Zwei Trainerinnen bilden freiberuflich 14 Personen mit unterschiedlichen Einschränkungen zu Beratern und Beraterinnen aus.
„Wie ich bin, bin ich gut“Menschen mit Beeinträchtigung beraten in Brühl behinderte Ratsuchende
Wie kann Beratung ohne Hemmschwelle und Partizipation auf Augenhöhe gelingen? Das vermittelt derzeit die Peer Qualifizierungsreihe „Wie ich bin, bin ich gut“, die von der Systemischen Beraterin Ellen Romberg (67) und der Diplom-Sozialwissenschaftlerin Martina Bünger (62) entwickelt wurde. „Peer Beratung ist eine Beratungsmethode von Menschen mit Beeinträchtigung für Menschen mit Beeinträchtigung“, erklärt Bünger.
Um sie dafür fit zu machen, qualifizieren die beiden Trainerinnen, die selbst behindert sind und freiberuflich arbeiten, 14 Frauen und Männer mit unterschiedlichen Einschränkungen. Sie kommen aus dem Rhein-Erft-Kreis, aus Köln, Aachen und Remscheid, sie leben in Wohnheimen, selbstständig alleine oder mit Assistenz, sie arbeiten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, bereits in Beratungsstellen oder sind arbeitssuchend.
„Wir wollen Menschen befähigen“
Einige haben Selbsthilfeorganisationen gegründet und leiten diese. Über eineinhalb Jahre verteilt kommen sie zu zwölf Lerneinheiten jeweils an einem Samstag in der Begegnungsstätte „Josef-Flohr-Haus“ in Brühl zusammen. „Dazwischen gibt es Reflexions- und Vertiefungsaufgaben“, sagt Romberg.
„Wir haben das gemeinsame Lernen bewusst auf einen Seminartag gelegt, damit die Teilnehmenden nicht übernachten müssen, was für Menschen mit Behinderung eine große Herausforderung wäre“, so die Brühlerin. „Wir wollen Menschen befähigen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen“, erklärt Roland Schüler vom Friedensbildungswerk Köln, das die Qualifizierungsreihe ermöglicht.
Finanzielle Unterstützung gibt es von der Kämpgen Stiftung. Hinter der Ausbildung steht grundsätzlich der Gedanke, behinderte Ratsuchende zu unterstützen und sie in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken. „Der Peer-Beratende wirkt motivierend auf Ratsuchende“, ist Bünger überzeugt.
Den beiden Ausbilderinnen ist es zudem wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, die Probleme der Ratsuchenden nicht nur als individuelle Schwierigkeiten, sondern auch als gesellschaftliche Probleme zu betrachten. Menschen mit Behinderung müssen viel sichtbarer werden, sich viel mehr trauen“, sagt Romberg.
Ausbildung stärkt Selbstbewusstsein
Unter dem Stichwort Selbstbestimmte Lebensführung gehört auch die Reflexion eigener Erfahrungen zu den Lerninhalten. „Hier geht es um Lebenslinien, um die eigene Wahrnehmung, um Persönlichkeitsmerkmale, das soziale Umfeld und individuelle Ressourcen“ führt Bünger aus. „Beratungskompetenzen werden gestärkt und eingeübt.“
„Seit ich die Ausbildung mache, traue ich mir viel mehr zu, habe Lust, Dinge zu unternehmen, treffe viel mehr Leute, bin kreativer, male wieder viel“, sprudelt es nach der siebten Lerneinheit aus Daniela Schäfer nur so heraus. „Mit meinen Erfahrungen hier möchte ich mich später mehr in der Kölner Melanchthon-Gemeinde, in der ich mich wohlfühle, einbringen“, erklärt die 49-jährige Rollstuhlfahrerin.
„Die Rollenspiele gefallen mir und stärken auch mein Selbstbewusstsein. Das Üben von Beratungssituationen hat mir zum Beispiel viel Spaß gemacht und stärkt mein Selbstbewusstsein“, resümiert Andrea Hünninghaus, die ebenso auf den Rollstuhl angewiesen ist und in einem Brühler Wohnhaus für Menschen mit Behinderung lebt. Hier arbeitet sie bereits im Beirat der Einrichtung und möchte weiterhin die Bewohner auf dem Weg, eigenständig zu handeln, begleiten.