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Otto FlimmMit dem Kabänes-Chef durch Brühl

Lesezeit 6 Minuten

Otto Flimm genießt von seinem großen Balkon aus gerne das Panorama Brühls.

Brühl – Wenn man sich mit Otto Flimm auf einen Rundgang durch Brühl macht, begibt man sich zugleich auf eine Reise in die Vergangenheit. Der 84 Jahre alte Unternehmer hatte bislang ein bewegtes Leben, es gibt viel zu erzählen. Eines jedoch wird bei all seinen Anekdoten klar: Otto Flimm ist Brühler durch und durch, er lebt gerne in dieser Stadt.

Die Tour beginnt natürlich in der Kölnstraße 221-225 im Brühler Osten. Dort hat die C. Flimm GmbH seit 1976 ihren Unternehmenssitz. Otto Flimm leitete die Firma, die insbesondere durch die Spirituose Kabänes Erfolg erlangt hat, 35 Jahre lang, bis sein Sohn Carl die Geschäfte Anfang der 1990er Jahre übernahm. Trotzdem ist der Senior noch heute täglich im Betrieb.

Betreten wird Flimms Büro durch eine Glastür, es fühlt sich an, als würde man in die 60er Jahre zurückkatapultiert. Auf dem Boden breiten sich Orientteppiche aus, wie sie seinerzeit in jedem deutschen Wohnzimmer zu finden waren, die Schränke und Regale sind aus hellem Holz und zogen seinerzeit wahrscheinlich gemeinsam mit Otto Flimm in diese Räumlichkeiten ein.

An der Wand hängen alte Luftaufnahmen vom Heider Bergsee und dem Reiterhof Birkhof im Brühler Süden, im Büro verteilt stehen zahlreiche Pferdestatuen. Beherrscht wird der Raum von einem mächtigen Schreibtisch: massives Holz, glatt poliert. Die Arbeitsfläche ist penibel aufgeräumt, nur wenige Utensilien liegen dort verteilt. Auffällig: Weit und breit ist kein Computer zu sehen.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, erklärt Otto Flimm auf die Frage, welche Lieblingsorte er denn in Brühl habe. Leider gebe es viele Ecken, in denen er seinerzeit gerne und viel Zeit verbracht habe – die vier Motorcross-Strecken beispielsweise, die er damals gemeinsam mit den Mitgliedern des Brühler Motorsportvereins an verschiedenen Standorten gebaut hatte. Den Verein hatte Flimm in den 50er Jahren gegründet. „Da haben wir tolle Rennen veranstaltet. Einmal waren mehr als 25 000 Leute da. So viele sind noch nicht mal gekommen, wenn der FC hier gespielt hat“, erinnert sich Flimm nicht ganz ohne Stolz. Motorräder gehören zu Flimms Leidenschaften. Seine erste eigene Maschine, eine Ardie mit Jap-Motor, hat er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Amerikaner gekauft. Dafür tauschte er sogar seine geliebte Märklin-Eisenbahn ein. Heute hat Flimm noch fünf Motorräder, eine davon führt uns zu einem seiner Lieblingsorte in Brühl: zu ihm nach Hause.

In der Garage steht sie, seine schwerste Maschine. 7,5 Zentner wiegt die strahlend blaue Harley Davidson. „Inzwischen ist sie mir etwas zu schwer geworden, daher fahre ich sie kaum noch“, erzählt der 84-Jährige. Man werde schließlich nicht jünger.

Otto Flimm lädt uns ein in sein Reich. Er wohnt in einem Hochhaus im achten Stock. Das Haus gehört ihm, ein separater Eingang führt durch einen Flur zu einem kleinen Fahrstuhl. Das Innere des Aufzugs ist blau ausstaffiert, in der Ecke steht ein kniehohes Schränkchen. „Da habe ich immer eine Flasche Wasser drin. Damit ich nicht austrockne, wenn ich hier mal stecken bleibe.“ Er habe mal von einem Mann in Schweden gelesen, der in einem Fahrstuhl steckengeblieben und verdurstet war. Bislang hat Flimm das Wasser noch nie gebraucht. Aber sicher ist sicher. Deswegen wurde in dem Aufzug auch eine weitere Tür eingelassen. Durch die gelangt man in den Schacht, dort sind Steigeisen angebracht. Wie gesagt, sicher ist sicher.

Die Wohnung Otto Flimms ist vollkommen hell. Kein Wunder, ist sie doch rundherum von großen Fenstern umgeben. Durch eine Glastür gelangt man zu dem Ort, an dem der Unternehmer gerne und viel Zeit verbringt: auf seinem großen Balkon. Von dort aus hat er einen fantastischen Blick über Brühl.

Man sieht den Wasserturm, Teile des Phantasialands und, wenn man genau hinschaut, auch einen Flügel des Schlosses. Doch was Otto Flimm am Besten gefällt, ist das Grün ringsherum. „Obwohl im Grunde alles bebaut ist, gibt es in der Stadt noch ganz viel Grün. Brühl wird nicht ohne Grund Schloss- und Parkstadt genannt“, findet der Geschäftsmann.

Die nächste Station unserer Tour können wir vom Balkon aus zumindest erahnen: Es ist der Heider Bergsee. Flimm, passionierter Segler, ist – wie soll es anders sein – der Vorsitzende des dortigen Segelclubs. Zum Segeln ist er im Holland-Urlaub gekommen. Kaum zu Hause, dachte er sich: So etwas müssen wir in Brühl auch machen. Gesagt, getan. Die besten Zeiten des Motorrad-Clubs waren vorbei, ein guter Zeitpunkt also, dem Ganzen eine Segelabteilung anzugliedern. Ihre Heimstatt schufen sich die Mitglieder unter anderem mit Hilfe der Bundeswehr-Pioniere aus Köln-Longerich. „Zu denen hatte ich guten Kontakt. Die haben für ihre Offiziersbälle dann auch schon mal den Wein von mir bekommen“, erinnert sich Flimm und lächelt verschmitzt.

Er lässt seinen Blick vom Bootshaus aus gedankenverloren über den See schweifen und genießt das sich ihm bietende Bild sichtlich. Verständlich, die Aussicht ist aller Ehren Wert. Überall Ruhe. Nur der Wind streicht gemächlich über das Wasser und die in Ufernähe stehenden Baumwipfel. „Früher war hier rundherum alles kahl“, sagt Flimm. Damals wurde da, wo jetzt Wasser ist, Kohle gefördert. Nach der Rekultivierung stehen nun überall Bäume. Das Areal rund um den See ist nicht nur für Segler geeignet, auch Naturfreunde und Wanderer fühlen sich dort wohl.

Flimm selbst wandert eher weniger, er lässt sich lieber auf dem Rücken eines Pferdes über Stock und Stein tragen. Pferde hat er zwei, ein weißes und ein schwarzes, Christo und Wembley. Beide stehen im Stall auf dem Birkhof im Brühler Süden. Auch den Reit- und Fahrverein Birkhof Ville hat Flimm vor Jahrzehnten aufgebaut. Als er das Gelände erwarb, war es eine Ruine und sollte geschliffen werden. Im Zweiten Weltkrieg hatte die Wehrmacht dort eine Flakstellung untergebracht. Wenn Flimm nicht gerade auf einem der 70 Kilometer umfassenden Reitwege rund um die Ville unterwegs ist, lässt er sich gern im Restaurant Birkhof nieder. „Als Vereinsmitglied muss man das Lokal doch unterstützen“, sagt er lächelnd. „Nein, im Ernst: Da schmeckt es wirklich sehr gut.“

Auf dem Weg zurück zum Auto wirkt Otto Flimm durchaus etwas wehmütig. Vor wenigen Monaten erst hat er den Vorsitz des Vereins in andere Hände gegeben. Das ist ihm vermutlich nicht leichtgefallen. Auch wenn er natürlich weiterhin Mitglied ist, die Entscheidungen treffen jetzt andere. Damit kann Otto Flimm jedoch leben. „Denn für mich bleibt hier jeder Quadratmeter ein Stück Erinnerung.“