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Wasser, Heizöl, Fäkalien„Todesurteil“ für Einfamilienhaus in Blessem gefällt

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Franziska Künnemann zeigt, wie hoch das Wasser am Kellerabgang stand.

Erftstadt-Blessem – Es ist ein langsamer, bitterer Abschied. Dass er sich hinzieht, macht ihn umso schwerer. Das Haus des Ehepaars Künnemann muss abgerissen werden, ein Chemiker hat das „Todesurteil“ gefällt. Ein spätes Hochwasseropfer, oder besser gesagt, ein Opfer des Heizöls, das die Flut mit sich gebracht hat.

Der Klinkerbau am Eschenweg in Blessem steht einladend da, seine 30 Jahre sieht man ihm nicht an. Allerdings riecht es in der gesamten Straße nach Öl, wenn man das Haus betritt, wird der Gestank schier unerträglich. Franziska Künnemann reißt als erstes Fenster und Balkontür auf, kalt ist es ohnehin, weil es keine Heizung mehr gibt. Lieber im Durchzug stehen als schädliche Ausdünstungen einatmen.

Das Öl ist in jede Ritze gekrochen, auch die Wände sind kontaminiert.

Das Haus ist ausgeräumt bis auf wenige Einzelteile. Auf den hellen Fliesen im Erdgeschoss sieht man noch, wo der Wohnzimmerschrank gestanden hat. Die braune Brühe ist daruntergekrochen an dem verhängnisvollen Tag im Juli, es lohnt nicht, die Spuren zu beseitigen. In der Küche ist die fatale Mischung aus Wasser, Fäkalien und Heizöl – ein Nachbar hatte sich kurz zuvor gut eingedeckt mit Brennstoff – unter die Bodenfliesen gesickert. Das Öl hat das Styropor zerfressen, auf dem die Fußbodenheizung verlegt war, Heizung und Fliesen sind abgesackt, die Küchenmöbel mit ihnen.

Selbst im Obergeschoss haben die Öldämpfe sich ausgebreitet. „Ich habe die ersten Wochen eigentlich nur gewaschen, erinnert Franziska Künnemann sich. Die Kleidung konnte sie retten, die Matratzen nicht. „Das war mal mein Schlafzimmer.“ In dem kahlen Raum kämpft sie mit den Tränen. „Du kriegst ein neues“, sagt ihr Mann Detlef tröstend. Und dann, im Gehen, resigniert: „Nützt ja nichts.“

Detlef Künnemann und sein Sohn räumen die letzten Terrassenmöbel ins Gartenhäuschen.

Bis zum kommenden Frühjahr wird das Haus stehenbleiben. Abgerissen wird erst, wenn der Neubau beginnen kann. Mindestens drei weitere Häuser am Eschenweg sind ebenfalls nicht mehr bewohnbar. Die Straße wird ihr Gesicht verändern.

Das Ehepaar Künnemann hat in Dirmerzheim eine möblierte Wohnung gefunden. Die beiden hadern mit der Versicherung. „Wir dachten, wir hätten alles versichert“, berichtet Franziska Künnemann. Doch nun mussten sie feststellen, dass es nur für das Gebäude eine Elementarschaden-Versicherung gibt, nicht für den Hausrat. Für den würde nur gezahlt, wenn Leitungs- oder Löschwasser den Schaden verursacht hätten: „Es war das falsche Wasser.“

„Vor zwei Monaten hätte ich noch gesagt: »Nie wieder!«“

Das Haus, in dem zwei Söhne aufgewachsen sind, ist mittlerweile eigentlich zu groß für die Eheleute, die beide Anfang 60 sind. Doch es kleiner wieder aufzubauen, würde erhebliche Verluste bedeuten. Die volle Summe werde nur ausgezahlt, wenn „in gleicher Art und Güte“ gebaut werde, erklärt Detlef Künnemann. Auf den Keller verzichten, barrierefrei bauen – für den Fall biete die Versicherung einen Vergleich an.

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Franziska Künnemann weiß nicht einmal, ob sie wieder nach Blessem ziehen will oder kann. „Vor zwei Monaten hätte ich noch gesagt: »Nie wieder!«“ Zu traumatisch waren die Erfahrungen, als sie ihr Zuhause verloren hat, zu groß die Angst um ihren Mann. Jemand hatte sie samt Hund und Katze auf einem Pritschenwagen über die Erftbrücke gebracht, während das Wasser unaufhaltsam stieg, und auf diesem Weg auch noch eine schwangere Nachbarin mit Hund mitgenommen. Detlef Künnemann war wohl der letzte, der den Eschenweg verließ. An der Einmündung zur Frauenthaler Straße klammerte er sich an den Stromkasten, bis ein Traktor anhielt. Während er sich um das Führerhaus hangelte und die Strömung an ihm zerrte, stürzte die lange Mauer am Veltenhof um, so erinnert er sich: „Da hat der Fahrer einen ordentlichen Guss abbekommen.“

Die Erzählung von den dramatischen Ereignissen macht Franziska Künnemann zu schaffen, die Belastung ist groß. „Keine Ahnung, wie es mir im Frühjahr geht.“ Auf der anderen Seite seien da die tollen Nachbarn im Eschenweg: „Die wollen, dass wir wiederkommen.“