Ein Vortrag des Geschichtsvereins schildert Schicksale von Menschen, die vom NS-Regime verhaftet, verurteilt und sogar hingerichtet wurden.
Nazi-Terror203 Fälle von politischer Verfolgung in Frechen
Lilli Münchrath aus der Franzstraße 8 in Frechen war eine mutige Frau: Die Gattin des ehemaligen SPD-Mitglieds Fritz Münchrath arrangierte sich nie mit dem NS-Regime und galt nach der Aussage mehrerer Zeugen als „ständige Nörglerin“. So geriet auch sie durch einen Denunzianten in das Visier der NS-Polizei.
Sie wurde beschuldigt, am 1. September 1939, am Tag des Kriegsausbruchs, vor dem Lebensmittelgeschäft Gertrud Loosen zu anderen Frauen gesagt zu haben: „Jetzt seht ihr es: Ihr habt Adolf Hitler gewählt, nunmehr können eure Kinder in den Krieg ziehen.“ Aufgrund ihrer politischen Haltung, die sie offen zeigte, traute ihr anscheinend jeder zu, so etwas gesagt zu haben. Beim polizeilichen Gehör aber stellte sich heraus, dass keiner der Zeugen dies wirklich bestätigen konnte. Auch der Hauptbelastungszeuge wurde im Verlauf der Vernehmung und der Gegenüberstellung immer unsicherer – das Verfahren wurde eingestellt.
Begeisterung über das Stadarchiv
Diese historische Begebenheit ist eines der zahlreichen Schicksale von Frechener Bürgern, über die Dr. Jochen Menge geforscht hat. Der 77-Jährige, der seit 45 Jahren in Frechen lebt, hat vor rund zehn Jahren die Aufarbeitung historischer Fakten als Hobby entdeckt und ist begeistert von den Schätzen im Frechener Stadtarchiv: „Dort gibt es viel Interessantes wie Ortsakten von der NSDAP, das ist in Deutschland selten.“ Im Landesarchiv NRW fänden sich zudem 203 Fälle, in denen zwischen 1933 und 1945 wegen politischer Vergehen gegen Frechener Bürgerinnen und Bürger ermittelt worden wäre.
Frechen war eine Hochburg der Kommunisten
Auch das Schicksal der Kommunisten in Frechen bewegt den ehemaligen Fremdsprachenlehrer: In der Weimarer Republik sei die Stadt eine Hochburg der Kommunisten gewesen. Bei der letzten freien Reichstagswahl im November 1932 erhielten sie 31 Prozent der Stimmen und waren im damaligen Oberdorf St. Severin sogar stärkste Partei. Die NSDAP bekam hingegen nur zwölf Prozent der Stimmen.
Am Abend der Machtübernahme der Nazis und der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 formierten sich etwa 60 Kommunisten, die als Erste im Visier der Polizei waren, in Frechen spontan zum Widerstand: Sie zogen in einem Protestmarsch vor die Geschäftsstelle der NSDAP in der Hüchelner Straße 71 und gaben rund 30 Schüsse auf das Haus ab. Scheiben gingen zu Bruch und ein SA-Mann wurde am Fuß verletzt.
Einer der Festgenommenen wurde zu Tode gefoltert
Diese einzige offene Widerstandsaktion in Frechen führte zu zahlreichen Festnahmen und später zu drei Prozessen gegen insgesamt 45 Frechener Kommunisten. Es gab neun Freisprüche und 36 Freiheitsstrafen von bis zu sechs Jahren. Bei den polizeilichen Ermittlungen zur Aufklärung der Hintergründe hätte man einen der Festgenommenen zu Tode gefoltert, weiß Menge zu berichten: Heinrich Bühr starb am 25. Juli 1933 in einem Polizeikrankenhaus an seinen Verletzungen.
Unter den Verurteilten war auch Johann Bürger, der langjährige KPD-Chef in Frechen. Nach seiner Entlassung verzichtete er auf alle politischen Aktivitäten, aber nicht auf seine Überzeugung. Nach Kriegsende setzte er seine Arbeit für die KPD fort und war bis 1952 stellvertretender Landrat des Landkreises Köln.
Diese Schicksale und weitere Opfer der NS-Willkür, die wegen politischer oder „verräterischer Vergehen“ denunziert, angeklagt, verurteilt oder sogar hingerichtet wurden, lässt Dr. Jochen Menge in einem Vortrag für den Frechener Geschichtsverein wieder lebendig werden. Er findet am Dienstag, 14. Mai, 19 Uhr, im Kolpinghaus, Hauptstraße 55, kostenfrei mit dem Titel „Frechener Bürger im Visier der politischen Polizei 1933 bis 1945“ statt. Um eine Anmeldung unter 02234/9371411 oder per E-Mail wird gebeten.