Reitschulen kämpfen mit finanziellen Herausforderungen. Das Projekt „100 Schulpferde plus“ soll helfen.
100 Schulpferde plusVom Glück, eins mit dem Pferd zu werden
Der deutsche Vielseitigkeitsreiter Michael Jung holte die Goldmedaille. Dressur, Geländeritt und ein Springparcours absolvierte er mit spielerischer Leichtigkeit und vor allem im harmonischen Einklang mit seinem Pferd. Die deutsche Dressurreiterin Jessica Bredow-Werndel tanzte mit ihrem Pferd gleich zweimal zu Gold mit unsichtbaren Hilfen in perfekter Abstimmung.
Solche Bilder und Fernsehmoderatoren wie Carsten Soestmeier (ARD) oder Hermann Valkyser (ZDF), die vor Begeisterung für den Pferdesport nur so sprühen, sind zudem die beste Werbung für den Reitsport. Die sanften Augen der Pferde, die faszinierende Aura – das bringt vor allem Mädchenaugen zum Leuchten. „Auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück der Erde“, dieser Spruch kommt nicht von ungefähr.
Und das empfinden alle, die jemals mit einem Pferd über ein Stoppelfeld galoppiert sind oder das Einssein beim Sprung oder in einer Dressurlektion gespürt haben. Warum ausgerechnet eher Mädchen Pferde lieben, hängt laut Experten damit zusammen, dass Pferde flauschig, weich und warm sind. „Ich kann einem Pferd alles anvertrauen und es kuscheln. Die Nase ist so sanft und weich“, sagt beispielsweise die zwölfjährige Lena aus Bedburg. Ein wichtiger Punkt: Für Mädchen ist ein Pferd viel mehr ein Freund als ein Sportpartner.„Pferde lassen dich den Alltag vergessen, gerade in der Pubertät helfen sie einem durch die schwierigen Tage“, beschreibt Natalie Jacobi (31), Bereiterin und Reitlehrerin im Reitstall Rosenblatt in Erftstadt-Köttingen.
„Dazu kommt, dass die Mädchen eine Pferdeclique bilden. Es entsteht eine Gemeinschaft mit einem starken Wir-Gefühl“, sagt Bereiterin und Reitlehrerin Esther Arens (32) aus Elsdorf. Mehr noch, sagt Arens: „Besonders für Kinder kann dieses spielende Lernen von Bewegung, Verantwortung und des Umgangs mit Mitmenschen von Vorteil sein.“ Dazu kommt, dass Filme wie „Ostwind“, Bücher oder Comic-Hefte stets vermitteln: Teenagermädchen und ihr Freund, das Pferd, erleben zusammen ein Abenteuer.
Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens IPSOS sind aktive Reiter vorwiegend weiblich (78 Prozent), im Durchschnitt 38 Jahre alt, gut ausgebildet und zumeist voll- oder zumindest teilberufstätig. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bestätigt: „534 705 FN-Mitglieder sind Mädchen und Frauen. Mit 128 432 Jungen und Männern beträgt der männliche Anteil knapp 20 Prozent.“ Doch aller Anfang ist schwer und hat erst einmal nichts mit dem von Filmen und Büchern vermittelten Freiheitsflair zu tun. Das weiß auch Lena. „Pferde sind Fluchttiere, die groß, stark und vor allem auch schnell sind.“
Pferde reagieren auf Reize, die Menschen nicht wahrnehmen
Esther Arens bestätigt: „Sie reagieren auf Reize, die wir Menschen nicht wahrnehmen oder vielleicht gar nicht ernst nehmen.“ So kann ein Pferd weit bis zum Horizont alles klar und deutlich erkennen. Reaktionen wirken für den Menschen daher oftmals unverständlich. Versteht man jedoch die Zeichen sowie die Pferdemimik und geht man auf den Vierbeiner ein, kann die Beziehung zum Pferd die erträumte Form annehmen. Lehrpferden kommt dabei eine maßgebliche Rolle zu. „Reitschulen sind das Fundament des organisierten Pferdesports, sie leisten Nachwuchsarbeit und stellen den Pferdesport in Deutschland sicher“, sagt Thomas Ungruhe, Leiter der FN-Abteilung Pferdesportentwicklung.
In Deutschland gab es, nach Angaben der FN, vor Corona rund 65 000 vierbeinige Lehrmeister, danach waren es etwa 10 000 weniger. „Ein geeignetes und bezahlbares Pferd für den Unterricht zu finden, betrifft mehr als die Hälfte aller unserer Vereine und Betriebe“, sagt Ungruhe. „Die Wartezeiten auf einen Reitstundenplatz lagen schon 2020 bei 4,4 Monaten und sind eher länger geworden, zusätzlich steht den Reitschulen durch die steigenden Kosten das Wasser bis zum Hals.“ Hilfe soll jetzt das Projekt „100 Schulpferde plus“ bringen. So sollen 100 Schulpferde bezuschusst werden. Wer also Reiten lernen möchte, muss etwas Geduld mitbringen. „Richtige Reitstunden, angefangen mit Longenunterricht, empfehle ich ab circa acht bis neun Jahren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Angst sonst noch zu groß ist.“
Das bedeutet, am Anfang sitzt man nur auf dem Pferd, das vom Trainer an einer Leine, also der Longe, auf dem Platz oder in der Halle im Kreis geführt wird. Dabei lernt man die Bewegungen des Pferdes harmonisch mit dem eigenen Körper mitzuschwingen. Dann die Kontrolle zu erlernen und zusammen in einem Bewegungsfluss zu sein, macht schließlich einen großen Teil der Faszination des Reitens aus. „Ich möchte wirklich mal so frei durch die Felder oder am Meer galoppieren, wie man es im Film sieht“, sagt auch Lena.
Reiten lernen
Bedburg: Bellas Reitschule Bergheim: Ponyhof Stiller Brühl: Reitschule Birkenhof
Elsdorf: Reitschule Hensen
Erftstadt: Ponyreitschule Almut Eilers
Frechen: Reitstall Sybillenhof
Kerpen: Reitbetrieb An der Steinheide
Pulheim: Pferdesport-Schule Conradshof
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