Eigentlich war Anna Schmitz eine normale Dienstmagd. Doch dann wurde sie der Hexerei beschuldigt – und gefoltert, bis sie schließlich „gestand“.
„Das Metier des Teufels“Wie Anna Schmitz in Brühl als Hexe gefoltert und verbrannt wurde
In Brühl gibt es eine Straße, die nach Anna Schmitz benannt ist. Wer sie war? Die Geschichte erinnert sich so an sie:
„Alsdann habe er sie auf dem Kutschwagen, mit zwei schwarzen Pferden bespannt, zum Tanze geführt. Sie habe zu seiner linken Hand gesessen. Der Tanz wäre gehalten worden an der Linde außerhalb Bliesheim, wo der Weg nach Lechenich führe. Der Teufel habe auf der Linde gesessen und auf einer Hummelspfeife gepfiffen, welches dumpf gelautet habe. Nach dem zweistündigen Tanz habe Lucifer sie wieder heimgeführt.“
So stellten sich die Ankläger von Anna Schmitz den Hexensabbat vor, an dem sie angeblich teilgenommen haben soll. Und laut den Prozessakten gab es noch mehr Vorwürfe: Sie tanzte nicht nur mit dem Teufel, sondern verdarb auch die Ernte durch Zauberei oder soll durch böse Zauber Weidetiere getötet haben. Zur Ostermesse nahm sie sich die heilige Hostie aus dem Mund, anstatt sie zu essen. Solche Vorwürfe wurden in der frühen Neuzeit sehr ernst genommen. „Zauberei“ oder „Hexerei“ wurde als schweres Vergehen betrachtet.
Vor 420 Jahren: Anna Schmitz wurde in Brühl als Hexe verurteilt
Schätzungen von Forschenden zufolge wurden in ganz Europa zwischen 1400 und 1800 etwa 70.000 Menschen – überwiegend Frauen, aber auch Männer und Kinder – als Hexen verurteilt und hingerichtet. Demnach fanden davon allein 40.000 Hinrichtungen in Deutschland statt, wo die Hexenverfolgung im Vergleich zu anderen Ländern in Europa besonders vehement war: Das Kerngebiet des „Hexenwahns“ seien die „Länder deutscher Zunge“ gewesen, schreiben Sönke Lorenz und Erik H.C. Midelfort in ihrem Werk „Hexen und Hexenprozesse“.
So wurde auch Anna Schmitz ein Opfer dieses „Hexenwahns“. Sie wurde am 1. Dezember 1604 – vor 420 Jahren – in Brühl zum Tode verurteilt und verbrannt. Es war nicht der einzige Hexenprozess in der Schlossstadt. Aber es ist einer der wenigen, zu dem noch Teile der Gerichtsakten überliefert sind.
Straßen im Neubaugebiet in Brühl-Ost nach Frauen benannt
Nach Anna Schmitz ist die Anna-Schmitz-Straße in Brühl-Ost benannt. Grund dafür ist eine fraktionsübergreifende Initiative der Brühler Ratsfrauen aus dem Jahr 1997, teilt die Stadt Brühl auf Anfrage mit. In einem Antrag schlugen die Ratsfrauen vor, die Straßen im damaligen Neubaugebiet der alten Zuckerfabrik nach Frauen zu benennen, um ihnen im öffentlichen Erscheinungsbild mehr Anerkennung zu verschaffen.
Anna kam ursprünglich aber gar nicht aus Brühl. Sie stammte aus den Niederlanden, das lassen die Auszüge aus den Gerichtsakten ihres Prozesses erkennen. Lange bevor sie nach Brühl kam, arbeitete Anna in der Nähe von Antwerpen bei ihrem Bruder als Kuhmagd.
Anna verschwand aus Antwerpen und ging ins Rheinland
Als ein Deich brach und eine Weide überschwemmte, konnte sie sich mit einigen Knechten noch auf einem Kirchturm in Sicherheit bringen. Doch die Kühe ertranken. „Des andern Morgens habe sie bei solchem Elend ihrem Bruder nicht dürfen unter die Augen kommen“, heißt es in der Gerichtsakte.
Hier tritt der Teufel laut Protokoll zum ersten Mal auf. Ein feiner, schwarz gekleideter Mann mit schwarzem Hut soll sie getröstet und ihr angeboten haben, dass sie mit ihm kommen könne. Er habe sich Lucifer genannt.
Daraufhin soll Anna Gott und dem Christentum abgeschworen haben. Sie verließ schließlich ihren Bruder und die Niederlande und arbeitete mehr als 16 Jahre lang bei einem Gutsbesitzer in Weilerswist. In Brühl sei Lucifer dann erneut zu ihr gekommen und habe sie zu dem besagten Hexensabbat in Erftstadt geführt.
Alle Anklagepunkte – den Tanz mit dem Teufel, das Verderben der Ernte, das Verweigern der Hostie – hat Anna Schmitz laut Gerichtsprotokoll „eingestanden“. Sie wurde anschließend am 1. Dezember 1604 zum Tode durch den Scheiterhaufen verurteilt und bei Godorf am Rhein verbrannt.
Allerdings gab sie ihr Geständnis erst nach „der peinlichen Frage“ ab, wie es der Gerichtsschreiber notiert. Die „peinliche Befragung“ bezeichnete im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit nichts anderes als Folter, um Beschuldigte zu einem „Geständnis“ zu bewegen. Wie Anna genau gefoltert wurde, ist nicht überliefert. Befragungen bei Anklagen wegen Hexerei verliefen allerdings oft nach einem bestimmten Muster. Zunächst wurden die Angeklagten „gütlich befragt“, also sehr detailliert über ihre angebliche Beziehung zum Teufel ausgefragt.
Gefoltert bis zum Geständnis mit Daumenschrauben und Streckbank
Folgte darauf kein Geständnis, gingen die Ankläger meist dazu über, die Folterwerkzeuge zu zeigen und den Beschuldigten ihre Anwendung genau zu erklären – eine unmissverständliche Drohung. Darauf folgte dann die „peinliche Befragung“, bei der unter anderem grausame Instrumente wie Streckbank und Daumenschrauben zum Einsatz kamen – auch der sogenannte Folterstuhl wurde genutzt.
Dabei wurden die Beschuldigten auf einem Stuhl mit Händen und Füßen gefesselt, dessen Sitzfläche eine Öffnung in der Mitte hatte. Darunter brannte eine Feuerschale. Um den Hals befestigten die Ankläger zusätzlich ein Halsband mit eisernen Stacheln. Ob Anna Schmitz vor der Folter der Anklage widersprach, ist nicht klar, da nur ihr sogenanntes „Geständnis“ aufgezeichnet wurde.
Denn nach damaliger Rechtsprechung konnte jemand nur nach einem Geständnis für ein Verbrechen bestraft werden. Und Menschen, die sich angeblich der Zauberei schuldig gemacht hatten, wurden besonders hart bestraft.
„So jemand den Leuten durch Zauberei Schaden oder Nachteil zufügt, soll man ihn strafen vom Leben zum Tode, und man soll solche Strafe mit dem Feuer tun“, heißt es im Artikel 109 des damaligen Reichsstrafgesetzbuchs Karls V., der sogenannten „Carolina“.
Im Hexenhammer, dem theologischen Werk aus dem 15. Jahrhundert, das die Hexenverfolgung maßgeblich legitimierte, nimmt die Verurteilung noch größere Ausmaße an: Die Hexen sollten härter bestraft werden als die Ketzer. Die Größe des Verbrechens der Zauberei sei so ungeheuer, dass sie die Sünden und den Fall der bösen Engel übersteigt.
Genaue Angaben über die Anzahl von Hexenprozessen und die Ausmaße von Opfern der Hexenverfolgung in der Region sind schwierig zu finden. In vielen Fällen existieren keine genauen Aufzeichnungen mehr, entweder weil sie verloren sind oder weil sie vernichtet wurden. Thomas Becker, der an der Universität Bonn rheinische Landesgeschichte lehrte, beobachtet anhand von „chronikalischen Eintragungen“ in seiner Forschung allerdings einen „Verdichtungsraum“ von Hexenprozessen im 16. Jahrhundert im damaligen Herzogtum Jülich, zu dem auch der heutige Rhein-Erft-Kreis zu großen Teilen gehörte. Demnach fanden allein Bergheim über Jahrzehnte immer wieder Hexenprozesse statt.
Grausame Folter sollte Geständnisse und Beschuldigungen anderer bewirken
Ob jemand wirklich ein Verbrechen begangen hatte, spielte zur Hochzeit der Hexenverfolgung übrigens kaum eine Rolle. Wer als Denunziant jemanden der Hexerei bezichtigte, blieb in der Regel anonym. Mögliche Entlastungszeugen wurden meist nicht gehört, oder es gab sie schlicht nicht. Geständnisse wurden durch Folter erzwungen, sodass die Beschuldigten vor lauter Schmerz alle Anklagepunkte bejahten, damit nur der Schmerz aufhören möge. Maßgeblicher Teil des Geständnisses waren auch Nennungen anderer mutmaßlicher Hexen.
Auch Anna Schmitz wurde dazu gebracht, andere Frauen als Mittäterinnen zu nennen. Ihre Namen werden in den Prozessakten ebenfalls erwähnt. Sie stammten aus Erftstadt, Weilerswist oder Vernich.
Warum Anna der Hexerei beschuldigt wurde, ist nicht bekannt. Hatte jemand davon gehört, dass in ihrer Obhut die Kühe ihres Bruders ertrunken waren und es für Zauberei gehalten? War es am Ende ihr Bruder selbst? Möglich ist es. Anklagen konnten willkürlich sein, waren aber auch oft Mittel, um unliebsame Menschen loszuwerden. Eine einfache Anklage reichte, um zumindest festgenommen und verhört zu werden.
Klar ist jedoch, so beschreibt es ein Aufsatz über den Fall in Günter Krügers „Lebensbilder aus Sieben Jahrhunderten – Stadt Brühl 1285 – 1985“: „Weltliche und kirchliche Ankläger, Folterknechte und Henker stellten alles in den Schatten, was eigentlich das Metier des Teufels wäre.“