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26 Minuten pro TagBeinamputierter Brüggener beantragte vergeblich Pflegestufe eins

Lesezeit 3 Minuten

Beide Beine von Rolf Müller sind amputiert. Er soll aber kein Pflegegeld bekommen, wie ihm die DAK bescheinigt hat.

Rhein-Erft-Kreis/Brüggen – Das Thema Pflege ist im Bundestagswahlkampf angekommen. Dabei geht es um die Qualität der Pflege und um die Belastung des Pflegepersonals: Doch stellt sich auch die Frage, wann jemand eine Pflegeleistung erhält, wie der Fall von Rolf Müller aus Kerpen-Brüggen zeigt.

Dem 68-Jährigen ist 2015 das linke Bein amputiert worden, 2016 folgte das rechte. Er hat Arthritis, Gürtelrose und Psychosen, sein Blasenkrebs soll geheilt sein. Nach zahlreichen Operationen hätten ihn Phantomschmerzen geplagt, sagt Müller, der allein lebt. „Ich bin auf Hilfe angewiesen.“ Doch sein Antrag auf Pflegeleistungen für die Stufe 1 ist gerade von der DAK Gesundheit abgelehnt worden. Eine „erhebliche Pflegebedürftigkeit“ liege nicht vor, heißt es in deren Bescheid.

Müller: „Ich habe 52 Jahre durchgehend gearbeitet, als Elektriker, Kraftfahrer und Chemikant. Ich war keinen Tag arbeitslos, habe 30 Jahre Wechselschicht geleistet und viele Überstunden.“ Jetzt beziehe er eine Altersrente von 2460 Euro, von denen er 1300 Euro an seine Frau abgeheben müsse, von der er seit zwei Jahren getrennt lebe. Die Ehefrau habe kaum eigene Rentenansprüche erworben.

Nun lebt Müller für 490 Euro in einer Parterrewohnung in den Wohnblocks an der Eifelstraße in Brüggen. „Ich brauche Hilfe, um rauszukommen, weil der Eingang ein paar Treppenstufen hat. Ich habe Schwierigkeiten, mich zu waschen, zur Toilette zu gehen, einzukaufen und mich zu versorgen.“

Keine Rampe vom Balkon

Gern würde er vom Balkon eine Rampe nach draußen legen, damit er leichter vor die Tür komme. Der Vermieter wäre damit einverstanden, bezahlen soll Müller aber selbst. „Dafür habe ich kein Geld.“

Ende 2016 beantragte Müller Pflegeleistungen. Die DAK beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK), den Hilfebedarf festzustellen. Dieser befand, dass Müller nur einen Hilfebedarf von 26 Minuten täglich habe: 16 Minuten für die Körperpflege, neun Minuten für die Mobilität, null Minuten für die Ernährung. Die zeitlichen Voraussetzungen für Pflegeleistungen der Stufe 1 lägen aber bei „mehr als 45 Minuten täglich für die Grundpflege“, heißt es im Bescheid. Nicht die Art und Schwere einer Erkrankung sei maßgebend, sondern „allein der aus den Funktionseinschränkungen resultierende Hilfebedarf bei den gesetzlich definierten Verrichtungen der Grundpflege“. Müller ist verzweifelt. Jetzt bleibe er auf Hilfe der Nachbarn angewiesen.

Zu dem konkreten Fall kann die DAK aus Gründen des Datenschutzes nichts sagen. Generell sei es so, dass man sich als Krankenkasse bei der Bewilligung von Pflegeleistungen auf die Gutachten des Medizinischen Dienstes verlassen müsse. Da dieser für alle Krankenkassen arbeite, gebe es keine Unterschiede in der Bewilligungspraxis, sagt Rainer Lange von der DAK-Landesvertretung. Der MDK arbeite nach gesetzlichen Vorgaben, um die Zeitkontingente für die Pflegebedürftigkeit zu ermitteln. Müller bleibe jetzt nur noch eines: Entweder gegen den Bescheid der Krankenkasse zu klagen oder einen neuen Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen: Dann gebe es eine neue Untersuchung. „Der Gesundheitszustand kann sich ja auch ändern.“

Pflegegeld und Pflegesachleistung

Pflegebedürftige, die von der Krankenkasse anerkannt sind und zu Hause leben, können entweder Pflegegeld oder Pflegesachleistungen beantragen. Mit dem Pflegegeld werden Dienstleistungen durch Verwandte oder Bekannte vergütet.

Pflegesachleistungen müssen durch professionelle Dienste erbracht werden. Für die Höhe des Pflegegeldes und der Pflegedienstleistung ist entscheidend, welche Pflegestufe vom Medizinischen Dienst zugewiesen wird.