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Tierrettung in RösrathDirk Sindhu hilft verletzten Greifvögeln

Lesezeit 3 Minuten

Behutsam hält Dirk Sindhu den Bussard und untersucht ihn auf Verletzungen.

Bergisch Gladbach/Rösrath – Eigentlich wollte Redaktionssekretärin Claudia Thelen mit ihrem Mann Thomas und Sohn Tobi nur einen kleinen Sonntagsspaziergang zum Papiermuseum und zum Igeler Hof machen und vorbei an der Igeler Mühle wieder zurück nach Hause. Doch dieser kleine Ausflug wurde zum besonderen Erlebnis und führte schließlich bis nach Rösrath. Denn der Hund einer Spaziergängerin vor Familie Thelen stöberte ein verletztes Mäusebussard-Weibchen auf, das apathisch direkt am Wegesrand hockte.

Ein klarer Fall für Dirk Sindhu und seine Bergische Greifvogelhilfe-Station in Rösrath, wusste Claudia Thelen. Und während ihr Mann dem offensichtlich verletzten Tier eine Mütze über den Kopf stülpte, um es gefahrlos aufnehmen zu können, eilte Claudia Thelen nach Hause, um eine Katzen-Transportbox zu holen.

Die Familie fuhr nach Rösrath, wo Dirk Sindhu nach kurzer Untersuchung diagnostizierte, dass der Mäusebussard höchstwahrscheinlich eine Kollision mit einem Auto gehabt habe. „Das ist dann ein Schädel-Hirn-Trauma oder eine Gehirnerschütterung“, erklärt Sindhu, „damit kann der Vogel nicht mehr jagen. Das ist ganz ähnlich wie beim Menschen, mit einer Gehirnerschütterung geht nicht mehr viel.“ Zwei Tage lang bekam der Mäusebussard mehrmals täglich eine Infusion mit Elektrolytlösung und Glukose, nun kann das Tier bereits wieder selbstständig fressen.

Sanfte Hände für den wilden Vogel

Der Bergisch Gladbacher Mäusebussard ist nur einer von vielen Greifvögeln, die zu Dirk Sindhu gebracht werden. Jeden einzelnen Patienten holt der Greifvogel-Spezialist behutsam aus seinem Transportgefäß – mit bloßen Händen. „Handschuhe ziehe ich nie an“, sagt Sindhu, „ich will die Vögel richtig fühlen können.“

Mit einem Griff um die scharfen Klauen sind die Tiere fast wehrlos, mit sanften Händen prüft Sindhu nun die Schwingen, sucht nach Verletzungen, Brüchen, tastet den Rumpf der Vögel ab. Entdeckt er Verletzungen, muss der Tierarzt kommen und das Tier behandeln. Für jeden Vogel gibt es deshalb eine „Krankenakte“, in der Zustand, Auffälligkeiten, Fressverhalten und Behandlung dokumentiert sind.

Über Mangel an Arbeit kann Sindhu, im Hauptberuf Cardiotechniker an der Uni-Klinik Köln, nicht beklagen. Waren es 2019 noch 280 Greifvögel, die in die Station gebracht wurden, stieg die Zahl der „Patienten“ 2020 auf 356, die Kleinvögel nicht mitgerechnet.

Mehr Patienten durch Corona

Und es scheint so weiterzugehen: „Allein heute kommen sechs Tiere“, schildert Sindhu, während er den jüngsten Neuzugang, einen jungen Sperber, mit behutsamen Händen abtastet. „Das hat auch etwas mit Corona zu tun“, sagt der Greifvogelfachmann, der seit 36 Jahren ehrenamtlich im Dienst der Vögel ist. „Die Menschen sind mehr zuhause, gehen öfter spazieren – und dann ist eben nicht so häufig der Fuchs schneller, der sich die verletzten Greifvögel holt.“

Unterstützt vom Greifvogelfachmann Marcus Wahl untersucht Sindhu einen Vogel nach dem anderen und setzt die Tiere danach behutsam in Käfige, wo sie vorerst gepflegt werden. Wenn die Verletzungen ausgeheilt und die Greifvögel nicht mehr unterernährt sind, geht es wieder hinaus in die Natur.

Da nimmt Sindhu diejenigen in die Pflicht, die die Vögel zu ihm gebracht haben: Erwachsene Greifvögel haben ein festes Revier und sollten dort wieder freigelassen werden, wo sie aufgefunden wurden. Das können Sindhu und sein Team bei der Greifvogelhilfe nicht leisten, deshalb bittet Sindhu die, die die Tiere bringen, sie am Fundort wieder auszusetzen. Auch Familie Thelen kann „ihren“ Mäusebussard in etwa zehn Tagen wieder abholen und ihn dort freilassen, wo er gefunden wurde – in der Hoffnung, dass das Tier gesund bleibt und nicht noch einmal mit einem Auto kollidiert. Das ist laut Sindhu nur allzu oft der Fall: „Hier sind gerade fünf Greifvögel, die mit Autos zusammengestoßen sind – wir haben den Lebensraum der Tiere einfach zu stark verändert.“