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Coronavirus in Rhein-BergImprovisieren und warten

Lesezeit 5 Minuten

Unterricht via Internet: Aufgaben gibt’s für die Overather Gymnasiasten in den kommenden Wochen aus der Schul-Cloud.

  1. Kleinkinder, Schüler, Eltern und Lehrer lernen momentan den Umgang mit einer Extremsituation.
  2. In extrem schweren Lagen muss manches Interesse hintenan stehen, das scheinen auch viele Eltern so zu sehen.
  3. Ein Blick in den Rhein-Berg-Kreis.

Rhein-Berg – Die Schließungen von Kitas und Schulen bringen Eltern in Not, weil sie zu Hause ihre Kinder betreuen müssen. Manche müssen um ihr Gehalt zittern. Abiturienten befürchten, dass „Corona-frei“ Konsequenzen für ihre Abiturprüfungen haben könnte.

In extrem schweren Lagen muss manches Interesse hintenan stehen, das scheinen auch viele Eltern so zu sehen. Trotzdem ist es eine nervliche Herausforderung für alle Beteiligten. Sogar zwei alleinerziehende Mütter sind sich der „besonderen Situation“ bewusst, die es erfordere, ältere und kranke Menschen zu schützen. „Ich fühle mich trotzdem alleingelassen“, sagt Anja B., Mutter eines zehnjährigen Sohnes, die lieber unerkannt bleiben möchte. Denn sie weiß nicht, wie es für sie weitergeht. Als Verkäuferin kann sie nämlich kein Homeoffice machen, also bezahlte Arbeit von zu Hause. Deshalb sorgt sie sich um Lohnfortzahlung. „Es gibt keine genauen Auskünfte, was einem zusteht.“ Von einer Regierung, die solch drastische Entscheidungen treffe, erwarte sie Lösungen und Unterstützung . „Als Alleinerziehende kann ich nicht einen Monat lang auf mein Gehalt verzichten“, sagt Anja B., die von sich selbst sagt, Optimistin zu sein. „Aber im Moment mache ich mir so viele Sorgen, da fällt es wirklich schwer, positiv zu denken.“ Bettina W. (Name geändert), allein verantwortlich für zwei Söhne, sechs und acht Jahre alt in Kita und Grundschule, arbeitet bei einer Behörde und kann zum Glück zu Hause am PC arbeiten: „Es ist aber sehr schwer, alles unter einen Hut zu bekommen“, sagt die 43-Jährige. „Mich hat die Situation kalt erwischt.“ Konzentriert am PC zu arbeiten und gleichzeitig die Kinder zu beschäftigen, erscheint ihr als große Herausforderung. Vor allem, weil gerade die, die sonst immer helfen, nicht einspringen könnten: die Großeltern.

Versucht, das Beste daraus zu machen: Sarah Sensen mit Lukas.

„Zuerst war es ein riesiger Schock“, erzählt Sarah Sensen. Jetzt versucht sie, das Positive an der Kita-Schließung zu sehen: „Ich habe mehr Zeit für für meinen Sohn Lukas.“ Auch sie ist bei einer Behörde angestellt, kann von zu Hause arbeiten und ihre Arbeitszeiten mit denen ihres Mannes abstimmen. Was die Gladbacherin aber verunsichert, ist: „Kann man überhaupt noch rausgehen auf den Spielplatz?“

Abschlussprüfungen stehen bevor

Kritisch sind die Schulschließungen für Jugendliche, die kurz vor dem Schulabschluss stehen. Die zentralen Prüfungen für den Real- und Hauptschulabschluss beginnen am 7. Mai. „Klar, das ist ein sportlicher Zeitplan“, sagt Helmut Müller, Leiter der Hauptschule Im Kleefeld. Seine Schüler würden mit Unterrichtsmaterial per E-Mail und über die schuleigene Homepage notversorgt. Allerdings dürfe man nicht voraussetzen, dass allen Schülern ein elektronisches Endgerät mit entsprechendem Zugang zur Verfügung stehe. Die Schüler der drei 10. Klassen und ihre Lehrer seien zwar sehr enttäuscht gewesen, dass ihre Abschlussfahrten nach Hamburg abgesagt werden mussten. „Aber sie haben verstanden, dass es sich um eine Notsituation handelt“, berichtet Müller.

Kinderbetreuung in der Corona-Krise

Die Schulen und Kindertagesstätten öffnen erst wieder nach den Osterferien, am 19. April. Ab Mittwoch,18. März, sind die Schulen komplett geschlossen. Eltern, die am heutigen Dienstag noch ein Problem mit der Betreuung haben, können ihre Kinder in die Schulen schicken. Sie werden dort nicht unterrichtet, aber betreut.

In den Kitas, heilpädagogischen Einrichtungen und Kindertagespflegestellen findet seit Montag keine reguläre Betreuung mehr statt: Es dürfen nur noch die Kinder kommen, deren Eltern in einem Job arbeiten, der in der aktuellen Situation zwingend ausgeübt werden muss. Für alle anderen Kinder gilt ein Betretungsverbot. (ub)

Für Abiturient Tobi Thelen vom Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium hat die Schulzeit abrupt am Freitag geendet : „Wir hatten keine Chance, uns so richtig Tschüss zu sagen“, bedauert der 17-Jährige. Er hält die Schulschließung für berechtigt, er habe selbst einen Großvater und wisse, wie gefährlich das Coronavirus für Senioren ist, wenn sie daran erkranken. Der Unterrichtsstoff soll nun online vermittelt werden. „Unsere Schule hat eine digitale Plattform aufgebaut“, berichtet Tobi. Manche abiturrelevanten Themen sind im Unterricht noch gar nicht besprochen worden: „Humanevolution im Fach Biologie müssen wir uns jetzt selbst beibringen, aber das wird schon gehen.“

Abruptes Ende der Schulzeit für Abiturient Tobi.

„Ein bisschen gruselig“ sei die Situation ja schon, sagt David Hubert, der Schulleiter des Overather Paul-Klee-Gymnasiums (PKG) am ersten Tag der wegen des Coronavirus angeordneten Schulschließung. Hätten sich die Schüler anfangs über das unverhoffte Schulfrei noch gefreut, wirke die Lage jetzt für alle eher bedrückend. Fünf Schüler seien am Montag zur Betreuung in die Schule gekommen, für Dienstag würden vier erwartet, und „dann müssen wir mal abwarten, wie viele Kinder danach angemeldet werden, weil ihre Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten“. Für die Kinder, die ab sofort zu Hause bleiben müssen, hat sich das PKG bereits vor zwei Wochen eine Möglichkeit überlegt, den Unterricht mittels moderner Technik fortzusetzen: Mit der „Own-Cloud“, dem PKG-eigenen Internet-Datenspeicher, kommen die Hausaufgaben von den Lehrkräften zu den Kindern – und auch wieder zurück. Hubert erklärt: „Die Schüler sollen mit den Aufgaben nicht allein gelassen werden.“ Aus diesem Grund sollen die Kinder auch nicht jedes für sich allein arbeiten, sondern auch mit ihren Banknachbarn via Whatsapp kommunizieren, sich austauschen.

Hausaufgaben über die Cloud: Die gibt’s übrigens am PKG auch nicht nur in Englisch, Deutsch und Mathe, sondern auch in Nebenfächern wie Geschichte und Kunst, aber in einem Pensum, das laut Schule zu schaffen ist.