor Haus Hemker sammeln sich so an die 70 Eier im Korb.

Am Ende der Tour werden es 300 Eier sein, die am Abend im Sängerheim von Bernd Vogel in die große Pfanne gehauen und zu Rührei verarbeitet werden – immer je zehn Stück auf einmal.

Doch erst einmal wird noch viel gesungen – in weißen Hemden , mit Hosenträgern und Schiebermütze sehen die Sänger richtig schmuck aus, als sie mehrstimmig „Droben im Oberland, ei, da ist es wunderschön“ intonieren – passend zu Heiligenhaus, das bekanntlich oben auf einem Hügel liegt.

Pingseiersingen in Heiligenhausen macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

Pingseiersingen in Heiligenhausen hat Tradition – und macht den Sängern und Eierspendern jedes Jahr viel Freude.

Der älteste Sänger ist mit 87 Jahren Peter Wester, der seit 1969 dem MGV zu den ersten Tenören gehört. Neben ihm steht der 80-jährige Dieter Höfer, der stolz ist auf seine 65 Jahre Mitgliedschaft: „Ich hab„ bei allen zwölf Meisterchören mitgemacht.“ Der jüngste Sänger ist mit 34 Jahren Tim Steinbach: „Ich bin seit 2013 dabei und liebe das Singen und das Miteinander – wir singen jeden Freitagabend im Sängerheim mit viel Spaß – das ist ein schöner Wochenausklang.“

Und das Pingssingen sei eine sehr gesellige Tradition. Auch der junge Sänger betont, dass Schnaps verpönt sei: „Wir wollen ja noch die Eier braten.“ Die Nachbarn von Hemkers lauschen begeistert den Sangesvorträgen, es wird viel gelacht und ausgetauscht: Was machen die Enkel? Ein Enkelchen fährt stolz mit seinem neuen Fahrrad die Straße rauf und runter, die Wickelbabies scheinen auf Mamas Arm den Gesang zu genießen. Ein harmonisches Miteinander, das Helga Rauls mit ihrem Mann Udo ganz besonders zu schätzen weiß: „Wir sind Zugezogene hier, mein Mann ist auch im MGV – so haben wir hier sofort gemeinsame Berührungspunkte gefunden. Das ist gut für die Dorfgemeinschaft.“

Prompt stimmen die Sänger das passende Leedcher, den Stammbaum-Song von den Bläck Fööss: „Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch, mir han dodurch su vill jewonne…“.

Und hopp, alle springen in den Planwagen, ab zur nächsten Station mit vielem Winken zum Abschied.

Außer den Eiern haben die Sänger auch noch Geld gesammelt, in diesem Jahr für die Humanitäre Hilfe Overath e.V. Beim Vorbeifahren des Pferdewagen entdeckt man noch auf der großen Plane die Einladung zum Sängerfest am Sängerheim am 30. Juni.