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Start-ups in Rhein-BergOverather Alessandro Becciu beschäftigt sich mit autonomen Shuttles

Lesezeit 4 Minuten
Ein ohne Fahrer fahrender Kleinbus der Hamburger Hochbahn steht in der HafenCity an einer Haltestelle.

Ein Bus ohne Fahrer: Das stellt viele Fragen an die Sicherheit.

Wenn kein Fahrer mehr an Bord ist, dann müssen viele Fragen der Sicherheit geklärt sein. Auch die Künstliche Intelligenz muss noch lernen.

Umarmt sich da ein Liebespaar oder bedrängt ein Mann eine Frau? Hilft jemand einem gestolperten Fahrgast oder hat er ihn gerade angegriffen? Eine Künstliche Intelligenz, die aufgrund der Bildanalyse Gefahrensituationen erkennen will, muss viel lernen.

Dr. Alessandro Becciu aus Overath hilft ihr dabei.„Erkennung kritischer Situationen in öffentlichen Bussen“ ist Inhalt des Projekts, an dem er in Kooperation mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz arbeitet. Es ist derzeit sein „Lieblingskind“.

Das Start-up beschäftigt sich mit dem Thema autonomes Fahren

Laut einer Studie des Bundeskriminalamts hat mehr als die Hälfte der Frauen Angst, nachts in öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. „Das ist ein wirklich ein sensibles Thema“, sagt Becciu. „Darüber hinaus bedeutet es auch einen Verlust an Kunden für die Unternehmen.“

Sein Anfang 2022 gegründetes Start-up Nuraxys beschäftigt sich mit dem Thema autonomes Fahren. Der Zusammenhang zum Forschungsprojekt: In einem autonom fahrenden Shuttle ist kein Fahrer mehr, der im Notfall eingreifen kann und zum Beispiel schnell die Türen zur Flucht öffnet.

Nuraxys berät bei der Entwicklung von Fahrerassistenz-Systemen

Nuraxys ist ein Dienstleistungs-Unternehmen. Alessandro Becciu berät Firmen bei der Systementwicklung von Fahrerassistenz-Systemen und autonomem Fahren als Projektleiter und Ingenieur. Es geht um Radar und Sensoren, um Anforderungen an die Software, ihre Entwicklung und Anwendung. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beratung von Landkreisen und Kommunen, die autonome Shuttle-Projekte planen.

Ein Kleinwagen der Zukunft, ohne Lenkrad, gesteuert durch KI.

Das Auto der Zukunft soll ohne Menschen am Steuer auskommen.

Das Interesse an Projekten mit meist kleinen Fahrzeugen, die auf kurzen Strecken ohne Mensch am Steuer fahren können, ist groß. „Das Shuttle allein ist es aber nicht“, sagt Becciu. „Der Einsatz ist komplex und viele Kommunen wissen nicht, was sie tun sollen und müssen.“

Das technologische Know-how ist in Deutschland auf einem hohen Niveau

Warum autonomes Fahren? Das technologische Know-how ist in Deutschland auf einem hohen Niveau und die Entwicklungen weit vorangeschritten, das Zulassungsprocedere ist jedoch kompliziert und in jedem Bundesland anders. Die Skepsis in der Bevölkerung ist groß, das Fahrzeugangebot – zumindest in Deutschland – überschaubar und teuer.

„Ich bin sicher, das wird sich ändern“, sagt der Start-up-Gründer. „Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber nach und nach.“ Bereits heute fehlen rund 20.000 Busfahrer im ÖPNV. Die Branche geht davon aus, dass bis 2030 jährlich bis zu 6.000 Fachkräfte in den Ruhestand wechseln werden. Der Altersdurchschnitt liegt derzeit bei über 50 Jahren.

Weniger Staus, Gestank und Lärm, dafür mehr Sicherheit

Was dann? Schon heute ist es für Menschen in ländlichen Gegenden schwierig, mit dem öffentlichen Nahverkehr von A nach B und zurückzukommen. „Die Technologie wird immer besser, die Sicherheit immer größer und je mehr Fahrzeuge es gibt, desto weiter sinkt der Preis“, prognostiziert Becciu.

Bleibt die Infrastruktur in den Kommunen, die zum Beispiel Geschwindigkeitsbeschränkungen anpassen, Ladestationen bauen und sinnvolle Testumgebungen schaffen müssen. Beccius Vision: viele autonome Fahrzeuge, die Geschwindigkeit und Abstand automatisch anpassen – für weniger Staus und mehr Sicherheit auf den Straßen. Zudem fahren autonome Shuttles in aller Regel elektrisch, ohne Gestank und Lärm.

Künstliche Intelligenz soll Gefahren in Bussen erkennen

Derweil arbeitet Becciu mit Nuraxys weiter an der KI zur Gefahrenerkennung in Bussen. Dazu gehört nicht nur Technologie, sondern auch das Engagement von Schauspielern, die die Szenen für das Training der Künstlichen Intelligenz spielen. „Niemand tut jemandem weh dabei“, sagt Becciu lächelnd.

Dr. Alessandro Becciu

Dr. Alessandro Becciu stammt aus Sardinien und kam mit dem Erasmus-Programm nach Deutschland. Mit seinem Start-up erfüllte er sich einen Lebenstraum

Der Test in realen Situationen sei schwierig, insbesondere wegen des Datenschutzes. „Vielleicht geht es, wenn wir die Gesichter unkenntlich machen“, sagt Becciu. „Oder wenn sie nur wenige sehen dürfen.“ Für möglich hält er eine Art Kontrollzentrale, in der jemand zentral alle Videoaufzeichnungen live beobachtet. Die Software könnte denjenigen umgehend laut oder blinkend informieren, wenn sie Verdächtiges feststellt.

Becciu kam über das Erasmus-Programm nach Deutschland

Alessandro Becciu ist auf Sardinien geboren, kam über ein Erasmus-Programm nach Deutschland, studierte Elektrotechnik, promovierte 2010 an der Technischen Universität Eindhoven zum Thema Bildanalyse. Im Anschluss arbeitete er in einem Start-up, danach viele Jahre verantwortlich für Themen und Menschen in großen Betrieben, um zu lernen, was es in Start-ups meist nicht gibt: Prozesse und Strukturen.

Warum tauscht man einen guten und sicheren Job gegen ein stets risikobehaftetes Start-up? „Es war mein Traum. Ich wollte das immer tun. Schon seit zehn Jahren“, sagt Becciu. „Irgendwann muss man es einfach tun, denn wenn man zu lange wartet, vergehen die Chancen und auch der Wille.“ Und wenn es schiefgeht? „Dann geht es schief, aber ich habe es versucht. Wenn man es nicht versucht, bereut man es irgendwann.“