Tierheim schlägt AlarmImmer mehr illegal verkaufte und todkranke Welpen in Rhein-Erft
Bergheim – Sylvia Hemmerling wird deutlich: „Das Ganze geht auf Kosten der Tiere.“ Hemmerling ist beim Bergheimer Tierheim für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und macht auf ein Problem aufmerksam: In den vergangenen Wochen habe das Kreisveterinäramt zunehmend Welpen aus dubiosen und meist illegalen Verkäufen beschlagnahmt, die meist nicht geimpft und krank gewesen seien. Oft seien Impfpässe gefälscht, was die Käufer nicht erkennen könnten.
„Seit Beginn des Lockdowns steigt bei der Bevölkerung der Wunsch nach Hunden wie nie zuvor“, sagt Hemmerling. Und der Welpenhandel online boome. Nur rufe das Händler auf den Plan, die nur auf den Profit aus seien und keine Rücksicht darauf nähmen, dass sie möglicherweise ein todkrankes Tier verkauften. Hemmerling berichtet von Kofferraumverkäufen oder Deals in Privatwohnungen, bei denen das Kreisveterinäramt eingeschritten sei.
13 Welpen aus illegalen Verkäufen im Bergheimer Tierheim
Im Bergheimer Tierheim gebe es derzeit 13 Welpen, alle seien aus fragwürdigen und illegalen Verkäufen hervorgegangen. „Einige dieser Hunde sind parvovirose positiv“, berichtet sie. Parvovirose ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die durch das Canine Parvovirus verursacht wird und tödlich enden kann.
Im Tierheim müssten die infizierten Tiere streng isoliert und unter Quarantänebedingungen im Vollschutz versorgt werden, führt Sylvia Hemmerling aus. „Erst vor Kurzem ist ein kleiner Welpe trotz intensiver Behandlung in der Tierklinik verstorben.“ Ihm war auch mit einer Blutplasmaspende nicht mehr zu helfen. Das sei auch für die Mitarbeiter schlimm. „Sie schauen jeden Morgen nach, ob nicht ein Welpe gestorben ist.“ In den sozialen Medien hat Hemmerling das Thema bereits publik gemacht, mit besonders viel Zuspruch von Tierärzten.
Welpen stehen eigentlich unter Tollwutquarantäne
Hemmerling erklärt, dass die meisten dieser Welpen aus dem Ausland kämen. Dann stünden sie in jedem Fall unter zusätzlicher Tollwutquarantäne. Aber „die angegebenen Impfungen stimmen selten mit dem Alter des Hundes überein“, sagt sie. Ein Hund, der in die EU komme, müsse mindestens 16 Wochen alt sein. Weil sie sich aber besser verkaufen ließen, seien viele Welpen weitaus jünger. In den Zuchtstätten verursachten sie so keine weiteren Kosten mehr.
Ein weiteres Problem: „Die Tollwutquarantäne bedeutet über viele Wochen die Unterbringung in der Isolierstation, bis die Tiere durchgeimpft sind. Alle Welpen verpassen so grundlegende Erfahrungen in der wichtigen Prägephase ihres jungen Lebens“, erklärt die Tierheimmitarbeiterin.
Bergheimer Tierheim ist am Rand seiner Kapazitäten
Neben den Folgen für die Tiere und den Belastungen für die Mitarbeiter bringt die Situation das Tierheim an den Rand seiner Kapazitäten, auch finanziell. Ein Hund, der auf der Isolierstation versorgt wird, kostet inklusive Isolierschutz und Einmal-Schutzkleidung für den Mitarbeiter 200 Euro am Tag. „Wenn es so weitergeht, wissen wir absehbar nicht mehr, wo wir all diese Tiere unterbringen und wie wir die intensive medizinische Versorgung der Welpen gewährleisten können.“
Auch das Kreisveterinäramt warnt vor dem Kauf von Tieren aus nicht eindeutig seriösem Handel. Der Tierhandel erlebe gerade in Zeiten der Kontaktarmut in der Pandemie einen großen Aufschwung.
Ebay und Co: Welpen werden auf der Straße verkauft
„Aufgrund der derzeit hohen Nachfrage gelingt es Händlern immer wieder, Tiere aus dem Kofferraum oder auf der Straße zu verkaufen.“ Viele dieser Käufe endeten dann mit großer Enttäuschung und hohen Folgekosten, schlimmstenfalls mit dem schnellen Tod der jungen Hunde oder langwierigen Tierarztbehandlungen. Weil Papiere wie Kaufverträge fehlten, seien Strafanzeigen zwecklos, heißt es aus dem Kreishaus. Das Veterinäramt warnt davor, Tiere aus dem Internet oder auf der Straße ohne Vertrag, Herkunftsnachweis und ohne die Möglichkeit, das Tier und den Züchter kennenzulernen, zu kaufen.
„Häufig stammen die Tiere von sogenannten Vermehrern, bei denen die Elterntiere unter extrem tierschutzwidrigen Bedingungen gehalten werden.“ Die Tiere seien oft krank und zu früh von der Mutter getrennt worden. Hunde und Katzen, die ohne gültigen Tollwutschutz aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden, könnten zudem vom Veterinäramt beschlagnahmt werden. „Das Veterinäramt empfiehlt daher Personen, die ernsthaft über die Anschaffung eines Tieres nachdenken, sich an Tierheime oder Züchter zu wenden, die gerne geeignete Tiere in gute Hände vermitteln“, teilt die Kreisverwaltung mit.
Der Ordnungsdezernent des Rhein-Erft-Kreises, Martin Gawrisch, macht auf einen weiteren Aspekt aufmerksam, der bei der Anschaffung eines Tieres zu berücksichtigen ist: „Letztlich muss in der momentanen Ausnahmesituation auch die Frage beantwortet werden, wie das Tier versorgt werden kann, wenn der Lockdown vorbei ist und die Familie wieder regulär ins Büro und in die Schule gehen muss.“
Tierschutzbund befürchtet volle Heime nach der Pandemie
Der Deutsche Tierschutzbund fürchtet eine Welle von Abgaben von Haustieren, sobald der „coronabedingte Haustierboom“ vorbei ist. Laut einer Erhebung des Industrieverbands Heimtierbedarf und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands lebten im vergangenen Jahr fast eine Million Haustiere mehr in deutschen Haushalten als 2019, teilt der Tierschutzbund mit.
„Viele Menschen haben die Corona-Krise genutzt, um ihren lang gehegten Traum nach einem Tier endlich in die Tat umzusetzen“, sagt Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Er mahnt aber: „Die Anschaffung eines Tieres muss gut durchdacht sein.“ Der Tierschützer befürchtet nämlich, dass viele neue Gefährten zurückgegeben werden könnten, wenn die Menschen wieder ihren Hobbys nachgehen können oder in den Urlaub fahren: „Sich ein Tier ausschließlich aus Langeweile, Einsamkeit oder als Beschäftigungsmaßnahme zuzulegen, ist keine gute Idee.“
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Der Tierschutzbund weist auch auf die finanziell schlechte Lage der Tierheime hin. „Weil Veranstaltungen und Feste in den Tierheimen seit Beginn der Corona-Krise ausfallen und damit wichtige Einnahmequellen wegbrechen, stehen viele Tierheime derzeit finanziell schlecht da“, heißt es. Dadurch müssten zum Beispiel lange geplante Ausbauten verschoben werden. Wegen der massiven Nachfrage und des boomenden illegalen Handels hätten die Tierheim ohnehin schon viel zu tun. „Eine Abgabewelle nach der Pandemie könnte viele an ihre Kapazitäts- und Leistungsgrenze bringen.“