Stadtverwaltung will auf der Kölnstraße und auf dem Belvedere kulturelle Veranstaltungen anbieten. Das ist nicht nur in Teilen der Politik umstritten.
Autos raus aus der StadtGeschäftsleute kritisieren Sperrung von Brühls beliebtestem Parkplatz
Mit Gegenwind dürften die Vertreter der Verwaltung gerechnet haben, als sie den Mitgliedern der Wepag nach deren Hauptversammlung die Pläne für die Aktion „Brühl macht Platz“ erläuterten. Und dieser Gegenwind setzte ein. Die Idee, Belvedere und Kölnstraße im Spätsommer für rund fünf Wochen nicht in erster Linie als Autostraße und Parkplatz zu nutzen, schürt bei Händlern, Gastronomen, Hoteliers und anderen Dienstleistern Ärger und die Sorge vor Umsatzeinbußen.
Jani Petropoulos, Betreiber der Gaststätte „Em Höttche“, brachte die Kritik auf den Punkt: „Die Innenstadt lebt von Traffic. Das wird nicht funktionieren.“ Mit anderen Worten: der Verkehr muss rollen und der 223 Stellplätze umfassende, mutmaßlich beliebteste Parkplatz der Stadt zur Verfügung stehen, damit Menschen in großer Zahl in die City kommen, um dort einzukaufen, auszugehen oder Ärzte aufzusuchen.
6000 Fahrzeuge täglich sind für Bürgermeister Freytag ein Ärgernis
Die Verwaltung um Bürgermeister Dieter Freytag und den Technischen Beigeordneten Ralf Ritter sieht in jenem „Traffic“ aber nicht nur den Puls der Stadt, sondern auch ein dauerhaftes Ärgernis. 6000 Fahrzeuge passieren Tag für Tag die schmale Kölnstraße. „Es gibt keinen Vor-Ort-Termin ohne Klagen darüber“, sagte Freytag. Früher sei die nördliche Kölnstraße eine 1a-Lage für den Handel gewesen, das sei vorbei.
Man müsse das Problem in den Fokus nehmen, Ideen entwickeln, um die Straße besser zu präsentieren. „Und das geht nur, wenn wir den Störfaktor Verkehr zeitweilig herausnehmen.“ Henning Korte sprang ihm bei. „Die Kölnstraße leidet unter dem Verkehr, sie profitiert aber nicht“, erklärte der Leiter der Abteilung Verkehr. Geschwindigkeitsmessungen hätten ergeben, dass 95 Prozent der Autofahrer dort zu schnell unterwegs seien. Zum Parken gebe es mit der Aachener-Tiefgarage (ehemals Kaufhof), am Bahnhof, auf der Giesler-Galerie und mit dem Krankenhaus-Parkhaus Ausweichmöglichkeiten. Man werde diese intensiv kommunizieren.
Zudem komme etwas mehr als die Hälfte der Innenstadtbesucher schon jetzt zu Fuß, mit dem Rad oder Bus und Bahn. „Diese werden sich über weniger Autoverkehr freuen“, sagte Korte. Das überzeugte die Zuhörer kaum. Ein Gastronom beklagte etwa die eingeschränkten abendlichen Öffnungszeiten anderer Parkplätze. Dass die Gastronomie an der Kölnstraße mit Stadtterrassen vorübergehend neue Möglichkeiten erhalte, finde er indes sympathisch.
Die Betreiberin eines Hotels an der Kölnstraße fragte nach alternativen Parkplätzen für ihre Gäste. Korte konnte nur auf die besagten, weiter entfernten Abstellmöglichkeiten verweisen. Mangelnde Stellplätze für Menschen, die Arztpraxen aufsuchen wollen, waren ein ähnlicher Kritikpunkt. Die Aktion sei zu lang und komme zur Unzeit angesichts der gerade überstandenen Pandemie, so ein weiterer Geschäftsmann. Er forderte eine Verschiebung ins nächste Jahr.
Der Beigeordnete Ritter sieht diese Alternative nicht. Er brachte eine Shuttlebus-Verbindung vom Parkplatz in die City ins Spiel und warb noch einmal für eine andere Sichtweise. Man mache Kölnstraße und Belvedere nicht einfach zu, sondern stelle ein attraktives Programm auf die Beine – mit Konzerten, Lesungen, Poetry-Slam bis zu Sportangeboten. Der stellvertretende Wepag-Chef Hans Peter Zimmermann hat Zweifel an der Resonanz. Die funktionierenden Veranstaltungen fänden auf Uhlstraße und Markt statt, nicht auf dem Belvedere. Das lehre die Erfahrung.
Frank Pohl (52) wurde am Mittwochabend erneut zum Vorsitzenden der 1970 gegründeten Brühler Werbe- und Parkgemeinschaft (Wepag) gewählt. Der Interessenverband, dem derzeit 109 Händler und Dienstleister angehören, kritisiert die beschlossene Aktion „Brühl macht Platz“. Über die Sorgen der Händler sprach Pohl mit Wolfram Kämpf.
Herr Pohl, die Entscheidung, den Belvedere im Spätsommer rund einen Monat lang für Veranstaltungen und nicht zum Parken zu nutzen, sorgt für reichlich Aufregung unter den Geschäftsleuten der Stadt. Was ist der Grund?
Man sperrt den Parkplatz, ohne eine adäquate Alternative anzubieten. Denn die übrigen Parkplätze und Parkhäuser sind weniger attraktiv. Sie haben eingeschränkte Öffnungszeiten, sind nicht barrierefrei, weiter entfernt von der Gastronomie und haben eine andere Preisstruktur. Das bedeutet, die Kundschaft, die von Norden anreist, bricht weg. Das Konzept ist unausgegoren, auch weil man uns Geschäftsleute überhaupt nicht in die Planung eingebunden hat.
Die Stadt will Konzerte, Lesungen und Sportevents ausrichten. Das bringt doch auch Leben und Kundschaft in die Stadt.
Ich wage es zu bezweifeln, dass das viele Kunden in die Innenstadt bringt. Denn der Veranstaltungsplatz ist nicht da, wo die Geschäfte sind. Die Leute, die zu den Veranstaltungen kommen und auch die Geschäfte besuchen, werden die Verluste nicht aufwiegen. Das kennen wir beispielsweise von Kirmeszeiten.
Befürchten Sie wirklich Geschäftsaufgaben aufgrund einer einmonatigen Sperrung des Belvedere oder geht es darum, den Anfängen zu wehren und eine autofreie Innenstadt zu verhindern?
Ich hoffe nicht, dass deswegen jemand schließen muss. Ganz klar fehlt aber das Fingerspitzengefühl. Denn angesichts all der Krisen, die der Handel zuletzt erleben musste, hätte es keinen schlechteren Zeitpunkt für die Aktion geben können. Und zur Grundsatzfrage: Wir haben doch bereits mit der Fußgängerzone eine autofreie Innenstadt. Man muss die Kundschaft aber auch an die Geschäfte heranbringen. Dafür braucht es innenstadtnahe Parkplätze. (wok)