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Atelier bis zur Decke überflutetKünstlerin hält Bilder der Flut in Rösrath fest

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Ulrike Oeter organisierte eine Open-Air-Kunstaktion, um Leben in die Straßen zu bringen.

Rösrath – Wenn Ulrike Oeter in den Keller geht, wird ihr immer noch ganz mulmig. Der ist zwar wieder einigermaßen trocken, aber das Bild kriegt sie nicht aus dem Kopf: Bis zur Decke überflutet waren die Räume, als im Juli die Wassermassen der Sülz in ihr Haus in den Backeswiesen in Hoffnungsthal stürzten. Hier unten war die Werkstatt der Rösrather Künstlerin, hier war ihr Zeichentisch, hat sie ihre großformatigen Skulpturen gebaut und jede Menge Bücher und Recherchematerial aufbewahrt. „Mein Frühwerk“, sagt sie.

Das Aufräumen war ein Kraftakt. Tausende Male die Treppen rauf und runter hat sie die Sachen geschleppt, nächtelang. „Ich bin ein barocker Mensch,“ erklärt Ulrike Oeter. „Ich kann nichts wegwerfen.“ Und plötzlich war da ein großes Innehalten: „Brauche ich das ganze Zeugs eigentlich, habe ich mich gefragt. Muss ich so viel anhäufeln? Wie wichtig ist das noch?“ Dass diese Fragen so folgenreich sein würden, hat sie erst nach und nach realisiert.

Rösratherin: „Das war meine Art, mit der Situation fertigzuwerden“

Um die Gespenster der Flut zu verscheuchen, ist sie auf die Straße gegangen, durch ihr verwüstetes Dorf, wie sie Hoffnungsthal nennt. Jeden Tag hat sie mit den Leuten gesprochen, fotografiert, dokumentiert. „Es war das erste Mal, dass ich meine Heimat so intensiv betrachtet habe. Häuser und Höfe, die ich noch nie gesehen hatte, kleine Straßen, und natürlich die Geschäfte auf der Hauptstraße, die aufwendig saniert werden. Diese ganze rasende Veränderung ringsumher.“

Aus den Fotografien, die sie in Hoffnungsthal machte, entstanden über 50 Fotobücher.

Es dauerte nicht lange, da war Ulrike Oeter bekannt wie ein bunter Hund bei den Menschen, die hier leben. Die Künstlerin ist zur Chronistin geworden. Aus den Bildern hat sie Bücher gemacht. „African Power“ ist ein Beispiel, da hat sie tagelang ein Team von Arbeitern besucht, die Ordnung schafften in den kaputten Häusern. Sie hat andere Künstler zusammengetrommelt und eine Open-Air-Ausstellung in den Schaufenstern und Höfen organisiert. Rastlos, irgendwie.

„Die 35 Jahre, die ich Kunst mache, kulminierten in dieser Solidarität. Das war meine Art, mit der Situation fertigzuwerden“, erklärt die studierte Historikerin und leidenschaftliche Weltreisende. „Künstler müssen immer irgendwie was tun, und dann entsteht etwas Neues aus den Trümmern.“

Künstlerin verkleinert ihr Atelier in Rösrath

Ulrike Oeter speckt ab. Ihr großer Kastenwagen, mit dem sie ihre sperrigen Installationen transportierte, ist abgesoffen. Sie hat sich einen Kleinwagen gekauft. Den liebt sie zwar nicht, aber er ist Teil des Entschlackungsprogramms. In den Kleinwagen passen die großen Metallteile ihrer Erinnerungsschränke, mit denen sie bekannt wurde, nicht mehr herein. „Ich habe schon vieles weggegeben“, sagt sie. „Und ich werde nach und nach noch mehr weggeben, auch aus meinem Atelier.“

Sich selbst hat Ulrike Oeter als Wasserträgerin in Szene gesetzt.

Das hat sie ebenfalls verkleinert. Ihre Kunst wird eine andere sein. Wie, das weiß sie noch nicht so genau. Konzentrierter. Kompromissloser. „Ich werde niemandem mehr nach der Nase arbeiten“, ist sie entschlossen. „Wenn jemand fragt: Können Sie mir die Ausstellung so und so machen, und ich bin nicht einverstanden, sage ich: Nö.“

Ulrike Oeters nach der Flut: „Ich habe Glück gehabt“

Vielleicht wird sie sich ihrer großen Leidenschaft widmen: Kleidung aus aller Welt. Schon immer hat die Kleidung eine große Rolle in Ulrike Oeters Werk gespielt, Kostüme aus wippendem Papier, ebenso schön wie schrecklich, weil sie stets stellvertretend für die durch Politik oder Gewalt aus der Welt geworfenen Menschen stehen. Von ihren Reisen hat sie Tausende Fotos von diesen besonderen Trachten der Völker gemacht. „Schönheit, Kreativität und Hingabe“ erkennt sie in den kunstvoll gearbeiteten traditionellen Kleidern, die mit Stolz getragen werden. Das soll auch ihr Maßstab sein.

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„Ich habe Glück gehabt“, gesteht Ulrike Oeter. Sie hat nicht ihr Haus verloren, wie viele Nachbarn. Die Heizung und das warme Wasser funktionieren wieder. Deshalb möchte sie nicht, dass ihr mentaler Aufbruch als frivol empfunden wird. „In gewisser Weise ist das Luxus“, weiß sie. Es ist ein wichtiger Impuls, Dinge auf den Prüfstand zu stellen. Ein Schubs. Er ist passiert, nicht zur rechten Zeit, aber gibt es die überhaupt, die rechte Zeit?