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Prozess21-jähriger Rösrather Gewalttäter soll dauerhaft in Psychiatrie

Lesezeit 4 Minuten
Das Bensberger Amtsgericht an der Schloßstraße, die zurzeit eine Sackgasse ist.

Drei Tage verhandelte das Bensberger Jugendschöffengericht über den 21-jährigen Rösrather.

Ein Rösrather (21) soll dauerhaft in die Psychiatrie: Er sei schuldunfähig, aber gefährlich. Das Gericht entscheidet erst in drei Wochen.

Wie er da gesittet in dunklem Anzug und mit kurzem Haar neben seiner Verteidigerin sitzt, könnte der 21-jährige Angeklagte aus Rösrath als Traum aller Schwiegermütter durchgehen. Kleider machen Leute, immer noch. Doch lässt die große Zahl brutaler Angriffe, Körperverletzungen und Bedrohungen Pascal G. in einem anderen, wesentlich grelleren Licht erscheinen.

Einem Kaffeehausbesitzer in Köln soll Pascal G., der in Wirklichkeit anders heißt, laut Anklage im Wahn einen Holzstab in die Wange gestochen und einen Kioskbesitzer in Rhein-Berg mit einem Mülleimer aus Metall geschlagen haben. Er habe versucht, eine Polizistin zu attackieren, als die ihn in Köln-Kalk in einer U-Bahn-Station festnehmen wollte, und er habe nach Bergisch Gladbacher Polizisten geschlagen und getreten, die ihn auf die Wache bugsieren wollten. Zwei Krankenschwestern im Vinzenz-Pallotti-Hospital in Bensberg, die ihm helfen wollten, habe er ebenfalls angegriffen und einem zur Hilfe eilenden männlichen Kollegen einen Zahn ausgeschlagen.

Gefährliche Kombination aus Krankheit und Drogenkonsum

Und das ist nur ein Teil der Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft in mehreren Anklagen und einer Antragsschrift für einen Zeitraum von knapp anderthalb Jahren für das Bensberger Jugendschöffengericht zusammengetragen hat. Kleinere Vorwürfe zu illegalem Drogenkonsum oder zum Diebstahl einer Flasche Whisky stellt das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Ertan Güven ein, doch am Ende von drei Verhandlungstagen bleiben drei einfache Körperverletzungen, drei gefährliche Körperverletzungen, Beleidigungen, Widerstände und ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte übrig.

Etwas milder wird das grelle Licht durch die Aussage der Ärzte: Pascal G. leidet unter Schizophrenie. Diese Grunderkrankung kombiniert mit dem Missbrauch von Alkohol und illegalen Drogen sowie dem Weglassen hilfreicher Medikamente machen den aktuell so „freundlich und zugewandt wirkenden jungen Mann“ (so die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe) gefährlich.

Ärzte schließen Schuldfähigkeit aus

Seit einem halben Jahr ist er vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Zwei Justizwachtmeister sitzen die ganze Zeit im Saal. An diesem dritten Prozesstag sagen gleich zwei Fachleute aus: Erst der Psychiater, der ihn seit sechs Monaten in der LVR-Klinik in Essen behandelt, als sachverständiger Zeuge, und anschließend der gerichtlich bestellte Sachverständige, ein Psychotherapeut aus Köln.

Im Wesentlichen sind sie sich einig: Pascal G. ist wegen seiner Krankheit einerseits nicht schuldfähig. Er könnte aber womöglich bald wieder eine große Gefahr werden, wenn man ihn in die Freiheit entlässt. Die kleinen Fortschritte, die es in den letzten sechs Monaten gegeben habe, hingen damit zusammen, dass er in einer geschlossenen Klinik saß und keinen Zugang zu Drogen hatte.

Wenn er sich selbst überlassen wird wie ein freier Vogel, wird er wie ein freier Vogel davonfliegen.
Der behandelnde Psychiater

Könnte man ihn jetzt wieder auf freien Fuß setzen? „Wenn er sich selbst überlassen wird wie ein freier Vogel, wird er wie ein freier Vogel davonfliegen“, sagt der Essener Psychiater. Auch bedeute eine zeitweise Abstinenz noch lange nicht das Ende einer Sucht. „Er sollte die Finger von Drogen und Alkohol lassen, auch wenn Cannabis inzwischen erlaubt ist“, ergänzt der Kölner Psychotherapeut, der Pascal G. zweimal, im September vergangenen Jahres und im März 2024, begutachtet hat.

In der Konsequenz der gutachterlichen Ausführungen beantragt die Jugendstaatsanwältin nach einem Rechtsgespräch der beteiligten Juristen einerseits einen umfassenden Freispruch für den intelligenzgeminderten Pascal G. wegen Schuldunfähigkeit, andererseits aber auch seine dauerhafte Einweisung in eine psychiatrische Klinik.

Einweisung wäre ohne zeitliche Befristung

Die Anklägerin lässt erkennen, dass sie es sich mit diesem Plädoyer nicht leicht macht: Anders als eine Freiheitsstrafe ist eine Einweisung nach Paragraf 63 des Strafgesetzbuchs nicht zeitlich begrenzt, und dabei ist der junge Mann, der sein eigenes Elternhaus zeitweise nicht mehr hat betreten dürfen, gerade erst 21 Jahre alt geworden.

Die dauerhafte Einweisung ist das letzte Mittel des Staates, wenn es nicht um bloß nervige Querulanten und Sonderlinge geht, sondern um tickende Zeitbomben. Im Durchschnitt, so die Anklägerin, kämen die Betroffenen erst nach acht Jahren wieder raus, und darum legten die Obergerichte auch sehr strenge Maßstäbe an solche Entscheidungen an.

Verteidigerin wirbt für strikte Bewährungsauflagen

Die Verteidigerin wirbt für die Möglichkeit, dem jungen Mann durch sehr strikte Bewährungsauflagen ein Leben in einem schützenden Milieu statt hinter Gittern zu ermöglichen. Dass er keine Einsicht in die Krankheit zeige, sei ihm nicht vorzuwerfen, sondern gerade eben Bestandteil der Krankheit.

Der Angeklagte selbst hat das letzte Wort: „Ich möchte mich entschuldigen für die ganzen Straftaten, die ich begangen habe. Und das passiert nie wieder!“, sagt er. Anschließend geht das Bensberger Jugendschöffengericht einen ungewöhnlichen Weg: Das Urteil wird nicht sofort gesprochen, sondern erst in drei Wochen. Das ist die gesetzlich höchstmögliche Unterbrechung, bei einer noch längeren Pause müsste der Prozess ganz neu aufgerollt werden.

Diese Zeit kann der zeitweise im Zuschauerraum sitzende Betreuer von Pascal G. nutzen, um eine passende Einrichtung für seinen Schützling zu finden – leere Kassen hin, Platzmangel und Personalnot her. Sollte der Betreuer so eine Einrichtung finden, könnte das Gericht im Urteil der Verteidigerin statt der Staatsanwältin folgen.