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Familienbetrieb in ElsdorfBäcker denkt nicht an Ruhestand

Lesezeit 3 Minuten

Drei Generationen gemeinsam in der Backstube des Familienunternehmens: (v.l.) Annika, Willi jun., Jan, Willi und Tim Immerath.

Elsdorf – Seit mehr als 56 Jahren steht Willi Immerath (70) in der Backstube. Jetzt hat er den Familienbetrieb mit Sitz an der Mittelstraße an seinen Sohn übergeben. An Ruhestand mag der vitale Senior des Unternehmens jedoch noch nicht denken.

Willi Immerath begann 1958 seine Lehre in Köln. Der Vater, ebenfalls Willi geheißen, hatte aus Steinstraß kommend 1939 den Betrieb an der Köln-Aachener Straße, unweit des Kinos, gegründet. 1941 hatte er die 1876 eröffnete Bäckerei Haarmacher an der Mittelstraße, dem heutigen Hauptsitz, gekauft. Kurz darauf musste der damalige Senior in den Krieg, aus dem er nicht zurückkam. Die Mutter Maria Immerath, die 1975 gestorben ist, führte den Betrieb bis 1968.

Willi Immerath, der heutige Senior, kam als frisch gebackener Meister 1965 nach Elsdorf zurück und übernahm 1968 die Bäckerei. 2015 soll er den Goldenen Meisterbrief von der Innung erhalten.

„Wir haben damals mit drei Mitarbeitern angefangen. Es gab vier bis fünf Brotsorten“, erinnert sich der Bäckermeister. Heute beschäftigt das Unternehmen 32 Mitarbeiter am Firmensitz und in Filialen in Kenten, Mödrath und im Elsdorfer Café Dampflok.

Aus anfangs 600 Brötchen täglich sind inzwischen knapp 4000 geworden, 20 Sorten Brot liegen in den Regalen. Neu im Angebot ist ein aromatisches Kastanienbrot mit Esskastanien- und Emmermehl, einer Urform des Weizens. Reichlich Verwendung findet in der Backstube auch das Dinkelmehl. „Das ist das ehrlichste Mehl, weil es lange in der Spelze bleibt und daher vor Angriffen geschützt ist“, begründet Immerath seine Vorliebe.

Bekannt ist der Bäcker für seine Stollen, in denen auch der Dinkel vorherrscht. Jährlich werden die Gebäckstücke prämiert. Besondere Beachtung fand der Euro-Stollen. Nach einer Bandscheibenoperation erfand Immerath im Krankenhaus das Rezept aus Langweile. Zutaten aus vielen Ländern Europas brachte er zusammen, wie Rosinen aus Griechenland, Mandeln aus Italien und Schokolade aus Belgien. Mit dem Stollen reiste er nach Brüssel zur zuständigen EU-Kommission, wo die patentierte Köstlichkeit großen Anklang fand. Im vergangenen Jahr hat Immerath seinen Stollen sogar nach Boston geschickt.

Ein exklusives Rezept hat Immerath von seinem Vater geerbt: Der Reiskuchen erstaunt sogar im Kollegenkreis. „Man muss im Gefühl haben, wann die Füllung aus Milch und Reis beim Kochen die richtige Konsistenz hat“, sagt der erfahrene Bäcker, der zwölf Jahre lang im Innungsvorstand saß.

Auch in die Lokalpolitik hat Immerath sich eingemischt: Von 1969 bis 1974 saß er für die CDU im Stadtrat, hat sich dann aber zurückgezogen. „Politik ist mir nicht aufrichtig genug“, sagt er.

Zur Ruhe setzen mag sich Willi Immerath nicht. „Nach fast 57 Jahren mit Sieben-Tage-Woche und einem Wecker, der nachts um zehn vor eins klingelt, kann ich das nicht“, gesteht er.

Sohn Willi (47) der beim Vater gelernt hat, will zunächst nicht viel ändern. „Wir müssen uns gegen die Großen mit Qualität durchsetzen“, sagt er. Bereits seit vier Jahren im Betrieb tätig ist Enkel Jan (25), der als Kaufmann die Bücher führt. „Da bin ich froh, dass ich das los bin“, räumt der Großvater ein. Und auch für die Backstube ist der Nachwuchs gesichert. Mit Urenkel Tim (3) steht die vierte Generation sozusagen in den Startlöchern. Tims erster Weg nach dem Kindergarten führt in die Backstube, wo er sich einen Teigling geben lässt, der nahezu fachmännisch geknetet und ausgerollt wird. Von den süßen Rosinen wandert dann freilich nicht alles in das Brötchen.