Familienbetrieb Esser aus LechenichSeit 134 Jahren mit der Zeit gegangen
Erftstadt-Lechenich – Behutsam wickelt Jürgen Esser die kleine Uhr aus dem weichen Samttuch. Eine echte Rarität aus Messing, Gold und Silber liegt vor ihm auf dem Arbeitstisch. Eine Taschenuhr aus dem Jahre 1717. „Früher konnten sich nur sehr wohlhabende Leute eine Uhr leisten“, erklärt er. Die heutigen Besitzer haben das „Schätzchen“ bei ihm zur Reparatur abgegeben. „Jetzt tickt sie schon wieder“, sagt Jürgen Esser. Hunderte Uhren haben bei ihm schon auf dem „Operationstisch“ gelegen.
Jürgen Esser ist gelernter Uhrmachermeister. Zusammen mit seiner Frau Sabine Esser führt er das Unternehmen „Uhren Esser“ in Erftstadt-Lechenich inzwischen in der vierten Generation.
Der Grundstein für den heute immer noch erfolgreichen Betrieb wurde von Josef Esser im Jahre 1881 gelegt, als er in Euskirchen das Fachgeschäft für Uhren, Schmuck und Optik eröffnete. Ganz im Sinne seines Vaters erlernte später dann auch sein Sohn Franz Esser den Beruf des Uhrmachers. Ihn zog es jedoch schon früh nach Lechenich, wo er 1918 zunächst ein Geschäft in der Melchiorstraße/Ecke Klosterstraße eröffnete. Neun Jahre später, 1927, siedelte er mit seinem Betrieb um zur heutigen Firmenadresse am Markt 16.
Auch im Zweiten Weltkrieg waren seine Uhren, der Schmuck, aber vor allen Dingen seine Handwerkskunst als Uhrmachermeister gefragt.
Heute möchte man sich das Ticken all der vielen Uhren die im Geschäft und in der Werkstatt unentwegt in Bewegung waren, gar nicht mehr vorstellen. Auch als sein Sohn Heinz Esser sich für den Beruf des Uhrmachers entschied, liefen die allermeisten Uhren noch mechanisch und mussten, um die Zeit richtig anzuzeigen, regelmäßig aufgezogen werden.
Heinz Esser legte 1958 an der Meisterschule in Hamburg seine Prüfung zum Uhrmachermeister ab.
Mehrere Jahre arbeitete er zunächst im Geschäft seines Onkels in Euskirchen bevor er 1971 zusammen mit seiner Frau Inge den Betrieb seines Vaters in Lechenich am Markt übernahm.
„Es erfüllt mich mit Stolz, ein so traditionsreiches Unternehmen weiter in die nächste Generation führen zu dürfen“, sagt Sabine Esser. Sie ist die Tochter von Heinz Esser. Ihr Vater hat das Geschäft nach seiner Übernahme zunächst vergrößert und dann sukzessive modernisiert. 1990 trat Sabine Esser in die Fußstapfen von Vater, Großvater und Urgroßvater. Mit dabei war auch ihr Ehemann Jürgen, der im Hause Esser das Handwerk des Uhrmachers von der Pike auf gelernt und mit der Meisterprüfung abgeschlossen hat.
Fast täglich sitzen sich die Eheleute in der Werkstatt gegenüber, um mit Lupe oder speziellen Augengläsern die feinen teils winzigen Zahnräder der Uhren zu reinigen und zu reparieren. Auch ihr Sohn Fabian (21) hat dort bereits seinen Arbeitstisch. Er ist die fünfte Generation und absolviert gerade seine Ausbildung zum Uhrmacher. Um den Betrieb vielleicht später einmal weiter in die Zukunft zu führen, hat sich der junge Mann ganz bewusst für den selten gewordenen Beruf des Uhrmachers entschieden.
„Der häufigste Grund für eine Reparatur ist heutzutage die Verschmutzung der Uhr“, erklärt Jürgen Esser. Schmutzpartikel und Schmierung würden das Uhrwerk angreifen. So eine Reinigung sei Millimeterarbeit. „Eine Armbanduhr läuft mit etwa einem Millionstel Pferdestärken“, erklärt er.
Die Entwicklung der Uhren beschreibt der Fachmann als fortlaufenden Prozess. Entsprechend würde sich auch das Esserteam bei Schulungen und Fortbildungen auf dem Laufenden halten. Zurzeit gehe der Trend insbesondere zur noch feineren Genauigkeit der Uhrzeit aber auch in Richtung Funktionsvielfalt wie Anbindungen ins Internet und zum Mobiltelefon. Auch die Moden der Uhren würden sich ständig ändern. Aktuell seien wie vor 50 und 60 Jahren wieder kleinere Armbanduhren auf dem Vormarsch.
„Wir schaffen es, die allermeisten Uhren wieder gangbar zu machen“, sagt Sabine Esser. Besonders gut gefällt ihr dabei auch der Gedanke, der Wegwerfkultur insbesondere im Bereich der Billiguhren entgegenzuwirken.