Die Brühler Johanneskirche wurde vor rund drei Jahren abgebrochen. Doch der Turm steht weiterhin und dessen Glocken erklingen noch immer.
Anwohner genervtIn Brühl läuten die Glocken auch lange nach dem Abriss der Kirche weiter
Ziemlich genau drei Jahre ist es her, da ging im Brühler Westen ein Stück Geschichte zu Ende. Die 1975 errichtete evangelische Johanneskirche am Rodderweg wurde angesichts der sinkenden Zahl an Gläubigen erst entwidmet und später abgebrochen. Zurück blieb der rund 17 Jahre jüngere Turm, mit dem von Künstler Jan Schlesinger gestalteten Turmengel an seiner Spitze und den Glocken.
Letztere schlagen immer noch eifrig. Ein Umstand, den Alfred Fassbender mehr als ärgerlich und vor allem absolut nicht nachvollziehbar findet. „Es sollte doch eigentlich logisch sein, dass kein Geläut mehr ertönt, wenn es hier keine Kirche und keine Gottesdienste mehr gibt“, meint der Mann, der unmittelbar gegenüber des Turms zu Hause ist. Mit seiner Meinung stehe er nicht allein da, betont er.
Gemeinde in Brühl verweist auf Läute-Ordnung
Die Gemeinde sagt, man wisse nur von der Beschwerde eines Einzelnen und orientiere sich an der sogenannten Läute-Ordnung. Demnach finde werktags ein zweiminütiges Gebetsläuten um 7, 12 und 19 Uhr sowie samstags um 19 Uhr ein achtminütiges Einläuten des Sonntags statt.
Zum Hintergrund erläutert Pfarrerin Renate Gerhard, für das ehemalige Kirchenschiff und den Turm seien einst getrennte Baugenehmigungen erteilt und der Glockenturm nicht entwidmet worden. „Entsprechend der Läute-Ordnung der evangelischen Kirche sind in der Baugenehmigung für den Glockenturm neben dem Ruf zum Gottesdienst ausdrücklich weitere Anlässe des Läutens aufgeführt – nämlich als Einladung zum individuellen Gebet am Tag“, erklärt sie.
Fassbender hält dagegen: „Selbst wenn der Glockenklang nur ans Gebet erinnern soll, frage ich mich, wen das erreichen soll. Schließlich war doch der Grund für den Abbruch der Kirche, dass es hier kaum noch Gläubige gibt.“
Für Gerhard ist das nicht stichhaltig. Sie sagt: „Kirchenglocken sprechen zu den Menschen. Ihre Botschaft soll sowohl der kirchlichen als auch der gesamten Kommunalgemeinde vernehmbar werden.“
Es sei eine alte Tradition der Christen und es liege eine tiefe Weisheit darin, zu Beginn des Tages, mitten in der Arbeit und dem Alltagsgeschehen und auch dann, wenn man die Arbeit aus der Hand lege und auf den Tag zurückschaue, sich unterbrechen zu lassen. Es sei von Bedeutung, für ein paar Augenblicke zu spüren, dass das, was man gerade tue, nicht alles sei.
„Ich habe mein Leben nicht allein in der Hand. Ich kann, aber ich muss auch nicht alles alleine bewältigen. Da ist eine Macht, eine Kraft – als Christinnen und Christen nennen wir sie: Gott -, die größer ist als ich. In dieser Strukturierung des Tages und Wahrnehmung der eigenen Begrenztheit liegt etwas zutiefst Menschliches. Vielen Menschen gibt es Kraft oder kann sie trösten“, sagt die Pfarrerin, „immer wieder hören wir von Menschen, die für den Klang der Glocken dankbar sind und darin Kraft und Trost erfahren.“
Beim Glockenläuten handele es sich um eine zentrale kirchliche Lebensäußerung. Diese erhalte besondere Bedeutung angesichts unmittelbar angrenzenden evangelischen Kita, die nicht zuletzt auf Wunsch der Kinder und deren Familien inzwischen den Namen „Evangelische Kindertagesstätte am Glockenturm“ trage.
Klagen vor Gericht blieben ohne Erfolg
Fassbender kann dem Läuten dennoch nichts abgewinnen. Er hat sich an die Stadtverwaltung gewandt und geklagt. Bislang ohne Erfolg. Die Verwaltung verweist auf den Schutz der Religionsfreiheit und erklärt außerdem: „Der religiös neutrale Staat, also auch die Stadt Brühl, kann deshalb nicht abschließend festlegen, wann Glockenläuten als sakral oder nicht sakral anzusehen ist.“ Die Klage vor Verwaltungsgericht Köln scheiterte und die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster wurde nicht eröffnet.
Dennoch hat der Rentner die Hoffnung auf ein Ende des Läutens oder zumindest ein Entgegenkommen der Gemeinde nicht aufgegeben. Gerhard sagt, man habe in mehreren Gesprächen und Briefwechseln für den eigenen Standpunkt geworben. Zudem sieht sich die Gemeinde durch die Entscheidung der Kölner Richter bestärkt.