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Messer nur zum Schutz gezogenFreispruch nach Auseinandersetzung in Rösrath

Lesezeit 3 Minuten
Messerattacke Symbolbild

Ein Messer wird von der Kriminalpolizei sichergestellt. (Symbolbild)

Rösrath/Bergisch Gladbach – Zwei heranwachsende Brüder aus gutem Hause, die wegen Körperverletzung und Bedrohung vor Gericht stehen, ihr Vater, ein Polizeihauptkommissar, der den Prozess in Uniform verfolgt, fünf Zeugen, die sich an kaum etwas erinnern können, und ein heftiger Disput zwischen Verteidiger und Staatsanwältin: Das Jugendstrafverfahren gegen die Brüder Lucas und Tim K. (Name geändert) war ziemlich spektakulär. In dem Prozess um verletzte Eitelkeit, Drohungen mit einem Messer und den Wurf einer Flasche sprach Richter Ertan Güven am Ende beide Angeklagten frei.

Am Abend des 24. Juli 2021 war es am Rösrather Schützenplatz zu einer ersten Konfrontation zwischen Lucas K., dem älteren der beiden Brüder, und seinem einst guten Freund Jonas P. gekommen. Jonas P. war aufgebracht, weil er erfahren hatte, dass jetzt Lucas mit seiner Ex-Freundin Vanessa B. zusammen war. Erst ging er auf Lucas zu, dann schlug er zu. Die beiden prügelten sich, wurden aber auseinandergezogen.

Erst schlug Jonas zu, später zog Lucas das Messer

Einige Minuten später gab es nicht weit vom ersten Tatort entfernt eine neue Auseinandersetzung, und was da genau passierte, darum ging es vor Gericht: Laut Anklage ging Lucas K. mit einem aufgeklappten Messer in der Hand auf Jonas P. und einen Kumpel zu und drohte, sie „abzustechen“. Zudem habe Tim K., der jüngere Bruder, eine Flasche geworfen, die zerschellt sei, aber niemanden verletzt habe. Es gab neue Kämpfe, die Polizei schritt ein.

Um die Sache mit Messer, Drohung und Flaschenwurf aufzuklären, hörte Richter Güven vier männliche Zeugen sowie Vanessa B. an. Alle gaben an, sich nur noch an sehr wenig erinnern zu können. Immerhin erfuhr das Gericht von Jonas P., dass er sich längst mit Lucas ausgesprochen habe und jetzt mit der Situation umgehen könne.

Jonas und Lucas sind wieder versöhnt

„Ich konnte sie damals nicht glücklich machen und sehe, dass sie jetzt glücklich ist“, gab Jonas, offenbar klug geworden, zu Protokoll. Ein weiterer Zeuge sagte, er selbst habe damals die Flasche auf dem Boden zerdeppert. Aber nicht, um jemanden zu treffen, sondern damit die Rauferei aufhöre. Damit war für alle Beteiligten klar, dass es für den vermeintlichen Flaschenwerfer Tim K. einen Freispruch geben werde.

Was aber den großen Bruder Lucas und sein Messer anging, gingen die Bewertungen von Jugendstaatsanwältin Franziska Pauels und Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode diametral auseinander. Während Pauels eine strafbare Bedrohung sah, argumentierte Bode, dass Jonas P. kurz zuvor Lucas angegriffen und geschlagen habe.

Lucas' Familie will unbedingt Freispruch

Insofern sei es seinem Mandanten nicht zu verdenken, dass er sich gegen einen möglichen neuen Angriff habe schützen wollen. Die von Richter Güven angesprochene Möglichkeit, das Verfahren gegen Sozialstunden einzustellen, lehnte Bode nach Beratung mit seinem Mandanten und dessen Vater rundweg ab.

Bode ließ durchblicken, dass es für die Familie sehr wichtig sei, dass der junge Mann aus den „bürgerlichen Verhältnissen“ völlig ungerupft aus der Sache rauskomme, um sich nicht die Zukunft zu verbauen.

Gleicher Anspruch auf Zukunftschancen für alle

Staatsanwältin Pauels, die sich zuvor schon gegen den Vorwurf verwahrt hatte, es sei das „Opfer zum Täter gemacht“ worden, reagierte mit sehr deutlichen Worten: „Andere Angeklagte haben genau den gleichen Anspruch auf Zukunft wie solche aus bürgerlichen Kreisen.“ In Anbetracht der Gesamtumstände und des Entwicklungsstandes des Angeklagten forderte sie für Lucas K. eine Verwarnung und 30 Sozialstunden. Dagegen forderte und bekam Bode seinen Freispruch.