Durch die vom NRW-Landtag beschlossene Änderung des Kommunalwahlgesetzes sehen sich kleine Parteien in Rhein-Berg benachteiligt.
ReformGeändertes NRW-Kommunalwahlrecht lässt kleine Parteien in Rhein-Berg um Sitze fürchten
Für Diskussionen sorgt die Änderung des Kommunalwahlgesetzes, das der NRW-Landtag auf Antrag von CDU, SPD und Grünen beschlossen hat. Die Abstimmung, die zu Beginn der Sommerferien erfolgte, fand in der Öffentlichkeit bisher kein großes Echo – sehr wohl aber in der Kommunalpolitik, auf die sich die Wahlrechtsreform auswirken wird. Kleinere Parteien und Wählergemeinschaften befürchten, durch die geänderte Berechnung der Sitzverteilung in Räten und Kreistagen benachteiligt zu werden.
Umgekehrt würden die größeren Parteien bevorzugt – insbesondere CDU, SPD und Grüne, die das neue Verfahren auf den Weg gebracht und im Landtag beschlossen haben. Im Klartext: Aus Sicht der Kritiker haben sich die großen Fraktionen ein Wahlrecht zurechtgeschneidert, das ihnen bei der Kommunalwahl 2025 deutliche Vorteile verschaffen könnte – insbesondere bei knappen Mehrheitsverhältnissen in einem Stadtrat, Gemeinderat oder Kreistag.
Landtagsmehrheit sieht Reform nah am Wählerwillen
Das sehen die antragstellenden Landtagsfraktionen naturgemäß anders: In der Begründung zu ihrem Antrag argumentieren sie, dass die kleineren Parteien vom bisherigen Wahlrecht überproportional profitiert hätten. Werde ein rechnerischer Anspruch einer kleinen Liste auf 0,55 Sitze aufgerundet zu einem ganzen Sitz, ergebe sich für eine abgegebene Stimme ein „Erfolgswert“ von 1,82. Dagegen sei bei einem Anspruch einer Liste auf 19,3 Sitze, der auf 20 Sitze aufgerundet werde, der „Erfolgswert“ einer abgegebenen Stimme deutlich geringer, er liege nur bei 1,04. Eine Aufrundung bei einer größeren Partei bedeute also eine viel geringere Abweichung vom Wählerwillen. Das Rechenverfahren ist kompliziert, die bisherige Sitzverteilung nach Sainte-Laguë wird durch die Wahlrechtsreform ersetzt durch ein Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich.
Mit der Argumentation von CDU, SPD und Grünen geben sich kleinere Parteien und Wählergemeinschaften, die von dem veränderten Wahlrecht voraussichtlich negativ betroffen sein werden, aber nicht zufrieden. „Damit werden kleine Parteien und Wählergemeinschaften massiv benachteiligt“, kritisiert Rainer Röhr, Fraktionschef der Freien Wählergemeinschaft (FWG) im Bergisch Gladbacher Stadtrat. Das NRW-Verfassungsgericht wolle auf kommunaler Ebene „politische Pluralität“ und habe daher einer Fünf- oder Zweieinhalb-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen eine Absage erteilt. Eine Benachteiligung der „Kleinen“ könne demotivieren: „Es geht damit bürgerliches Engagement verloren.“
FDP kritisiert "Sperrklausel durch die Hintertür"
Ähnlich sieht es Dorothee Wasmuth, FDP-Fraktionschefin in Bergisch Gladbach und FDP-Kreisvorsitzende. „Die kleinen Parteien werden definitiv verlieren“, sagt sie zu den Auswirkungen des neuen Wahlrechts. „Es ist zum Vorteil der großen Parteien.“ Durch die Benachteiligung von Listen mit relativ wenigen Wählerstimmen könne sich „eine Sperrklausel durch die Hintertür“ ergeben. Auch Yannick Steinbach, Fraktionschef der Wählergemeinschaft Fors-Park im Rösrather Stadtrat, sieht „die klare Tendenz, dass die Kleinen benachteiligt werden, während die Großen profitieren“.
Steinbach hat sich das Bergisch Gladbacher Kommunalwahl-Ergebnis von 2020 angesehen und errechnet, wie sich das neue Kommunalwahlrecht ausgewirkt hätte, wenn es schon 2020 angewandt worden wäre: Danach hätten CDU, Grüne und SPD je einen Sitz mehr erhalten, drei kleinere Fraktionen dagegen je einen Sitz weniger. Das ist von der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach zwar nicht bestätigt, eine Berechnung von anderer Seite kommt aber zum selben Ergebnis. Die Auswirkungen auf das Wahlergebnis von 2025 sind dennoch nicht absehbar.
Marc Schönberger, CDU-Fraktionschef im Rösrather Stadtrat, bezieht als Vertreter einer großen Fraktion naturgemäß eine andere Position als die Kritiker der Wahlrechtsreform. Er stellt fest, dass sich in der Praxis der Stadtratsarbeit die kleinen Fraktionen „sehr viel Gehör“ verschaffen würden: „Das kann man so oder so sehen.“ So gebe es Argumente für und auch gegen die Reform. Angesprochen auf die Auswirkungen des Mehrheitswahlrechts bei den Parlamentswahlen in Großbritannien oder Frankreich, stellt Schönberger fest, im Vergleich zu den dortigen Verzerrungen des Wählerwillens seien die Auswirkungen des veränderten NRW-Kommunalwahlrechts sehr viel geringer.
Die FDP im Landtag hat dennoch eine Klage gegen die Reform angekündigt. Aus Sicht der Kritiker der Wahlrechts-Reform bildet die bisherige Berechnung nach Sainte-Laguë den Wählerwillen am besten ab.