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„Immer ein Klima des Miteinanders“Rösrather Dezernent Christoph Herrmann im Interview

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Der Rösrather Dezernent Christoph Herrmann geht in den Ruhestand. Im Interview blickt er zurück auf 35 Jahre in der Rösrather Verwaltung.

Der Rösrather Dezernent Christoph Herrmann geht in den Ruhestand. Im Interview blickt er zurück auf 35 Jahre in der Rösrather Verwaltung.

Der scheidende Dezernent Christoph Herrmann blickt im Interview zurück auf 35 Jahre in der Rösrather Verwaltung. Er geht nun in den Ruhestand.

Wie hat sich Rösrath in den vergangenen 35 Jahren verändert?

Christoph Herrmann: Zu Beginn meiner Tätigkeit war es wirklich noch eine dörflich strukturierte Gemeinde. Da ging es in der Öffentlichkeit und Politik in vielem nicht um die Themen der großen weiten Welt. Das hat sich inzwischen merklich verändert. Viele sind in die Stadt zugezogen, es gibt viele Bürgerinitiativen, die Bürgerschaft fordert ein, in Entscheidungen einbezogen zu werden. Da merkt man schon Veränderung. Früher haben die Fachbereiche der Verwaltung noch stärker die Richtung vorgegeben.

Was ist heute anders in der Arbeit der Verwaltung?

Vor 35 Jahren war die Mitarbeiterzahl der Verwaltung halb so groß wie heute. Es sind viele Themen dazugekommen. Gerade die Neubürger bringen neue Fragen mit. Ich habe bei jeder Bürokratieabbau-Welle gehofft, dass Abläufe erleichtert werden. Aber sie werden immer länger. Ich würde mir wünschen, Dinge weniger bürokratisch umsetzen zu können. Bei Bausachen in Rösrath kommt hinzu, dass sich die Kommunalpolitik sehr viele Entscheidungen vorbehält, auch das zieht Abläufe in die Länge – oft unnötigerweise. Natürlich muss bei großen städtebaulichen Projekten die Politik entscheiden, aber nicht bei einem Haus mit drei Wohneinheiten.

Welche Weichenstellungen in der Stadtentwicklung konnte Rösrath in den letzten Jahrzehnten vornehmen?

Ich bin in Rösrath fast zeitgleich mit dem damaligen Beigeordneten Berthold Kalsbach gestartet. Gemeinsam haben wir bei der Bezirksregierung Köln eine Genehmigung des Flächennutzungsplans erreicht. Damit wurden der Wohnungsbau und die Gewerbeansiedlung in Scharrenbroich möglich. Das war für Rösrath ein ziemlicher Schritt nach vorne, der um die Jahrtausendwende realisiert wurde. Das war auch ein Beitrag zur Stadtwerdung, diese hat die Stadt in die Lage versetzt, stärker eigene Entscheidungen zu treffen – mit einem eigenen Jugendamt, Bauaufsicht und Straßenverkehrsamt.

Scharrenbroich war sicher ein herausragendes Projekt für Rösrath...

Im Laufe der Jahre ist auch das Möbelzentrum immer wieder expandiert, hinzu kamen der Bau von Sporthallen und die Erweiterung von Schulen. Das waren Beiträge zu einer zukunftsfähigen Infrastruktur. Weitere Projekte waren der Ausbau am Veurneplatz und in der Rotdornallee sowie das Integrierte Handlungskonzept Rösrath-Nord mit der Neugestaltung des Freiherr-vom-Stein-Schulzentrums und des Sülztalplatzes. Auch der Wohnungsbau auf der „Heidchenwiese“ in Forsbach, am Kirchweg, wird in abgespeckter Form umgesetzt. Voraussichtlich nächstes Jahr startet die Erschließung.

Für solche Projekte muss aber auch die Infrastruktur geschaffen werden, etwa beim Verkehr. Ist das ein Zukunftsthema?

Auf jeden Fall. Wir werden uns mit einem veränderten Verkehrsmix auseinandersetzen müssen. Der Fahrradverkehr ist stärker zu berücksichtigen. Dabei werden wir von übergeordneten Behörden noch gehemmt. Ich wünschte mir, dass wir schneller vorankommen könnten. Auch beim Agger-Sülz-Radweg. Wenn man sich die hohen E-Bike-Ausleihzahlen in Rösrath anschaut, ist klar, dass der Bedarf da ist.

In der politischen Diskussion der letzten Jahre gab es immer wieder Forderungen nach einem Leitbild. Sollte die Stadt verstärkt Entwicklungsziele formulieren?

Eine abgespeckte Form des Leitbilds haben wir schon mal umgesetzt, Anfang der 2000er Jahre, damals nannte sich das Stadtmarketing-Konzept. Ich war und bin zugegebenermaßen sehr kritisch. Beim Vergleich solcher Ziele in unterschiedlichen Kommunen fällt auf, dass 80 bis 85 Prozent austauschbar sind. Ich glaube, das Leitbild wird in vielen Bereichen umgesetzt, ohne dass es aufgeschrieben ist. Und es kann rechtsgebundene Entscheidungen nicht ersetzen.

Welche Ziele könnte sich Rösrath setzen?

Veränderungen beim Verkehr sind ein Thema, Umwelt- und Klimaschutz ein weiteres. Da sind die schmerzlichen Erfahrungen durch Starkregen und Hochwasser stärker zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu anderen Kommunen, die ihr Heil im Wachstum gesucht haben, sollte Rösrath dafür sorgen, dass die Infrastruktur dabei Schritt hält. Bei der sozialen Infrastruktur hinken wir noch hinterher.

Würden Sie sich heute wieder bei der Stadt Rösrath bewerben?

Auch wenn ich manchmal geschimpft habe, würde ich es wohl wieder tun. Wir hatten hier eigentlich immer ein Klima des Miteinanders. So hatte ich immer auch noch Spaß bei der Arbeit. Ich würde auch anderen empfehlen, zumindest zu Beginn der Laufbahn bei einer kleineren Kommune zu arbeiten.


Zur Person

Christoph Herrmann, 1959 in Köln geboren, studierte an der RWTH Aachen Architektur mit Schwerpunkt Städtebau, sein Diplom machte er bei dem bekannten Architekten Gottfried Böhm. Nach zweijähriger Praxis bei der Stadt Hennef als Sachbearbeiter im Planungsamt absolvierte er auch noch ein Referendariat im Öffentlichen Dienst bei der Bezirksregierung Arnsberg und sammelte Erfahrungen in weiteren Kommunen. Nach dem Zweiten Staatsexamen hatte er viele Angebote von Kommunen und ließ sich vom damaligen Rösrather Gemeindedirektor Wolfgang Forschbach überzeugen, dass sich in einer kleinen Kommune viel mehr bewegen lasse als in einer großen: Im August 1989 stieg er als Amtsleiter bei der damaligen Gemeinde Rösrath ein. Als Fachbereichsleiter und schließlich auch Dezernent war er für Planen, Bauen, Umwelt und Mobilität zuständig. Nach fast 35 Jahren Tätigkeit in der Rösrather Verwaltung geht er Ende Mai in den Ruhestand.