Für StraffälligeTüfteln und schrauben statt Arrest

Vertreter von ASH, Stadt und Staatsanwaltschaft feierten das fünfjährige Bestehen der Fahrradwerkstatt.
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Bergheim-Zieverich – Gut gelaunt und engagiert entrostet Kaspar mit der Drahtbürste eine Fahrradnabe. Der 18-Jährige ist ohne Führerschein Auto gefahren und hat dafür von der Staatsanwältin 36 Sozialstunden aufgebrummt bekommen. Die leistet er in der Fahrradwerkstatt der Verein ASH Sprungbrett am Zievericher Dorfplatz ab, die jetzt ihr fünfjähriges Bestehen feiert.
„Rund 5000 Werkstattstunden wurden seitdem von etwa 250 Jugendlichen und jungen Erwachsenen geleistet“, wie der Bergheimer Sozialdezernent Matthias Esser resümiert. Unter Anleitung von ASH-Werkpädagoge Uwe Schiefer setzen die Heranwachsenden Fahrräder instand, die in Fundbüros nicht abgeholt wurden. Wieder verkehrstüchtig gemacht, werden die Zweiräder bedürftigen Menschen zur Verfügung gestellt, beschreibt ASH-Geschäftsführer Julian Beywl den Ablauf.
Für straffällig gewordene Menschen
Zustande kam das Projekt für straffällig gewordene junge Menschen – über 90 Prozent sind männlich – 2014 in Zusammenarbeit zwischen dem damaligen Staatsanwalt Christof Degenhardt und den Mitarbeitern der städtischen Jugendgerichtshilfe. Statt eine andere Strafe zu verbüßen, sollen sie dort nach zeitnah gefällten Urteilen Sozialstunden ableisten. Zeitnah, damit Tat und Ahndung für die Bestraften möglichst spürbar in Zusammenhang gebracht werden.
ASH hat damals die Räume für die Fahrradwerkstatt angemietet. Die Miete und Materialkosten werden aus Bußgeldern aufgebracht, die das Gericht aus anderen Fällen der ASH zuweist. Von Anfang an dabei ist auch Uwe Schiefer. Unter seiner Anleitung werkeln bis zu zehn Jugendliche und jungen Erwachsenen jeden Samstag ab 10 Uhr in der Werkstatt. „Ich versuche auf die Menschen einzugehen, und offenbar gelingt mir das auch. Die Heranwachsenden sind zwar nicht immer mit Feuereifer dabei, aber wir hatten früher ja auch Flausen im Kopf“, zeigt Schiefer Verständnis, während er eine Felge neu bereift. Wichtig sei, dass er nicht kommandiere, sondern mitarbeite. „Das spornt an und fördert das Interesse.“
„Es geraten nur wenige wieder mit dem Gesetz in Konflikt“
„Die präventive Arbeit ist zielführend“, befindet Beywl. Das bestätigt auch die Kölner Staatsanwältin Nadja Gaus, die für Bergheim, Bedburg, Elsdorf und Pulheim zuständig ist. „Es geraten nur wenige wieder mit dem Gesetz in Konflikt“, lautet ihr Fazit. Natürlich gebe es „Stammkunden“, aber die Resozialisierung in der Werkstatt sei schon besser, als die Jugendlichen nach einer Straftat oder groben Ordnungswidrigkeit in Arrest zu stecken, ist sie überzeugt. Meist handele es sich um Fälle von Ladendiebstahl oder einfacher Körperverletzung. „Die Klientel geht quer durch alle Gesellschaftsschichten“, ergänzt sie.

Werkpädagoge Uwe Schiefer ist die Seele der Werkstatt und motiviert die Jugendlichen.
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Kaspar lobt die lockere Stimmung. Ihm ist bewusst, was er ausgefressen hat. Er hat das Auto seiner Eltern entwendet, um seine Freundin nach Hause zu fahren, und wurde auf frischer Tat von der Polizei ertappt. Jetzt darf er neben den Sozialstunden erst in eineinhalb Jahren den Führerschein machen, obwohl er bereits in einer Fahrschule mit den Vorbereitungen begonnen hatte. „Das habe ich mir versemmelt“, zeigt er sich einsichtig.
Manche kommen auch freiwillig
Jason (16) ist, wie er sagt, „noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten“. Er kommt seit Jahren freiwillig fast jeden Samstag in die Werkstatt. „Ich mag es, zu schrauben und was zu lernen“, sagt er. Und auch einige derer, die Sozialstunden geleistet hätten, kämen später gelegentlich mal vorbei, erzählt Beywl. Gar 50 Stunden muss Alexander (14) ableisten, nachdem er wiederholt beim Ladendiebstahl erwischt wurde. „Das ist besser, als im Tierheim Käfige auszumisten“, findet er. Und: „Vorher konnte ich kein Rad flicken, heute mache ich das auch für Freunde. Das macht mir Spaß, obwohl die Vorgeschichte natürlich Mist ist.“
„Hier können die Jugendlichen sinnvoll etwas zurückgeben“, findet auch Dezernent Esser.