Eine eigenständige Anstalt öffentlichen Rechts betreut Unternehmen und kümmert sich um die Planung beim Wiederaufbau nach der Flut.
Erftstädter RatNeuer Betrieb für Stadtentwicklung soll Arbeitsabläufe beschleunigen
Nach langer und kontroverser Debatte hat der Stadtrat auf Empfehlung von Haupt- und Wirtschaftsförderungsausschuss die Gründung eines „Stadtentwicklungsbetriebs Erftstadt Anstalt öffentlichen Rechts“ (kurz: SEB) beschlossen.
Er soll Anfang 2024 seine Arbeit aufnehmen. CDU, Grüne, FDP und Freie Wähler votierten in namentlicher Abstimmung dafür, SPD, Linke und Aufbruch 22 stimmten dagegen. Gerd Schiffer, der auch Wiederaufbaubeauftragter der Stadt ist, wird für die Dauer von fünf Jahren zum SEB-Vorstand bestellt.
Positiver Beitrag für Erftstadt
Ein klares Bekenntnis für den SEB gab die CDU ab. Der neue Entwicklungsbetrieb sei ein positiver Beitrag für die Stadt, betonte Fraktionschef Stephan Bremer. Hier werde es eine Bündelung der Kompetenzen bei den Themen Ankauf, Entwicklung, Wirtschaftsförderung, Erschließung und Vermarktung in enger Anbindung an das städtische Planungsamt geben.
Der nach wie vor bestehende Eigenbetrieb Immobilien könne sich künftig auf seine Kernkompetenz, nämlich den Bereich Hochbau, konzentrieren. Zudem könnten künftig die Verwaltungskosten des Wiederaufbaus durch die neue Gesellschaft der Stadt in Rechnung gestellt werden und von dieser dann dem Land im Rahmen des Wiederaufbaus nach der Flutkatastrophe übermittelt werden.
Auch im Nothaushalt uneingeschränkt handlungsfähig
Die Stadtentwicklung bleibe uneingeschränkt handlungsfähig, auch für den Fall eines Nothaushalts der Kommune, da die neue Anstalt selbstständig zur Kreditaufnahme fähig sei. Eine Neubewertung der Grundstücke sei einer Übertragung an die neue Anstalt nicht nötig, erläuterte Bremer.
Als Gründe für die Zustimmung führen die Grünen unter anderem die Möglichkeit der Bodenbevorratung einer AöR in jeder Haushaltslage, die Abrechenbarkeit von Wiederaufbaukosten über das Land sowie erhoffte Effizienzgewinne durch schlankere Arbeitsstrukturen an. Der Eigenbetrieb Immobilen hat strukturell die letzten Jahre nicht zu einer Umsetzung der Wohn- und Gewerbeentwicklung geführt.
Eigenbetrieb kann sich auf den Hochbau konzentrieren
"Wir treten auf der Stelle“, so Fraktionschefin Stephanie Bethmann. Darum müsse man nun den Kurs ändern. Der Eigenbetrieb Immobilien, der zurzeit gemeinsam mit Teilen des technischen Dezernates für diese Aufgaben zuständig ist, solle sich nun primär auf den Hochbau konzentrieren. Damit sei vor allem die Sanierung der städtischen Immobilien wie Schulen und Feuerwehr gemeint.
Die SPD sieht das anders. Der neue Betrieb solle in erster Linie Grundstücksgeschäfte der Stadt übernehmen, erläuterte Fraktionschef Axel Busch im Stadtrat. Zu diesem Zweck würden dem SEB 139 Grundstücke übertragen. „Es geht offensichtlich nur noch darum, irgendwie über den Zeitpunkt der Kommunalwahl 2025 hinaus handlungsfähig zu bleiben, koste es was es wolle“, so Busch.
Zweiklassengesellschaft befürchtet
Tatsächlich werde eine Zweiklassengesellschaft geschaffen. Auf der einen Seite der SEB, auf der anderen der „dahinsiechende Eigenbetrieb Immobilien und die Kernverwaltung“. Alles, was Geld bringe, werde in den neuen Betrieb geschoben. Teure Doppelstrukturen würden geschaffen. Der SEB sei teuer und intransparent, er könne nicht mehr leisten, als das bisherige Fachpersonal der Stadt.
Um die Handlungsfähigkeit des SEB-Verwaltungsrates in Krisen- oder Katastrophenzeiten zu erhöhen, sollte auf Antrag der Freien Wählergemeinschaft Erftstadt das Gremium auch im Rahmen von Telefon- und/oder Videokonferenzen Beschlüsse fassen können, sofern nicht eine einfache Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder dem Verfahren widerspreche. Die Ratsmehrheit stimmte dem Vorschlag des Ratsherrn Raymond Pieper zu, die Satzung des SEB wird entsprechend geändert.
Heftige Kritik an Vorbereitungen
Auch die FDP betonte, der SEB sei sinnvoll. Doch wurde heftige Kritik an der Vorbereitung, unvollständigen und viel zu späten Zuleitung der Sitzungsunterlagen an die Stadtverordneten geäußert. Ratsherr Reiner Wintz sprach von einem „drastischen Verstoß gegen parlamentarische Regeln“, Ratsmitglieder fühlten sich vorgeführt. Eine viel zu kurze Beratungszeit wurde auch vom Stadtverordneten Bernd Bohlen (Aufbruch 22) gerügt, dessen Fraktion auch den SEB wegen seiner Struktur und Kosten ablehnte.
Ein Antrag auf Vertagung der Beschlussfassung wurde aber von der Ratsmehrheit abgelehnt mit dem Hinweis, dass als Punkte der SEB-Satzung ausführlich vorberaten worden seien. Der Antrag auf Abänderung (wie Kompetenzen des Unternehmens, Zusammensetzung des Verwaltungsvorstands) wurde dennoch Punkt für Punkt vom Rat abgearbeitet.
Rechtmäßig und unbedenklich
Zu den Kritikpunkten am Satzungsentwurf nahm Klaus Schmitz-Toenneßen, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, detailliert Stellung und verteidigte die Rechtmäßigkeit und Unbedenklichkeit des Entwurfs.
Aufgabengebiet
Die Aufgaben des künftigen Stadtentwicklungsbetriebs sind vielfältig. Er erfüllt sie im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und eigenverantwortlich. Kernpunkte der Arbeit sind ein umfassendes Ansiedlungs- und Betreuungsmanagement für Unternehmen sowie der Einsatz für den allgemeinen, sozialen und studentischen Wohnungsbau. Gewerbe- und Wohnbauflächen sollen zügig baureif gemacht und vermarktet werden. Die Prüfung und Wahrnehmung von Vorkaufsrechten gemäß Baugesetzbuch gehört ebenfalls zu den Aufgabenbereichen des neuen Betriebs.
Er kümmert sich auch um die Verwaltung und Bewirtschaftung von Gewerbegebieten, Vermarktung von Gebäuden, sowie Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für den Standort Erftstadt. Beim Wiederaufbau kümmert sich die neue Anstalt um die Beseitigung hochwasserbedingter Schäden insbesondere um die Organisation und Planung konkreter Schritte. (kom)