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„Um vier Uhr war für uns die Stunde Null“Vor 80 Jahren ging in Rhein-Berg der Krieg zu Ende

Lesezeit 5 Minuten
Weiße Fahne am Haus hinter der gesprengten Sülzbrücke in Rösrath-Hoffnungsthal im April 1945

Die weiße Fahne hängt am 13. April 1945 auch am Haus neben der gesprengten Sülzbrücke in Hoffnungsthal. 

Weiße Fahnen und befreite Kriegsgefangene – Neue Serie zum Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg in Rhein-Berg vor 80 Jahren.

Für die einen war es der „Tag, an dem der Ami kam“, für andere einfach „die Befreiung“, einige beschlich allerdings auch Sorge, was nun kommen würde: Am 12. April 1945 – an diesem Samstag vor 80 Jahren – erreichten amerikanische Truppen den Süden des Rheinisch-Bergischen Kreises. Damit ging in der Region der Zweite Weltkrieg zu Ende – fünf Wochen vor der offiziellen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai.

„Genau um vier Uhr am Nachmittag war für uns die Stunde Null gekommen“, erinnerte sich Theo Felten später, wie er am 13. April 1945 eine Bohnenstange in die Erde neben seiner Behelfsbaracke in Vilshoven bei Overath-Marialinden rammte und daran die weiße Fahne hisste.

Einmarsch der Amerikaner, aufgenommen von Albert Siebenmorgen, zur Verfügung gestellt von Werner Pütz.

So endete der Krieg: Amerikanische Truppen marschieren in das damals noch zu Bensberg gehörende Immekeppel.

„Oben an der Chaussee klatschten sie Beifall.“ Kurz zuvor hätte man fürs Hissen dieser Kapitulationsbekundung noch erschossen werden können. Jetzt rollten Jeeps mit grüßenden amerikanischen Soldaten daran vorbei. Sie kamen aus dem Naafbachtal, das sie bereits am Vortag eingenommen hatten. Im Laufe des 13. Aprils sollten Sie auch noch Bergisch Gladbach erreichen.

Amerikanische Soldaten befreien die Kriegsgefangenen aus dem Lager Hoffnungsthal

Niederlage oder Befreiung? Während die „Stunde Null“ manchen Deutschen vor diese Frage stellte, gab es für 1500 Menschen, die die amerikanischen Truppen am 12. April 1945 am Rand der damaligen Gemeinde Rösrath erreichten, allein das Gefühl der Erleichterung. Sofern sie dazu noch in der Lage waren. Unterernährt, verlaust und größtenteils komplett entkräftet fanden die US-Truppen die Kriegsgefangenen im „Lager Hoffnungsthal“ vor, das sich auf dem Gelände des heutigen Kinder- und Jugenddorfes Stephansheide befand.

Historische Aufnahme aus dem Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal

Kriegsgefangene im Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal (heute. Stephansheide) bei einem Gottesdienst.

Im Kriegsjahr 1940 war das Lager eingerichtet worden. In den Gebäuden hatte sich zuvor ein Straflager der Wehrmacht als Arbeitskommando für den Truppenübungsplatz in der benachbarten Wahner Heide befunden. Kurz nach Beginn von Adolf Hitlers Westfeldzug wurden in den eigentlich für 600 Personen ausgelegten Baracken 800 französische Kriegsgefangene interniert, ein Jahr später wurden sie von 1200 polnischen Kriegsgefangenen „abgelöst“, die bis Mitte 1944 blieben.

Einige ehemalige Kriegsgefangene kehrten nach dem Krieg zurück nach Rösrath

Einige von ihnen sind später noch einmal zurückgekehrt und haben eindringlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager beschrieben: Nach bis zu 16-stündigem Arbeitseinsatz beim Grabenziehen auf dem Truppenübungsplatz habe es oft nur zwei Scheiben Kommissbrot und eine dünne Wassersuppe gegeben, erinnerte sich etwa Stanislaw Krzyzaniak: „Das war zu wenig, um zu leben, aber auch zu viel, um zu sterben.“

Drei Männer stehen vor historischen Gebäuden des Kinder- und Jugenddorfs Stephansheide bei Rösrath.

Der ehemalige Kriegsgefangene Stanislaw Krzyzaniak (M.) beim Besuch im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal in Kalmuseweiher in den 90er Jahren im Gespräch mit Mitgliedern des Rösrather Geschichtsvereins.

Die Verhältnisse dürften sich noch verschlechtert haben, als ab Herbst 1944 vorwiegend russische Kriegsgefangene ins Lager gebracht wurden. Dutzende starben an Entkräftung oder Krankheiten, die sich epidemieartig unter den Inhaftierten ausbreiteten. Die amerikanischen Truppen fanden im April 1945 zahlreiche Massengräber. Die sterblichen Überreste der darin Verscharrten wurden in einer Ehrenanlage direkt neben dem Lagergelände bestattet, manche später auf andere Friedhöfe umgebettet. „Unbekannter russischer Soldat“ steht auf den meisten der 112 heute noch erhaltenen Grabsteine.

112 Kriegsgefangene liegen bis heute auf dem Ehrenfriedhof in Stephansheide begraben

Unter den 1500 Kriegsgefangenen, denen die amerikanischen GIs am 12. April 1945 die Lagertore öffneten, waren auch 187 Amerikaner, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Nachdem amerikanische Truppen bereits am 7. März in Remagen über den Rhein vorgedrungen waren, hatte ein erbitterter Kampf um große Teile des Rechtsrheinischen begonnen. Das Bergische Land lag bald darauf im sogenannten „Ruhrkessel“, einem Gebiet vom Ruhrgebiet bis zur Sieg, das die Alliierten ab dem 1. April komplett eingekesselt hatten.

Grabplatte eines unbekannten russischen Soldaten in Rösrath-Stephansheide.

Grabplatte eines unbekannten russischen Soldaten in Rösrath-Stephansheide.

Neben Einheimischen und Flüchtlingen befanden sich im „Kessel“ auch 300 000 deutsche Soldaten, die teils noch erbittert weiterkämpften. In Marialinden baute selbst am 12. April, als schon amerikanische Artilleriegeschosse im Ort einschlugen, noch eine „Hitlerjugend-Division“ Maschinengewehrstellungen um das örtliche Krankenhaus auf, wie sich der Arzt Dr. Erwin Bücken später erinnerte. Zusammen mit seiner Assistentin und Pastor Josef Herchenbach zog der Mediziner trotzdem am Folgetag den Amerikanern mit weißer Fahne entgegen.

Die HJ-Kämpfer schossen auf die Delegation, bevor sie selbst das Weite suchten. Der Widerstand war gebrochen. „Die Amis sind da“ – die Nachricht habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet, erinnert sich der Marialindener Werner Pütz, der auch den Erinnerungsbericht von Theo Felten in einem Buch über Krieg und Nationalsozialismus im Bergischen Land veröffentlicht hat.

Dass auch Bergisch Gladbach ohne größere Gefechte noch am selben Tag von den amerikanischen GIs eingenommen wurde, hat die Kreisstadt vor allem dem Spediteur Karl Vollmann aus Hebborn zu verdanken, den seine Freunde Charly nannten. Er hatte einige Jahren in den USA gelebt und konnte Englisch. Und er hatte Mut. Das machte ihn zum Helden des Tages, als er auf eigene Faust die Übergabe der Stadt an die Amerikaner in die Hand nahm – aber das ist eine eigene Geschichte . . .

Nächste Folge: Der Retter von Bergisch Gladbach: Charly Vollmann.


Orte der Erinnerung an Leiden und Krieg

An unterschiedlichen Orten im Kreis wird heute an den Zweiten Weltkrieg und das mit ihm verbundene Leid erinnert. Der Geschichtsverein Rösrath beispielsweise hat, unterstützt von der Diakonie Michaelshoven, eine Gedenkausstellung im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal auf dem Gelände des heutigen kinder- und Jugenddorfs Stephansheide (Pestalozziweg 77) eingerichtet. Anmeldungen zu Führungen per E-Mail an Karl Armin Opfer, info@karo-labcon.de, Tel. 0173/ 6531596.

Ebenfalls zu besichtigen ist der ehemalige Luftschutzbunker an der Rotdornallee in Rösrath-Hoffnungsthal. Führungstermine hier im Internet. (wg)