Zerstörungen in WohngebietenWildschweine erobern die Gärten in Rhein-Berg
Rhein-Berg – Was für eine Schweinerei: Die Wildschweine haben sich in den vergangenen Jahren so stark vermehrt, dass Behörden und Jäger zuweilen mit ihrem Latein am Ende scheinen und nun ganz neue Wege testen. So dürfen in Rheinland-Pfalz die Waidmänner ab sofort mit Taschenlampen auf die nächtliche Jagd gehen, und die Landesregierung versucht, mit Prämien die Abschussquoten zu erhöhen: Sie übernimmt die Kosten von zehn Euro für die vorgeschriebene Parasitenuntersuchung der Tiere für die Jäger, die Frischlinge erlegen, bis zu einer Gesamthöhe von 50 000 Euro.
Kreisveterinär Dr. Thomas Mönig begrüßt die Aktion: „Um gemeinsam darauf hinzuwirken, die überdurchschnittlich hohe Wildschweinpopulation auf ein normales Maß zu reduzieren, bitte ich die Jäger um Mithilfe und rufe sie dazu auf, sich an dem Projekt zu beteiligen und intensiv auf Frischlinge zu jagen.“ Im Kreisgebiet haben sich laut Kreisverwaltung in den vergangenen Monaten die Zerstörungen durch Wildschweine weiter erhöht. „Wir haben fast täglich Anrufe wegen Schäden, die von Wildschweinen in Gärten und auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen angerichtet werden“, sagt Mönig.
Grundstück von einer Wildschweinrotte umgepflügt
Die Bergisch Gladbacherin Renate Nasser kann ein Lied davon singen: Ihr 4000 Quadratmeter großes Grundstück am Schlodderdicher Weg ist vergangene Woche von einer Wildschweinrotte heimgesucht und umgepflügt worden. „Wir wohnen seit über 30 Jahren hier. So etwas ist noch nie passiert“, sagt Renate Nasser. Der Jäger sei zwar hilfsbereit, er habe ihr aber auch mitgeteilt, dass der Zaun um ihr Grundstück „nicht wildgerecht“ sei. Was Renate Nasser ärgert: Behördliche Auflagen und Verbote verhinderten, dass ihre Wohnumgebung an der Stadtgrenze von Gladbach und Köln effektiv bejagt werden könne.
Dass sich die Situation erheblich verschärft hat, ist aktenkundig. Zwar liegt dem Kreis nach Angaben von Vize-Sprecherin Hannah Weisgerber keine eigene Schadensstatistik vor, und es gibt auch keine Volkszählung für Wildtiere, doch stützen andere Zahlen diesen Eindruck. Weisgerber: „Wurden bis in die 80er-Jahre in NRW noch weniger als 5000 Wildschweine jährlich geschossen, hat sich die Zahl jetzt auf 20- bis 45 000 Tiere erhöht.“
Dennoch wachsen die Schäden. Auch die amtliche Statistik zur Zahl der in den vergangenen 20 Jahren in Rhein-Berg erlegten Wildschweine unterstreicht diesen Eindruck: Zwar wechseln sich immer wieder Mast- und Hungerjahre für das Borstenvieh ab, in deren Folge auch die Abschusszahlen schwanken, aber insgesamt geht der Trend nach oben.
Vier Gründe für die starke Vermehrung
Auf Nachfrage nennt die Kreissprecherin vier Gründe für die starke Vermehrung der Wildschweine. Dazu gehören sowohl der „Klimawandel mit kürzeren und weniger starken Wintern“ als auch das geänderte Nahrungsangebot, etwa durch Maisanbau. Zudem sind die Tiere ausgesprochen schlau und suchen sich siedlungsnahe Gebieten, in denen nicht gejagt wird beziehungsweise die Jagd deutlich erschwert ist. Schließlich nennt der Kreis eine „hohe Reproduktionsrate in Verbindung mit im Verhältnis zu geringer Bejagung“.
Für die Behörden erhöht sich der Handlungsdruck nicht nur wegen der Schäden in der Landwirtschaft und an den Siedlungsrändern. Sorgen macht den Behörden vielmehr auch die Gefahr, dass die Afrikanische Schweinepest nach Deutschland eingeschleppt wird.
Dabei handelt es sich um eine für den Menschen ungefährliche, für Haus- und Wildschweine aber sehr gefährliche Tierseuche. Die hohe Wildschweinpopulation in NRW würde nach Einschätzung der Kreisverwaltung einer weiteren Ausbreitung der Tierseuche Vorschub leisten. Vor kurzem erst sei sie erstmalig in Tschechien und Rumänien festgestellt worden.
Ein Ausbruch unter heimischen Wildschweinen hätte für die Halter von Hausschweinen und die Fleischwirtschaft verheerende Auswirkungen. Bisher gibt es keinen Impfstoff. Weisgerber: „In Sachen Afrikanische Schweinepest ist man im Rheinisch-Bergischen Kreis sehr sensibel, da es hier 2009 den Ausbruch der klassischen Schweinepest gab. Diese wurde mit vielen Mühen und mehrjährigem Aufwand zum Erlöschen gebracht. Daher betrachten wir das Thema jetzt sehr genau und unterstützen Maßnahmen, die zu einer Eindämmung der Population führen.“
Die Untere Jagdbehörde hatte bereits im Frühjahr Jagdpächter und Landwirte zu einer Besprechung eingeladen. Um Schäden einzudämmen, sollte nicht nur mehr auf die Tiere geschossen, sondern auch versucht werden, die Schwarzkittel durch plötzlich einsetzende laute Musik oder Lichtblitze zu vertreiben.
Indes hat das Disco-Programm bislang offensichtlich nicht gefruchtet. Und eine Taschenlampen-Jagd wie in Rheinland-Pfalz ist laut Hannah Weisgerber in Nordrhein-Westfalen nicht erlaubt.