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Holocaust-Überlebende Tamar DreifussGeschichte aus erster Hand

Lesezeit 3 Minuten

Dem Mut und dem unbändigen Überlebenswillen ihrer Mutter verdankt es Tamar Dreifuss, dass sie den Holocaust überlebt hat.

Bergheim – Tamar Dreifuss braucht nicht laut zu reden. Die mehr als hundert Schüler hören auch so aufmerksam zu. Denn was die 76-Jährige zu erzählen hat, ist packend, spannend und berührend. Es ist Geschichte aus erster Hand. Es ist die Geschichte einer Holocaust-Überlebenden.

Tamar Dreifuss war ein Jahr alt, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, und sieben Jahre, als er endete. „Obwohl ich ein kleines Kind war, habe ich noch viele Erinnerungen an die Zeit“, sagt die Jüdin, die der Liebe wegen heute in Pulheim lebt. Wenn sie in Schulen von den Ereignissen damals berichtet, stützt sie sich in der Regel auf die Schilderungen ihrer Mutter: Jetta Schapiro-Rosenzweig hat die Geschichte ihres wundersamen Überlebens niedergeschrieben in dem Buch „Sag niemals, das ist dein letzter Weg“.

„Wir waren froh, wenn jemand starb“

„Das war das Motto meiner Mutter, danach hat sie gelebt“, sagt Tamar Dreifuss. Und diese Haltung sei es auch gewesen, die ihrer Muter und ihr das Leben gerettet habe. Die Familie lebte in Wilna in Litauen und erfuhr die Gräuel durch die Nazis am eigenen Leib. Sie selbst musste als kleines Mädchen die Familie verlassen und wurde bei einer Tante versteckt, ihre Mutter und andere Verwandte fanden Zuflucht in einem Nonnenkloster.

Doch als die Nazis das Kloster auflösten, landete die Familie schließlich doch noch im Ghetto von Wilna. Tamar Dreifuss’ Großeltern waren Opfer der Massenerschießungen in Ponar, wo rund 100 000 Menschen ermordet wurden, ihr Vater starb in einem Konzentrationslager. Sie und ihre Mutter wurden schließlich mit dem Zug deportiert. „Man hat uns in Viehwaggons gepfercht“, erinnert sich die 76-Jährige. Die Zustände während der tagelangen Reise in Richtung eines Konzentrationslagers, irgendwo in Estland, seien kaum vorstellbar. „Wir waren froh, wenn jemand starb und er aus dem Zug geworfen wurde. Dann war für die Überlebenden mehr Platz.“

Aus dem Lager spaziert

Im Lager angekommen, mussten die Häftlinge duschen – danach jedoch stürzte sich ihre Mutter auf den Wäscheberg, zog sich ein schickes Kostüm und ihrer Tochter ein Kleid an. „Den gelben Judenstern hat sie abgerissen“, sagt Tamar Dreifuss.

Und dann sei ihre Mutter mit ihr an der Hand einfach aus dem Lager gegangen. „Aufrecht, sie sah nicht aus wie eine Gefangene. Vermutlich konnten wir deswegen überall passieren. Wir waren wahrscheinlich die einzigen Überlebenden von all den vielen Tausenden, die dort mit dem Zug ankamen.“ Mit ihren Russischkenntnissen habe sich die Mutter dann bis zum Kriegsende bei Bauern durchgeschlagen.

Tamara Dreifuss zeigt Fotos. Vom Haus, in dem sie gelebt hat, vom Kloster, in dem ihre Familie versteckt wurde, vom Ghetto in Wilna. Die Schüler, zumeist aus der Oberstufe, schauen und hören gebannt zu. Aber es sind auch jüngere Gymnasiasten da, ab Stufe 6. „Ich erzähle meine Geschichte sogar in Grundschulen“, sagt Tamar Dreifuss.

Die Kinder wollten die Geschichten hören. Auch am Gutenberg-Gymnasium war das Interesse groß. „Wir mussten rund 40 Schüler aus Platzgründen wegschicken“, sagt Schulpfarrerin Simone Semmelmann-Werner, die die Lesung organisiert hatte.