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Krieg in der UkraineSo helfen die Menschen und Kommunen aus Rhein-Berg

Lesezeit 6 Minuten

Das frühere Haus Eulenthal wird in privater Initiative kurzfristig zur Unterkunft für Geflüchtete hergerichtet.

Rhein-Berg – Eine breite Welle der Hilfsbereitschaft und Initiativen zur Vorbereitung auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine rollt derzeit auch in Rhein-Berg an. Einige Schlaglichter:

In Overath laufen nicht nur die Vorbereitungen der Stadt für eine Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. 20 Frauen und Kinder sind bereits angekommen und mit Hilfe einer privaten Initiative untergekommen. Wolfgang Michels, Unternehmer aus Overath und einer der Geschäftsführer der MH Aggerpark GmbH, hatte gerade das frühere Altenheim im Höhenort Eulenthal gekauft und mit den Umbauarbeiten für eine Wohngemeinschaft für Senioren begonnen, da erfuhr er von Trockenbauern, die für ihn tätig sind, dass deren Familien bereits auf der Flucht nach Overath seien. „Wir haben sofort den Umbau gestoppt und zum Beispiel die Bäder wieder hergerichtet“, erzählt Michels. Gemeinsam mit der Stadt, Unterstützung von der Humanitären Hilfe Overath, der Schülerhilfe, der Mobilen Krankenpflege Overath, des Deutschen Roten Kreuzes und des örtlichen „Hit“-Markts werde er das Gebäude erstmal kostenlos als Unterkunft zur Verfügung stellen, so Michels. „Bis zu 50 Menschen können wir hier unterbringen“, schätzt er.

Erste Hilfsgüter, Geldspenden soll in Overath die Stadt koordinieren

Wie andere Kommunen hat auch die Stadt Overath noch keine Informationen vom Land über eine Zuweisung von Geflüchteten, wie Beigeordneter Bernd Sassenhof auf Nachfrage mitteilt. Aber: „Die Hilfsbereitschaft ist jedenfalls groß“, freut sich der Beigeordnete, „dafür bin ich sehr dankbar.“ Auch Norbert Kuhl, der sich ja auch durch seine Hilfskonvois mit der Humanitären Hilfe Overath sehr stark engagiert habe, suche bereits nach Möbeln, um Unterkünfte passend auszustatten, so Sassenhof. Die Stadt selbst habe Betten, die in der vergangenen Flüchtlingskrise ab 2015 gebraucht wurden, wieder aus dem Container geholt und dafür neue Matratzen bestellt. Darüber hinaus stehe die Stadtverwaltung in engem Kontakt mit dem Deutschen Roten Kreuz in Overath, und auch das Ordnungsamt beteilige sich stark an den Vorbereitungen für eine Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine. (jer, wg)

Aus dem ehemaligen Seniorenheim macht Wolfgang Michels (3.v.r.) mit seinen Mitstreitern von der MH Aggerpark GmbH und zahlreichen Unterstützern eine Notunterkunft.

Die Stadt Rösrath bereitet sich ebenfalls auf die Ankunft ukrainischer Flüchtlinge vor. „Das Kriegsgeschehen in der Ukraine nimmt auch uns als Stadtverwaltung sehr mit“, sagt Rösraths Bürgermeisterin Bondina Schulze (Grüne), „daher ist es für uns selbstverständlich, dass wir den Menschen, die kommen, helfen und ihnen eine angemessene Unterbringung bieten.“ Ob und wann das Land NRW der Stadt geflüchtete Menschen aus der Ukraine zuweist, ist offen. Doch die Stadt will sich „intensiv“ auf eine Aufnahme von Geflüchteten vorbereiten, wie es in einer Pressemitteilung heißt. „Wir können zum Glück auf die Erfahrungen von 2015 zurückgreifen, als die Hilfesuchenden überwiegend aus Syrien und Afghanistan zu uns kamen“, sagt der Beigeordnete Ulrich Kowalewski. „Wenn die Menschen aus den Kriegsgebieten hier in Rösrath ankommen, stehen wir bereit.“ Unterdessen klärt die Stadt, wo sie Geflüchtete unterbringen kann. „Geeignete Räumlichkeiten“ im Stadtzentrum habe sie bereits „im Blick“. Zu ehrenamtlicher Unterstützung werde sie „zum gegebenen Zeitpunkt“ aufrufen. (tr)

Odenthal: Vorbereitungen auf den Notfall

In Kürten gibt es bereits einige private Angebote für die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge. Die Initiative Fluchtpunkt und die Gemeinde Kürten bitten dringend um weitere Angebote, die Verwaltung sammelt unter (02268) 93 93 09. In den Gemeinschaftsunterkünften sind derzeit 78 Plätze frei, aber nicht in Gänze für die Unterbringung von auf der Flucht befindlichen alleinstehenden Frauen mit Kindern geeignet; überwiegend Männer leben in den Unterkünften. „Derzeit werden sämtliche öffentlichen Gebäude für die Unterbringung geprüft, sagt Kämmerer Willi Hembach. Er nennt beispielhaft das Bürgerhaus Kürten, die Alte Schule Eichhof und die Schulturnhallen. Kürten verfügt nur über angemietete Häuser und Wohnungen, eigene Unterkünfte gibt es nicht. „Wir hoffen sehr, dass wir allen Hilfesuchenden geeignete Unterbringungsmöglichkeiten mit möglichst guter Verpflegung bieten können“, sagt Hembach. Aus der Politik gibt es einen gemeinsamen Antrag von CDU, Grünen, FDP und SPD, dass Bürgermeister Heider das Heft des Handels ergreifen solle. Die Freien Wähler haben eine Antikriegsresolution in den Rat eingebracht. (cbt)

Auch in Odenthal laufen erste Vorbereitungen für den Notfall, wenn auch noch kein akuter Handlungsbedarf bestehe, so Claudia Kruse, Integrationsbeauftragte der Gemeinde. „Wir wissen noch nicht, welche Regelungen die Spitzenverbände hinsichtlich der Aufnahme treffen“, sagte sie. Das müsse man noch abwarten. Gleichzeitig versuche man, gemeinsam mit Ukrainern, die bereits längere Zeit in Odenthal und im Umland leben, ein Hilfsnetzwerk aufzubauen. Obwohl die Spendenbereitschaft der Menschen groß sei, sei jetzt kein „blinder Aktionismus“ gefragt, sondern der Aufbau von Strukturen, meinte die Integrationsbeauftragte. Werde gesetzlich geregelt, dass die Flüchtlinge, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, keiner Wohnsitzverpflichtung unterliegen, also nicht bestimmten Orten „zugeteilt“ werden, dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Ankömmlinge Verwandte oder Freunde als erste Anlaufstelle nutzten. In Deutschland seien immerhin schätzungsweise rund 100.000 ukrainische Familien ansässig. Es sei daher noch unklar, ob eine Unterbringung in den Notunterkünften der Gemeinde nötig werde. Die seien allerdings momentan bereits schon zu 95 Prozent belegt, so Kruse. Zuletzt hatte man Am Steinhauser Busch Platz schaffen müssen für Familien von afghanischen Ortskräften. Auch die Kirchen bereiten sich vor. „Wir stehen in den Startlöchern“, sagte Thomas Taxacher, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde. „Die Netzwerke von 2015 funktionieren.“ (spe)

Bergisch Gladbach: Nataliya Alexeeva organisiert Busse

In Bergisch Gladbach hatte wie berichtet bereits die Evangelische Gemeinde der Gnadenkirche Unterkünfte für Geflüchtete angeboten. Der Verein „Himmel un Ääd“ mit Sitz im Stadtteil Schildgen und die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach haben angekündigt zusammenzuarbeiten. Die Flüchtlingsinitiative „Herwi“, kurz für „Herzlich willkommen“, hat Bürgermeister Frank Stein ebenfalls ihre Unterstützung angeboten: „Wir können helfen, die Menschen zu betreuen und zu begleiten“, sagt Klaus Farber. Ehrenamtliche Sprachkurse wie zur Gründung der Initiative 2015 werden allerdings inzwischen nicht mehr angeboten. Aber die Initiative veranstaltet zum Beispiel regelmäßig ein Café, wo Geflüchtete zusammen kommen und sich austauschen.

In Bergisch Gladbach wird an einer zentralen Koordinierungsstelle gearbeitet. Derzeit läuft noch alles über das Pressebüro. Insbesondere Angebote von privaten Unterkünften werden dort gesammelt, um schnell reagieren zu können. Noch gibt es keine zentral gesteuerte Verteilung der Flüchtlinge.

Nataliya Alexeeva und ihr Lebenspartner Dustin Timm organisieren von Bergisch Gladbach aus Busse, die von der ukrainischen Grenze ins Rheinland fahren. Ein erster Bus wurde nach Düsseldorf gelenkt. Timm: „Dort gibt es bereits eine Infrastruktur für die Aufnahme.“ Wahrscheinlich am kommenden Freitag wird aber ein Bus auch in Bergisch Gladbach ankommen. Timm geht im Augenblick davon aus, dass es etwa 20 Angebote von Gladbacher Hauseigentümern für Flüchtlinge gibt.

„Von der Hilfsbereitschaft überrollt worden“

Timm berichtet, dass die Hilfsaktion sehr spontan entstand. Seine Frau habe lange in der Ukraine gelebt und noch viele Verwandte lebten dort. „Wir haben Spenden gesammelt – und sind dann von der Hilfsbereitschaft fast überrollt worden.“ Es hätte alles schnell eine Eigendynamik entwickelt. „Und jetzt sind wir praktisch rund um die Uhr mit der Organisation der Busfahrten beschäftigt.“ Auf Dauer sei das sicher keine Lösung – „aber wer weiß schon, wie es weitergeht“. (nie, ub)

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Der Rheinisch-Bergische Kreis hat bereits Ende vergangener Woche eine Abfrage des Landkreistags an die Kommunen nach möglichen Hilfskapazitäten koordiniert. „Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister arbeiten da eng mit dem Kreis zusammen“, freut sich Landrat Stephan Santelmann. 154 freie Plätze seien bereits gemeldet, weitere Rückmeldungen stünden noch aus, und bei Bedarf könne dynamisch auf die Lage reagiert werden, sagt Kreissprecherin Birgit Bär auf Anfrage. „Wer Hilfe benötigt, dem wird auch geholfen werden“, so Bär. „Die Hilfsbereitschaft auch vieler Organisationen, Vereine und Initiativen ist sehr groß.“ (wg)