Mary Bauermeister ist gestorben. In ihrem Atelierwohnhaus in Rösrath wurde performt, gelesen, gesungen, diskutiert und Netzwerke geschaffen.
Zum Tod von Mary BauermeisterAtelier in Rösrath-Forsbach war Treffpunkt und Inspiration
Nach monatelanger, schwerer Krankheit ist die Künstlerin Mary Bauermeister am gestrigen Donnerstag im Alter von 88 Jahren gestorben. „Nach einer langen und intensiven Suche überschritt meine Mutter Mary Bauermeister heute ‚die Grenzen‘, wie sie es anzukündigen pflegte“, gab ihr Sohn Simon Stockhausen bekannt. „Ich werde dich vermissen, dein Geist lebt in deinem Werk.“
Die international renommierte Künstlerin, die in Forsbach lebte, war mit ihrem Atelier in Köln mit George Maciunas, Wolf Vostell, John Cage, Christo, Nam June Paik einflussreiche Wegbereiterin für die spätere Fluxus-Bewegung. Ab 1962 wirkte sie, angezogen von Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Jean Tinguely in New York, stellte ihre immer noch berühmten Linsenkästen und Grafiken in der Galerie Bonino aus. Ihre weißen Holzkästen, mit Welten aus Glas, Lupen, Linsen und Prismen, hinterlegt mit feinen Tuschezeichnungen und Texten, sind bis heute aktuell und gefragt.
Ehe mit Karlheinz Stockhausen
Einige Jahre lang war Bauermeister mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen verheiratet, schuf bildnerische Werke rund um seine Neue Musik.
Ihr Atelierwohnhaus in Forsbach und das große Gelände haben sich über Jahrzehnte zu einem Ort der Inspiration und der Kommunikation entwickelt. In den Hütten und Zirkuswagen und im Haus übernachteten Künstler und Jugendliche, die sich zum Austausch, zu Events und Workshops trafen. Ihr jahrelanger Traum von einem Kunstort oder Jugendzentrum für die Kunst erfüllte sich trotz vieler Bemühungen von Politikern und Stiftungen bisher aber nicht.
Rösrath: Monatliche Meetings in Forsbach
Unvergessen sind die monatlichen Meetings am Sonntag im Atelier und im Gelände – es wurde performt, gelesen, gesungen, diskutiert und Netzwerke geschaffen. Legendär ihre Kürbissuppe mit Früchten aus eigenem Garten. Die mit eingekratzten Kommentaren zu Kunstobjekten heranwuchsen. Mary Bauermeister hatte immer ein offenes Haus, saß bei Sonnenschein vorn an der Straße, ließ sich sofort auf ein Gespräch mit Freunden und Passanten ein. Sie teilte ihr Schaffen mit anderen Künstlern, arbeitete eng zusammen mit dem Bildhauer Hannes Lorenz und den Kunststudenten der Alanus Hochschule in Alfter.
Noch im Jahr 2022 überraschte sie mit einem schier unaufhaltsamen Schaffensdrang – sie schuf neue Objekte, große Drippingwerke, feinste Grafiken, die über 100 Meter lange Holzinstallation „Rübezahl“ im Kölner Skulpturengarten. Voller Lebenskraft vermittelte sie ihre Kunst und auch ihre umfangreiche Sammlung von Werken befreundeter und junger Künstler in einigen Ausstellungen, im Frauenmuseum Bonn, in der Remagener Galerie Rosemarie Bassi und bei der Bensberger Galeristin Marlis Sauer.
Die Vermittlung der Kunst anderer war ihr überaus wichtig: „Als mir die Galerie Bonino von heute auf morgen für 12 000 Dollar meine Werke abgekauft hat, habe ich dann unter Schock einen Schwur getan: Von zehn Prozent meiner Einnahmen Kunst anderer Künstler zu kaufen.“ Im Juli 2022 besuchte sie mit Nicholas Isherwood noch „Inori“, das letzte Stockhausen-Konzert in Kürten.
An der Eröffnung ihrer Ausstellung im Kieler Kunstmuseum im Herbst konnte sie schon nicht mehr teilnehmen. Auch ihr 88. Geburtstag am 7. September 2022 wurde nur im engsten Kreis gefeiert. Als ihr 2020 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, dachte sie zuerst, sie müsse das ablehnen, als „rote Socke“. Aber sie hat die Ehre doch akzeptiert, weil sie der Gesellschaft dankbar war, zeitlebens von ihrer Hände Arbeit leben zu können.
Sie hinterlässt eine große Lücke in der Kunstszene. Immer wieder hat sie auch die örtlichen Künstlervereine AdK, Arbeitskreis der Künstler und Künstlerinnen in Rösrath, unterstützt. „Wir verlieren eine große, geachtete Kollegin – eine ganze Epoche geht zu Ende, Erinnerungen an gemeinsame Aktionen kommen zurück“, sagt die Künstlerin Sigrid Fischer über das Ehrenmitglied des AdK.
Auch Dr. Petra Oelschlägel, Direktorin des Kunstmuseums Villa Zanders würdigt die Verstorbene: „Sie ist nicht nur aufgrund ihres eigenen Werkes wichtig, sondern hat mit ihrem Netzwerk als Motor für andere Künstler und Literaten unendlich viel Wege geöffnet – seit den 70er Jahren auch für die gesamte Region“. Mit ihren Werken habe sie ihren Platz in der internationalen Kunstszene.