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Ehemalige des Erftstädter Frauenbeirat„Viele Muster haben sich wieder verfestigt“

Lesezeit 4 Minuten

Dorothee Ohrner war viele Jahre aktiv im Erftstädter Frauenbeirat. Außerdem gehört sie zu den Gründern des Eine-Welt-Ladens.

  1. Dorothee Ohrner aus Erftstadt-Lechenich war lange Jahre Mitglied im Erftstädter Frauenbeirat. Nach der Kommunalwahl fand sie aber, es sei an der Zeit, Jüngere ranzulassen.
  2. Die 68-Jährige gehört mit ihrem Mann zu den Gründern des Eine-Welt-Ladens.
  3. Über den Internationalen Frauentag hat Ulla Jürgensonn mit ihr gesprochen.

Rhein-ErftHeutzutage leiten Frauen Konzerne, sie fliegen ins Weltall. Wozu braucht man da noch einen Weltfrauentag?Dorothee Ohrner: Weil der Anteil der Frauen, die ins Weltall fliegen oder Konzerne leiten, leider noch verschwindend gering ist. Der Frauentag kämpft ja dafür, dass Frauen weltweit ihre Rechte bekommen. Es muss nicht jede Frau einen Konzern vertreten, aber jede sollte die Möglichkeit haben, den Beruf auszuüben, den sie möchte, Familie und Beruf gut zu vereinbaren, weil sie von den Männern unterstützt wird, und vor allen Dingen geschützt sein vor Gewalt. Der Frauentag hat sich im Laufe der Jahre für die unterschiedlichsten Themen eingesetzt. Dieses Jahr ist es Leadership in a Covid-19 world, also die Vertretung in den verschiedensten Gremien und Organisationen in Leitungsfunktionen. Aber in den Jahren vorher waren es auch der faire Lohn, das faire miteinander Leben, die gleichen Chancen. Das Argument, die Frauen hätten doch erreicht, was sie wollten, ist nur im Ansatz richtig.

Nun zeigt die Corona-Krise, dass viele Verpflichtungen – Haushalt und Kinderbetreuung – nach wie vor Frauensache sind. Misst sich denn Gleichberechtigung daran, wie viel jemand putzt?

Gleichberechtigung misst sich daran, wie derjenige zu seiner Arbeit steht und wie die Arbeit verteilt ist. Der Mann kann auch putzen – könnte. In den meisten Fällen ist es nicht so. Mein Mann ist nicht unbedingt derjenige, der putzt, aber wenn er mir nicht den Rücken freigehalten hätte, hätte ich viele Dinge nicht machen können. Es geht nur, indem beide Geschlechter aufeinander Rücksicht nehmen, aber auch einander unterstützen. Es ist schön, wenn Frauen es schaffen, Männer dazu bringen, dass sie sic h wirklich selbstverständlich mehr um die Kinder kümmern und nicht nur um ihren Beruf außerhalb des Hauses.

Frauenbeirat, Frauenquote, Frauentag– manifestiert das nicht die Ungleichheit?

Ich denke nicht. Diese Einrichtungen legen den Finger immer wieder in die Wunde. Wenn es das nicht geben würde, hätte sich im Laufe der vielen Jahrzehnte noch weniger verändert.

Ist der Weltfrauentag in erster Linie ein Tag der Solidarität mit Frauen in anderen Ländern, wo sie es sehr viel schlechter haben als wir hier?

Das ist er unter anderem auch. Der Weltfrauentag wird international gefeiert. Es gibt Länder, in denen die Frauen zum Weltfrauentag beschenkt werden und dieser Tag sogar ein nationaler Feiertag ist. Interessanterweise sind das oft Länder, in denen Gleichberechtigung nicht selbstverständlich ist. Ich frage mich manchmal, ob das dem eigentlichen Sinn des Tages entspricht.

Was hat der Frauentag vor Ort, hier in Erftstadt, bewirkt?

Der Frauenbeirat hat, auch anlässlich des Weltfrauentags, immer versucht, Themen anzupacken, die wir für gesellschaftlich wichtig hielten: zum Beispiel Frauen in Pflegeberufen, ungerechte Bezahlung, die Lebenssituation von Migrantinnen. Seit die Zahl gewachsen ist und die Frauen aus anderen Ländern in unserem gemeinsamen Alltag angekommen sind, waren immer Vertreterinnen der Migrantinnen dabei und jemand, der übersetzen konnte, sodass sie mitreden konnten. Menschen unterschiedlichster Nationalität haben Erfahrungen aus ihren Heimatländern eingebracht. Das war ein großer Gewinn auch für die Erftstädter.

Müssen Frauen immer noch lernen, für ihre Rechte zu kämpfen?

Ich denke ja, ich glaube auch nicht, dass hier in Deutschland alle Frauen schon ihre Rechte haben und oder auch nur dafür kämpfen. Ich habe im Gegenteil in den letzten Jahren manchmal das Gefühl gehabt, dass es so kleine, sanfte Rückschritte gibt. Viele alte Muster haben sich wieder gezeigt und verfestigt.

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Wäre die beste Nachricht für alle, die den Internationalen Frauentag veranstalten, nicht die, dass man ihn nicht mehr braucht?

Das wäre eine sehr gute Nachricht, dass man ihn nicht mehr so braucht, wie er jetzt gedacht ist. Es wäre schön, wenn man einen internationalen Tag der Gleichberechtigung ausrufen könnte und sagen: Wir haben das Ziel erreicht.