Die Stadt sieht es anders: Das Verkehrsaufkommen sei geringer, der Lärm zurückgegangen und das Sicherheitsgefühl gestiegen
FahrradstraßenBürger sind genervt: „Wohnen in Frechen ist unerträglich geworden“
„Es ist eine Katastrophe! Was hat die Stadt da veranstaltet? Wenn es so weitergeht, muss ich mein Geschäft noch schließen." Deutliche Worte findet Elisabeth Da Costa Ribeiro zu dem Verkehrsversuch „Fahrradstraßen in der Innenstadt“, der am 24. März 2023 mit der Fahrradzone an der Alte Straße/Dr. Tusch-Straße gestartet war.
Die Frechenerin hat ihre Änderungsschneiderei an der Josefstraße und ist so mitten in den neuen Einbahnstraßen und einer geänderten Verkehrsführung ansässig. „Gerade meine älteren Kunden kommen nicht mehr, sie finden sich nicht mehr zurecht.“
Anwohner wollen erwirken, dass der Verkehrsversuch abgebrochen wird
Mit ihrer Empörung steht die Geschäftsfrau nicht alleine da: „In nur zwölf Stunden haben wir fast 500 Unterschriften gegen den Verkehrsversuch gesammelt“, berichtet Anwohner Jürgen Johnen. „Darunter sind rund 60 Geschäftsleute, auch von der Hauptstraße, die die Maßnahme als sehr geschäftsschädigend bewerten. Die Kunden seien genervt und würden ankündigen, demnächst woanders einzukaufen.“
Gemeinsam mit Elisabeth Da Costa Ribeiro und anderen will er in der Sitzung des Verkehrsausschusses am 24. Mai die Unterschriftenliste als Bürgerantrag vorlegen. Sie beantragen, „den Versuch abzubrechen und die vorherige Verkehrsregelung wieder herzustellen“. Bislang ist der Versuch auf zwei Jahre angelegt.
Frustrierte Autofahrer geben Vollgas
Johnen betont, er sei selber Radfahrer und hätte wie die anderen Anwohner bislang überhaupt keine Probleme mit Radlern gehabt. Er wohnt an der Klarengrundstraße, die ehemals ruhige Seitenstraße sei nun zur Hauptverkehrsstraße geworden sei: „Früher fuhren hier 100 bis 150 Autos durch, heute sind es über 1000.“
Zudem seien im ganzen Viertel die Autofahrer derart gefrustet, dass sie in den neuen Einbahnstraßen oft Vollgas geben oder entgegengesetzt fahren würden. Dies wiederum gefährde die wenigen Radfahrer, die unterwegs seien, immens. „Für viele ist das Wohnen und Arbeiten hier nun unerträglich, es ist richtig heftig“, schimpft er.
Bereits im März hatte die Einführung der Fahrradzone für Aufregung gesorgt, da die Anwohner nicht rechtzeitig unterrichtet worden waren und es zu einem Verkehrschaos in der Innenstadt gekommen war. Dafür hat sich die Stadt entschuldigt und Nachbesserung gelobt. „Natürlich bedarf es wie bei jeder Veränderung einer gewissen Phase der Gewöhnung“, heißt es in einem Bericht der Verwaltung, der dem Verkehrsausschuss heute vorgelegt wird.
Bei Vorort-Gesprächen oder Terminen im Rathaus hätte es trotz anfänglich negativer Einstellung Hinweise auf eine verbesserte Wohnqualität gegeben, heißt es in der Vorlage: Das Verkehrsaufkommen sei geringer, der Lärm zurückgegangen und das Sicherheitsgefühl gestiegen. Es werde aktuell an einer Kommunikationskampagne mit Flyern und Plakaten gearbeitet, da „es mit einer einfachen Beschilderung nicht getan sei“. Zudem soll vor der Sommerpause eine weitere Verkehrszählung stattfinden.
Die Kosten der Maßnahme liegen bislang bei rund 40.300 Euro
Für Frühjahr bis Mitte 2024 sei dann eine weitere Beteiligung der Bürger geplant. Bis dahin wollen die Initiatoren des Bürgerantrags nicht warten, denn sie befürchten eine Verschärfung der Situation, wenn das Parkhaus Josefstraße abgebrochen und das etwa hundert Meter entfernt liegende Bauprojekt Wolf'sche Höfe begonnen wird.
Die Kosten der Maßnahme liegen bislang bei 40.300 Euro. Davon fallen 20.300 Euro für die Begleitung durch ein externes Ingenieurbüro an. Zudem sind 9000 Euro für die Einrichtung ausgegeben worden, die Miete der provisorischen Schilder wird mit jährlich 11.000 Euro angegeben. Genau über diese ärgert sich auch der kulturengagierte Frechener Johannes Paul: „Ich bin stolz auf meine Heimatstadt, aber für die provisorischen Schilder und Barken schäme ich mich vor Freunden und Besuchern.“ Insgesamt könne er, auch als Radfahrer, die gesamte Maßnahme „überhaupt nicht nachvollziehen“.
Alleine beim Keramikmarkt habe es ständig Rangiermanöver von genervten Autofahrern gegeben, alle Wege in die Innenstadt seien länger geworden und die Verärgerung bei den Händlern groß, so der 66-Jährige. Auch bei Veranstaltungen im Stadtsaal gebe es nun „eine unsägliche Belastung durch Umwege für Autofahrer, Anwohner und die Umwelt“.