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Buchvorstellung in RösrathHistoriker blickt auf den Alltag von Juden

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Auf den Alltag von Juden während des Naziregimes – hier ein Foto der Kölner Familie Schönenberg – blickt der Rösrather Historiker Martin Rüther.

Auf den Alltag von Juden während des Naziregimes – hier ein Foto der Kölner Familie Schönenberg – blickt der Rösrather Historiker Martin Rüther.

Der Rösrather Historiker Martin Rüther sammelte Selbstzeugnisse von Kölner Juden im NS-Regime. Der Geschichtsverein Rösrath stellt sein Buch vor.

Einblick in das Leben der jüdischen Bevölkerung in Deutschland während der Naziherrschaft will Rösrather Historiker Martin Rüther geben. Er hat das Buch „Und wir werden in alle Winde verstreut“ veröffentlicht, es beschäftigt sich mit „Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Kölns aus Perspektive der Betroffenen“, wie es im Untertitel heißt. Im Mittelpunkt stehen Selbstzeugnisse von Juden, die Rüther gesammelt hat – ob Tagebuch, Brief oder Postkarte. „Da ist im Lauf der Jahre und Jahrzehnte viel zusammengekommen“, sagt der Experte, der bis zu seinem Ruhestand im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln gearbeitet hat und an seinem Wohnort Rösrath auch im Geschichtsverein aktiv ist.

Rüther lag es am Herzen, die Geschichte „aus dem Blickwinkel der Betroffenen“ darzustellen. Die Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung Kölns können beispielhaft auch für das Erleben von Juden anderswo stehen. Die Arbeit mit Selbstzeugnissen sei „etwas, das es bundesweit noch nicht gibt“, sagt Rüther. Sein Herangehen bedeutet auch, dass einige Zeitzeugen nach der Deportation ins Konzentrationslager „verstummen“. Die besondere Perspektive des Buchs sorgt auch für ein besonderes Interesse: Es wird vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln und der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben, Interessierte können das umfangreiche Werk somit für eine geringe Unkostenpauschale bei der Bundeszentrale beziehen (für sieben Euro).

Der Geschichtsverein Rösrath stellt das Buch seines Mitglieds Martin Rüther bei einer Lesung vor. Mitwirken bei der Lesung wollen neben Martin Rüther (r.) auch Rainer Grünjes, Nicole Bernstein und Marina Wittka (v. l.).

Der Geschichtsverein Rösrath stellt das Buch seines Mitglieds Martin Rüther bei einer Lesung vor. Mitwirken bei der Lesung wollen neben Martin Rüther (r.) auch Rainer Grünjes, Nicole Bernstein und Marina Wittka (v. l.).

Auch der Geschichtsverein Rösrath will zur Aufmerksamkeit für das Werk ihres langjährigen Mitglieds Rüther und für die Erfahrungen von Juden im NS-Regime beitragen, er lädt daher zu einer Buchvorstellung mit Lesung und Musik am Mittwoch, 6. November, 18 Uhr, im Bergischen Saal von Schloss Eulenbroich ein. „Wir würden uns besonders freuen, wenn wir junge Leute erreichen würden“, sagt Nicole Bernstein, stellvertretende Vorsitzende des Geschichtsvereins.

Auch die Gestaltung von Rüthers Projekt zielt auf Jüngere, der Historiker hat es als „Projekt mit zwei Teilen“ angelegt, das aus dem Buch und der Webseite www.juedischesleben1933-1945.de besteht. Auf der Webseite werden Biografien nicht nur mit Fotos und kurzen Lebensläufen lebendig, sondern auch mit Videos und O-Tönen der Betroffenen. Auf der Webseite sind rund 35 individuelle Lebensgeschichten und über 20 Familiengeschichten dargestellt, das Buch bietet 16 Familien- und Personenporträts. Mit dem Projekt werde „bewusst und gezielt ein anderer Weg eingeschlagen als jener, den die Holocaust-Forschung über Jahrzehnte favorisierte“, erklärt die Webseite. Diese habe sich auf das dramatische politische Geschehen, die NS-Verbrechen und Widerstandsaktivitäten konzentriert, aber die sozial- und alltagsgeschichtliche Perspektive vernachlässigt. Rüthers Projekt will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.

Die Buchvorstellung am Mittwoch, 6. November, beginnt um 18 Uhr im Bergischen Saal von Schloss Eulenbroich in Rösrath. Neben Beiträgen von Autor Martin Rüther lesen Rainer Grünjes und Martina Wittka Texte von Zeitzeugen vor, Nicole Bernstein moderiert. Paula Muthig trägt Klaviermusik bei. Der Eintritt ist frei, Spenden sind erbeten.