Neues AngebotCaritas und Jugendamt beraten in Erftstadt bei sexualisierter Gewalt
Erftstadt-Lechenich – „Schon ein blöder Spruch kann eine gewalttätige Handlung sein.“ Das sagt Thomas Pieger. Der Familientherapeut ist Mitarbeiter der Familienberatungsstelle der Caritas in Lechenich. Und mit Regina Mussi zuständig für ein neues Projekt, das die Beratungsstelle und das städtische Jugendamt gemeinsam auf die Schiene gesetzt haben: Beratung bei sexualisierter Gewalt.
Das Land Nordrhein-Westfalen fördert das Angebot. Die halbe Stelle, die dafür vorgesehen ist, wird zu gut 30 Prozent von der Caritas gezahlt, den Rest trägt das Land.
Steigende Fallzahlen: Sexualisierte Gewalt im Fokus
Steigende Fallzahlen haben sexualisierte Gewalt in den Fokus gerückt. Dem trägt das neue Landeskinderschutzgesetz, das seit Mai in Kraft ist, Rechnung. Erftstadt war da schon einen Schritt weiter: Seit 2019 gibt es einen Fachkreis zum Thema mit Mitarbeiten des Sozialen Dienstes und der Erziehungsberatung.
Das Problem werde nicht zuletzt durch die digitalen Medien befeuert, sagt Dr. Britta Schmitz, Leiterin der Erziehungsberatungsstelle. Frank Dirlam, stellvertretender Jugendamtsleiter und Abteilungsleiter Soziale Dienste bei der Stadt Erftstadt, verweist aber darauf, dass immer noch die meisten Fälle sexualisierter Gewalt im familiären Umfeld stattfinden: „25 Prozent passieren im familiären Raum, 50 Prozent im erweiterten Umfeld der Familie.“
Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Erftstadt
Seit Dezember des vergangenen Jahres sind Thomas Pieger und Regina Mussi Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, aber auch für Eltern, die in Sorge um ihre Kinder sind. Und seitdem sind sie konfrontiert mit den unterschiedlichsten Formen der Übergriffigkeit.
Wobei die Definition von sexualisierter Gewalt nicht ganz einfach ist. „Das fängt beim Hinterherpfeifen an“, sagt Pieger. Oder damit, dass ein Erwachsener eine Atmosphäre schaffe, die seiner Bedürfnisbefriedigung diene, ergänzt Mussi. „Gewalt beginnt, sobald ein Kind signalisiert, dass es nicht möchte, was ein anderer mit ihm macht“, definiert Dirlam. Es gebe aber nicht nur Übergriffe Erwachsener Kindern oder Jugendlichen gegenüber, auch Kinder untereinander könnten sexualisierte Gewalt ausüben – auch im Kindergartenalter.
Beratungsstellen in Hürth, Kerpen und Wesseling haben Anträge gestellt
Beratung ist nur ein Teil der Arbeit in dem neuen Projekt. Entscheidend ist der Dreiklang Prävention, Intervention und Vernetzung. In Kindergärten und Schulen wird für das Problem sensibilisiert, es wird mit dem Gesundheitsamt zusammengearbeitet und auch mit dem schulpsychologischen Dienst sowie dem Familiengericht, mit der Polizei ebenso wie mit Kinderschutzambulanzen. Das Netz der Hilfestellung soll sich bald dichter über den Kreis spannen: Bergheim profitiere bereits von der Förderung des Landes, berichtet Britta Schmitz, Beratungsstellen in Hürth, Kerpen und Wesseling hätten Anträge gestellt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Das Problem der sexualisierten Gewalt müsse stärker in den Blick der Gesellschaft rücken, da sind sich Beteiligten der Kooperation einig. Jedes Kind müsse das Recht haben, einem Erwachsenen zu sagen: „Das darfst du nicht.“ Betroffene Kinder brauchten stabile Erwachsene, die empathisch nachfragten, ohne das Problem zu potenzieren – Profis eben.
Die Erziehungsberatungsstelle der Caritas befindet sich in Erftstadt-Lechenich, Schlossstraße 1a, 02235/6092.