Zum Handwerk fand die 43-Jährige eher über Zufälle, bereut hat sie ihren Weg jedoch nie.
Stuckateur-MeisterinSarah Rettig aus Brühl lässt die Faszination ihres Jobs nicht los
Dass sie eines Tages routiniert zu Kelle, Glätter und Stuckeisen greifen würde, hätte Sarah Rettig als Abiturientin im damals heimischen Siegerland nicht gedacht. „Nach der Schule habe ich zunächst ein Lehramtsstudium begonnen, eine Ausbildung zur Stuckateurin stand überhaupt nicht zur Debatte “, schaut die heute 43-Jährige zurück.
Inzwischen verdient die Brühlerin nicht bloß ihren Lebensunterhalt im Handwerk, sie ist sogar eine Meisterin unter den Meistern. Seit November führt sie als neue Obermeisterin die Stuckateur-Innung Köln, der auch die Betriebe des Rhein-Erft-Kreises angehören.
Brühlerin will den guten Ruf des Handwerks stärken
Es ist ein weiterer Schritt in ihrem Werdegang, ein Ehrenamt, das sie mit Stolz und der Ambition ausübt, weitere Betriebe für die Innung zu gewinnen und das Image des Handwerks zu verändern. „Lange Zeit wurde das Handwerk von vielen nicht mehr wertgeschätzt. Ich möchte, dass wir hohe Qualität abliefern und diese Arbeit wieder einen positiven Stellenwert genießt“, sagt sie.
Die Faszination ihres Jobs liege auf der Hand: Nach Feierabend könne man das eigene Werk betrachten, es anderen zeigen. Das mache glücklich, sei aber in vielen anderen Berufen nicht möglich.
Insbesondere als Stuckateur sei das Schaffen zudem abwechslungsreich. Trockenbauarbeiten, Wärmedämmung, die Abdichtung von Gebäudesockeln und selbstverständlich der Umgang mit Putz und Stuck im Innen- und Außenbereich gehören zum Alltag.
Weil das Lehramtsstudium ihr Herz nie eroberte, beendete Rettig dieses Kapitel zügig. Die nächste Idee war ein FH-Studium in Restaurierung. „Dafür brauchte ich aber ein Jahrespraktikum“, so die 43-Jährige, die daher nach einem passenden Handwerksbetrieb suchte. Schließlich stieß sie auf den Betrieb für Denkmalpflege, Ausbau und Erneuerung von Hans-Hermann Hürth in Brühl.
Dort heuerte sie 2002 an und machte aus dem Praktikum schließlich eine Ausbildung. Das zunächst angedachte Studium schob sie beiseite, weil der Job Spaß machte. Von einer Unterbrechung abgesehen, machte Rettig in der Brühler Firma Karriere und nebenbei noch ein BWL-Studium. Heute ist sie in der Firma Betriebsleiterin.
Die dreifache Mutter hat parallel vier bis acht Baustellen im Blick, kümmert sich um Büroarbeit und die rund zehn Mitarbeiter. Dabei kommt sie viel herum, arbeitet in Bonn, Neuss, Düsseldorf, aber auch in ihrer Heimatstadt. „Auch das macht den Reiz aus“, sagt sie.
Die Zeiten, in denen Frauen am Bau noch ein seltener Anblick waren, seien vorbei, sagt sie. „Früher gab es auch schon mal Machosprüche, aber ich wusste damit umzugehen“, erklärt Rettig. Ohnehin habe sie den Einstieg in den Beruf nie bereut. Nach wie vor fasziniere sie ihr Schaffen. Das gelte insbesondere für die Arbeit an Altbauten, die noch von Stuck und Ornamenten geschmückt sind.
Ein Highlight liegt erst wenige Tage zurück. „Da hatten wir am Palais Schaumburg in Bonn zu tun“, sagt sie. Neben der Arbeit am einstigen Dienstsitz des Bundeskanzleramtes hat Rettig auch schon vor einigen Jahren am Brühler Schloss Augustusburg gearbeitet. „Dort haben wir mit Materialien gearbeitet wie vor 250 Jahren“, erklärt. Der Putz habe Stroh und Pferdehaar enthalten.
Für diese spannenden Arbeiten will sie den Nachwuchs begeistern. Im eigenen Betrieb herrsche glücklicherweise kein Mangel. Als langjährige Lehrlingswartin bei der Innung kennt sie aber die Sorgen und Schwierigkeiten von Azubis und Arbeitgebern.
Viele junge Leute schließen ihre Ausbildung nicht ab. „Wohl auch weil einigen die Bereitschaft fehlt, acht Stunden am Tag zu arbeiten“, sagt sie. Dabei eröffne die Tätigkeit als Stuckateur die Chance auf ein ausgefülltes Berufsleben mit Karrieremöglichkeiten, betont Rettig. Sie selbst sei das beste Beispiel dafür.