Rheinische Ikone des TurnsportsDozentien Ilona Gerling verlässt SpoHo nach 40 Jahren
- Ilona Gerling lehrte 40 Jahre an der Kölner Sporthochschule Turnsport.
- Nun verlässt sie die Hochschule – 500 Gäste kamen zu dem Verabschiedungsabend mit viel Sport-Programm.
- Ein Rückblick auf eine besonderer Karriere.
Erftstadt-Niederberg – Große Abschiedsfeier für eine Frau, die Großes geleistet hat. Für Sporthochschul-Dozentin Ilona Gerling verwandelte sich der Hörsaal 1 der Kölner Sporthochschule in einen Festsaal für eine Turngala, an der mehr als 500 Gäste teilnahmen. Gerling, die als Künstlerin aus Niederberg auch im Erftstädter Künstlerforum Schau-Fenster aktiv ist, war in Köln mehr als 40 Jahre Dozentin und Fachfrau rund ums Turnen. „Du hast Turnen nicht gelehrt, sondern gelebt – schwungvoll und temperamentvoll“ würdigte Dr. Tobias Vogt, Leiter des Instituts für Vermittlungskompetenz in den Sportarten, die gebürtige Flensburgerin.
So wurde zur Gala mächtig was geboten – von Akrobatik bis Kunstradfahren, von lyrischen Texten bis zu spektakulären Showeinlagen. TV-Moderator Kai Pflaume grüßte per Videobotschaft. Gerling beriet nämlich als Sportexpertin die ARD-Sendung „Klein gegen Groß“, die Pflaume leitet.
Zudem war Gerling hier auch als Wettkampfrichterin tätig. Reck-Olympiasieger und Sporthochschulstudent Fabian Hambüchen gab Gerling auf der Gala mit: „Du hast so viele Hummeln im Po und bist so gut vernetzt, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, dass dir langweilig wird.“
Der weltweite Erfolg von Ilona Gerling fing bescheiden an. Schon als Zwölfjährige leitete die Flensburgerin in ihrem Heimatverein eine Kinderturngruppe. Sport, vor allem Turnen, begeisterte sie ihr ganzes Leben. „Ich versuchte, Kunst und Sport zu kombinieren“, berichtet sie. So studierte sie von 1973 bis 1978 in Flensburg und Köln Kunstpädagogik und Sport. „Als ich zum ersten Mal in Köln war, kam ich mit zwei Koffern an und suchte die Hochschule. Ich hatte den falschen Weg genommen und fand mich im Müngersdorfer Stadion wieder“, erinnert sie sich mit einem Schmunzeln.
Beste Absolventin
Nach acht Semestern machte sie in Köln ihren Abschluss. „Ich war beste Absolventin und erhielt sofort einen Lehrauftrag für Turnen“, berichtet sie. In den Jahrzehnten ihrer beruflichen Tätigkeit beobachtete Gerling eine Veränderung des Lehrstoffs. Er berücksichtigt mittlerweile auch Kinder, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind.
Gerade der Sportunterricht in den ersten Schuljahren bilde eine wichtige Grundlage für die weitere körperliche und auch geistige Entwicklung der jungen Menschen. „Sport hat gleichermaßen einen Erziehungs- wie auch einen Bildungsauftrag in der Schule“, betont Gerling. Immer noch falle viel zu viel Sportunterricht aus, und die Angst sei allgemein zu groß, dass im Unterricht mal was schieflaufen könne.
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„Viele haben Panik davor, die Rolle vorwärts zu machen. Oder sie trauen sich nicht, ohne Hilfestellung einen Handstand auszuführen.“ Als großes Problem habe sich erwiesen, dass 70 bis 100 Prozent der Lehrkräfte an Grundschulen Sport nicht studiert hätten, aber trotzdem für den Sportunterricht eingesetzt würden. Gemäß neuer rechtlicher Vorschrift muss diese Qualifikation für den Sportunterricht aber nun vorliegen. „Das hat auch versicherungstechnische Gründe“, erläutert Gerling. Daher habe es eine große Zahl von Fortbildungen für die Lehrkräfte gegeben.
Nach ihrem Berufsleben wird Gerling sportlich aktiv bleiben. Den Handstand beherrscht sie immer noch, und sie kann auch ein Rad schlagen. Zudem geht sie gern ein paar Mal die Woche raus zum Laufen. Ihre Liebe zur Kunst will sie künftig wieder mehr pflegen und das eine oder andere Bild malen.
Auch als Autorin von Fachliteratur überaus erfolgreich
Jeder Sportstudent und jede Sportstudentin muss im Studium das Fach Turnen belegen. Diese Vorschrift gibt es, damit Studierende das gesamte theoretische Wissen in der Praxis, nämlich am eigenen Körper nachvollziehen und somit verinnerlichen kann.
Themen des theoretischen Unterrichtsstoffs sind unter anderem Muskeltraining, Angstbewältigung und Physiologie. Diese müssen theoretisch erarbeitet werden. Die Studierenden müssen sich einer Eignungsprüfung unterziehen, und zwar in den Disziplinen Leichtathletik, Turnen, Schwimmen und Mannschaftsspiel.
Zur Prüfung zählt auch ein Dauerlauf mit Zeitmessung. In den verschiedenen Sportarten dürfen Teilnehmer sich höchstens ein Defizit erlauben. Von 2000 Bewerbern und Bewerberinnen erfüllt im Schnitt nur knapp die Hälfte die Anforderungen.
Nicht nur als Dozentin im Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten war Gerling tätig. Sie engagierte sich auch international als Referentin für Geräteturnen. Zudem war sie etliche Jahre Vorsitzende des Bundesfachausschusses für Geräteturnen im Deutschen Turner-Bund (DTB) sowie Mitglied im Bundesausschuss „Aus- und Fortbildung“.
Neben ihrer Tätigkeit an der Sporthochschule ist Gerling bekannt als erfolgreiche Autorin von Fachliteratur. Ihre Werke „Basisbuch Geräteturnen“, „Kinderturnen – helfen und sichern“, „Das Airtrackbuch“ und viele weitere Titel gelten als Standardwerke in der Fachliteratur. Gerlings Bücher sind in viele Sprachen übersetzt und werden weltweit gelesen.
Für nächstes Jahr steht wieder eine große Herausforderung für die Niederbergerin an . Sie wurde gefragt, ob sie bei der Eröffnung des Deutschen Turnfestes 2021 in Leipzig mitarbeiten möchte. (kom)